BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18065 21. Wahlperiode 23.08.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 15.08.19 und Antwort des Senats Betr.: Berücksichtigung der Vorgaben des Leitfadens zur umweltverträglichen Beschaffung Die Finanzbehörde hat 2018 die Lieferung von Leuchten und Leuchtmitteln für die Dienststellen der Freien und Hansestadt Hamburg in mehreren Losen ausgeschrieben. Ausgeschrieben wurden dabei unter anderem Leuchtstofflampen der Typen T5 und T8, langlebige Leuchtstofflampen, Energiesparlampen und Kompaktleuchtstofflampen verschiedener Bauarten konventioneller Leuchtmittel. „Konventionell“ bezeichnet hierbei energetisch veraltete Bauweisen. Zu Recht wird im Leitfaden zur umweltverträglichen Beschaffung (Seite 90 in der Fassung von 2019 und Seite 80 in der Fassung von 2016) darauf Bezug genommen, dass „die Innenbeleuchtung (...) einen großen Anteil des Stromverbrauchs von öffentlichen Gebäuden aus(macht): Durchschnittlich verbraucht die Beleuchtung rund 35 % des Stroms. Der Einsatz zeitgemäßer Innenbeleuchtung kann neben erheblichen Energieeinsparungen und der Verminderung des CO2-Ausstosses weitere positive Auswirkungen haben“. Seitens der Finanzbehörde wird die Beschaffung veralteter Leuchtmittel damit begründet, dass sie „aus technischen Gründen auch weiterhin benötigt (werden)“. Da es auch für alte Leuchtmittel Umrüstmöglichkeiten gibt, oder auch eine zeit- und klimagemäße Neuanschaffung in Betracht gezogen werden kann, muss die Ausschreibung, die nicht den „Kriterien für die Leistungsbeschreibung“ des Leitfadens entspricht auf ihre Auswirkungen für den Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg, genauso wie auf das Klima, hinterfragt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Finanzbehörde hat im Jahr 2018 die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Leuchten und Leuchtmittel durchgeführt. Mit Rahmenvereinbarungen wird eine Möglichkeit geschaffen, Waren und Dienstleistungen einheitlich und kostengünstig zu beziehen, jedoch nicht bestimmt, welche der in der Rahmenvereinbarung enthaltenen Waren und Dienstleistungen von den Dienststellen in Anspruch zu nehmen sind. Die Entscheidung darüber obliegt den aus den Rahmenvereinbarungen abrufenden Dienststellen. Im Rahmen der strategischen Ausschreibungsvorbereitung für die in Rede stehenden Leuchten und Leuchtmittel wurde sowohl eine Bedarfsträgerkonferenz als auch eine Interessentenkonferenz mit potentiellen Bietern durchgeführt. In der Ausschreibung wurden LED- Leuchten und Leuchtmittel neben den konventionellen Leuchten und Leuchtmittel berücksichtigt. Neben den acht Losen für konventionelle Leuchtmittel umfasst die Rahmenvereinbarung auch 45 Herstellerlose für Leuchten . Die Bedarfsmengen wurden geschätzt und dienen lediglich als Kalkulationsgrund- Drucksache 21/18065 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lage für die Bieter und begründen keine tatsächlichen Abrufmengen durch die Dienststellen . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche technischen Gründe liegen für die Ausschreibung veralteter Leuchtmittel vor? Die Dienststellen der Freien und Hansestadt Hamburg weisen einen heterogenen Bestand an Leuchten auf, zumal in angemieteten Gebäuden fest installierte Leuchten vorhanden sind. Hier muss die Möglichkeit gegeben sein, die passenden, energieeffizienten , konventionellen Leuchtmittel aus einer Rahmenvereinbarung abzurufen. Daher kann zurzeit nicht grundsätzlich auf konventionelle Leuchtmittel verzichtet werden . Bei den konventionellen Leuchtmitteln handelt es sich um die neuesten technischen Versionen, die damit den hohen Anforderungen des Umweltleitfadens 2016 mit mindestens einer Energieeffizienzklasse A gemäß der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung entsprechen. Welche technischen Gründe jeweils vorliegen, konventionelle Leuchtmittel zu beschaffen , obliegt der Beurteilung der Dienststellen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Gibt es technische Umrüstmöglichkeiten für die in den Losen 1 bis 8 der Ausschreibung ausgeschriebenen Leuchtmittel, zum Beispiel den Einbau einer Kurzschlussbrücke bei Leuchtstoffröhren? Wenn ja: a. Welche Umrüstmöglichkeiten, die den Einsatz moderner, energieund klimaoptimierter Leuchtmittel gemäß den Beschaffungsleitfaden erlauben, gibt es für die ausgeschriebenen Leuchtmittel? b. Warum erfolgte die Ausschreibung moderner LED-Leuchtkörper unter Einbezug einer Umrüstung der Leuchten nicht? Es gibt Umrüstmöglichkeiten zum Einsatz von LEDs. Hierzu ist ein kompatibles Vorschaltgerät , gegebenenfalls ein Starter, sowie das mit dem Vorschaltgerät kompatiblen LED-Leuchtmittel notwendig. Diese wurde in der Ausschreibung berücksichtigt. Auf den Ersatz von konventionellen Leuchtmitteln mit Vorschaltgerät durch die sogenannten LED-Retrofits wurde verzichtet, um eventuell anfallenden Risiken, wie zum Beispiel eine Veränderung der Beleuchtungssituation, Brandgefahr, Wegfall des Versicherungsschutzes sowie Übergang der Haftung auf den Monteur vorzubeugen. In angemieteten Dienstgebäude haben die Dienststellen keinen Einfluss auf die in den Gebäuden verbauten Leuchten. 3. Wurde die vollständige oder teilweise Neuanschaffung der Leuchten im Vorfeld der Ausschreibung geprüft? Wenn ja, unter welchen Gesichtspunkten erfolgte die Prüfung, insbesondere bezüglich der Energiekosteneinsparungen, der CO2-Bilanz und der Anschaffungskosten sowie der laufenden Kosten bezüglich des Wartungsaufwands und mit welchen Ergebnissen jeweils im Einzelnen pro Ausschreibung der Lose 1 bis 8? Bitte sowohl für den zweijährigen Ausschreibungszeitraum , wie auch für den vierjährigen Zeitraum (der Verlängerungsoption), aufführen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18065 3 Wenn nein, warum nicht und wie berücksichtigt die Freie und Hansestadt Hamburg bei ihren Ausschreibungen die klima- und energiepolitischen Auswirkungen? Siehe Vorbemerkung und Drs. 21/14669. 4. Wurden für die Ausschreibung alternative Finanzierungsmodelle, zum Beispiel Mietmodelle, in Erwägung gezogen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Bei Leuchtmitteln handelt es sich um Verbrauchsgegenstände, für die Mietmodelle nicht in Betracht kommen und deshalb in der Branche unüblich sind. Darüber hinaus würde dies den Bieterkreis einschränken. 5. Welche Fassung des Beschaffungsleitfadens wurde der Ausschreibung zugrunde gelegt? a. Wenn die Ausschreibung auf der Fassung des Leitfadens für umweltverträgliche Beschaffung von Januar 2016 beruht, wurde von den unter 3.8.3 aufgeführten „Soll-Kriterien für die Leistungsbeschreibung “ abgewichen? Wenn ja, in welchen Punkten und warum? Für die Ausschreibung, die am 24. Oktober 2018 EU-weit veröffentlich wurde, wurde die Fassung des Umweltleitfadens von 2016 verwendet. Der Umweltleitfaden 2019 wurde am 7. Mai 2019 im FHH-Portal veröffentlicht. Von den Soll-Kriterien gemäß Ziffer 3.8.3 des Umweltleitfadens 2016 wurde nicht abgewichen. b. Wenn von den Soll-Kriterien abgewichen wurde: Wurde das Formular zur „Begründung der Nichtanwendung...? (Seite 9 des Leitfadens in der Fassung von 2016) erstellt und der BUE in Kopie übermittelt? Wenn ja, bitte beifügen. Wenn nein, warum nicht? Entfällt. i. Wie beurteilt der Senat die Vergabe der Lose unter den Gesichtspunkten des Leitfadens: „Auftraggeber haben im Rahmen der Beschaffung dafür Sorge zu tragen, dass (...) negative Umweltauswirkungen vermieden werden (...).“ Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes sollen auch Kriterien des Umweltschutzes und der Energieeffizienz berücksichtigt werden. Umweltfreundliche Beschaffung leistet einen Beitrag zur Reduzierung des klimaschädlichen Treibhausgases CO2. (Seite 17 in der Fassung von 2016.) Umweltfreundliche Beschaffung berücksichtigt die Lebenszykluskosten eines Produktes (...). (Seite 17 in der Fassung von 2016.) Große Potenziale bei der umweltfreundlichen Beschaffung hinsichtlich des Energieverbrauchs und der Steigerung von Energieeffizienz liegen bei Produkten mit hohem Energiebedarf , wie (...) Innen- und Außenbeleuchtung (...). (Seite 17 in der Fassung von 2016.) ii. War der Behörde zum Zeitpunkt der Ausschreibung bereits die Neufassung des Leitfadens für 2019 bekannt? Drucksache 21/18065 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 iii. Ist der Senat der Auffassung, dass die Ausschreibung nach der derzeit gültigen Fassung von 2019 des Leitfadens für umweltverträgliche Beschaffung zu einer anderen Vergabe geführt hätte ? Siehe Drs. 21/14669; im Übrigen: entfällt. 6. Teilt der Senat die Feststellung des Beschaffungsleitfadens (Seite 90 in der Fassung von 2019 und Seite 80 in der Fassung von 2016), dass moderne Leuchtmittel optimale Sehbedingungen schaffen und das Leistungs - und Konzentrationsvermögen beeinflussen, das Wohlbefinden verbessern und zur Verhütung von Arbeitsunfällen beitragen? Siehe Drs. 21/14669. Wenn ja, gab es bei der nunmehr erfolgten Beschaffung bezüglich der Arbeitsbedingungen eine Abstimmung mit Personal- und Betriebsräten oder Sicherheitsbeauftragten? Wenn nein, warum nicht? Leistungsbeschreibungen in Vergabeverfahren sind nicht mitbestimmungspflichtig. Vor der Beschaffung eines Leuchtmittels oder einer Leuchte muss die jeweilige Bedarfsstelle im Vorfeld alle sicherheitsrelevanten Aspekte individuell prüfen, wodurch eine zusätzliche Expertise mit Sicherheitsbeauftragten nicht nötig war. Abstimmungen bezüglich der Arbeitsbedingungen werden durch die einzelnen Beschaffungsstellen der Dienststellen noch vor Abruf eines Einzelauftrags aus der Rahmenvereinbarung durchgeführt. Mögliche positive und negative Effekte werden vor Ort beurteilt, beispielsweise durch Beleuchtungskonzepte. Die Behörde für Umwelt und Energie war bei der Beschreibung der Auswahlkriterien der Ausschreibung beteiligt . 7. Hat es eine im Leitfaden beschriebene (Seite 24) „Interessenskonferenz“ gegeben? Wenn ja, a. wann fand diese statt? b. wurde das auf Seite 25 (Fassung von 2016 und Seite 22 in der Fassung von 2019) geforderte umfassende Protokoll den Vergabeunterlagen zur Wahrung der Chancengleichheit beigefügt? Wenn ja, bitte das Protokoll beifügen. Wenn nein, warum nicht? Ja; eine Interessentenkonferenz hat am 12. September 2018 stattgefunden. Das Protokoll der Interessentenkonferenz wurde den Vergabeunterlagen beigefügt und zusammen mit den Ausschreibungsunterlagen am 24. Oktober 2018 bei folgenden Veröffentlichungsorganen bekanntgemacht: Submissions-Anzeiger Subreport Verlag Schawe GmbH Amtlicher Anzeiger B_I Ausschreibungsdienste www.bieterportal.hamburg.de www.ted.europa.eu Die Ausschreibungsunterlagen stehen im Transparenzportal zur Verfügung. 8. Mit welchem Stromverbrauch für die nunmehr ausgeschriebenen Leuchtmittel ist für die nächsten zwei beziehungsweise vier Jahre zu rechnen? Bitte aufführen, welche durchschnittliche Leuchtdauer pro Tag zugrunde gelegt wird und mit welchem Strompreis kalkuliert wurde. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18065 5 9. Welcher CO2-Ausstoß wird durch den Betrieb der vorgenannten Leuchtmittel verursacht (für zwei beziehungsweise vier Jahre)? 10. Wie hoch wären Stromkosten und CO2-Ausstoß durch den Betrieb von Leuchtmitteln gemäß der Leistungsbeschreibung des Leitfadens für umweltverträgliche Beschaffung? Die durchschnittlichen Nutzungsstunden unterscheiden sich unter anderem durch die Art der Nutzung des jeweiligen Gebäudes. Für Schulen ist eine Benutzungszeit von 500 h/a bis 800 h/a anzusetzen, für die allgemeine Verwaltung und für Feuerwachen 1 000 h/a, für Hochschulen 1 500 h/a und für Polizeireviere und Wohnunterkünfte 2 500 h/a. Der durchschnittliche Strompreis liegt derzeit bei 23 Ct/kWh (brutto). Belastbare Statistiken und Daten, die Aussagen bezüglich des CO2-Ausstoßes und der Kosten ermöglichen, liegen nicht vor. 11. Ist der Senat der Meinung, dass bei der Anschaffung, insbesondere großer Mengen, energieverbrauchender Geräte auch eine Klimabilanz verpflichtend zu erstellen ist? Wenn ja, ab wann wird diese Pflicht? Wenn nein, warum nicht? Aus dem Vergaberecht ergibt sich keine Verpflichtung zur Erstellung einer Klimabilanz . Mit dem Leitfaden zur umweltverträglichen Beschaffung hat die Freie und Hansestadt Hamburg die Klimarelevanz des Einsatzes elektrischer Geräte berücksichtigt.