BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18085 21. Wahlperiode 27.08.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 19.08.19 und Antwort des Senats Betr.: Zahnschienen aus dem Netz – Gesundheitliche Risiken durch „Aligner“ Anbieter für Zahnschienen aus dem Netz versprechen eine ästhetische Zahnkorrektur1. Der Vertrieb über das Internet soll Patienten nicht nur Zeit sparen, sondern auch günstiger sein. Mehrere Anbieter dieser unsichtbaren Zahnschienen, sogenannter Aligner, gibt es auch in Hamburg. Sie vermitteln ihren Kunden den Eindruck, jeder Kunde sei für Aligner geeignet und Zahnfehlstellungen könnten damit erfolgreich behandelt werden. Tatsächlich ist die Behandlung von Zahnfehlstellungen eine kieferorthopädische Behandlung , die in der Regel von Fachzahnärzten für Kieferorthopädie durchgeführt werden, die nach ihrem fünfjährigen Studium und einem allgemeinzahnärztlichen Jahr eine dreijährige fachspezifische Weiterbildung mit einer Prüfung vor der Zahnärztekammer absolviert haben. Eine solche kieferorthopädische Behandlung setzt eine persönliche Untersuchung des Patienten sowie einen fachlichen Befund voraus, die in eine Behandlungsplanung mündet, die abhängig von der Indikation ist. Darüber hinaus werben einige gewerbliche Anbieter von Alignern mit einer kostenlosen Beratung, geben eine Behandlungserfolgsgarantie ab und bieten den Patienten Festpreise an. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Grundsätzlich werden Zahnschienen im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung ärztlich verordnet. Zahnschienen können gegebenenfalls auch in Form sogenannter Alignen (in Form weitgehend unsichtbare Zahnschienen) angewandt werden. Zunehmend werden die Erstellung von Zahnabdrücken – konventionell oder per 3-D- Scan – durch den Patienten mit anschließender Durchführung einer kieferorthopädischen Eigentherapie oder mit nur einmaligem persönlichen Kontakt zum Behandler ohne geeignete Kontrolle und Dokumentation des Behandlungsverlaufs durchgeführt. Die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie weist auf medizinische Risiken hin. Die Einhaltung berufsrechtlicher Vorgaben obliegt der Zahnärztekammer, die Qualität der vertragszahnärztlichen Leistungserbringung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Zahnärztekammer wie folgt: 1. Welche Kenntnisse hat der Senat über Anbieter sogenannter Aligner in Hamburg? Wie viele und welche Anbieter sind dem Senat bekannt? Welche dieser Anbieter vertreiben Aligner über das Internet? Der zuständigen Behörde ist bekannt, dass Zahnschienen auch als Alignen mit und ohne ärztliche Verordnung in Hamburg angeboten werden. Diese werden in der Regel 1 https://www.zdf.de/verbraucher/volle-kanne/zahnschienen-aus-dem-netz-102.html. Drucksache 21/18085 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 als Sonderanfertigung nach Medizinproduktegesetz von Dentallaboren sowohl für zahnärztliche/kieferorthopädische Praxen hergestellt als auch über Partnerzahnärzte oder Beratungszentren in Hamburg vom verantwortlichen Hersteller mit Sitz außerhalb Hamburgs in den Verkehr gebracht. Weiter gibt es Anbieter, die Aligner lediglich über das Internet vertreiben. Da keine Anzeigepflicht für Hersteller von Sonderanfertigungen besteht, existieren keine Kenntnisse über die tatsächliche Zahl von Anbietern mit Sitz in Hamburg. 2. Ist dem Senat bekannt, dass Anbieter von Alignern kieferorthopädische Behandlungen unabhängig von Indikationen anbieten? Wenn ja, was hat der Senat in dieser Angelegenheit bisher unternommen beziehungsweise was plant er zu tun? 3. Ist dem Senat bekannt, dass nicht jeder Patient für Aligner geeignet ist und es hierdurch zu Risiken für die Bevölkerung kommen kann? Wenn ja, was hat der Senat in dieser Angelegenheit bisher unternommen beziehungsweise was plant er zu tun? Siehe Vorbemerkung. 4. Sind die gewerblichen Firmen, die Aligner anbieten, berechtigt die Zahnheilkunde auszuüben? Wenn ja, bitte Rechtsgrundlage angeben und erläutern. Nach § 1 Absatz 1 Zahnheilkundegesetz (ZHG) darf die Zahnheilkunde ausüben, wer über eine zahnärztliche Approbation nach § 2 ZHG oder eine vorübergehende Erlaubnis zur Ausübung der Zahnheilkunde nach § 13 ZHG verfügt. Die gewerblichen Firmen selbst dürfen die Zahnheilkunde nur ausüben, wenn sie hierfür approbierte Zahnärzte anstellen. Die Gesellschaften müssen die Vorgabe des § 27 Absatz 3 S. 2 Hamburgisches Kammergesetz für die Heilberufe erfüllen. Das bedeutet unter anderem , dass die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte Kammermitgliedern zustehen, Dritte nicht am Gewinn beteiligt sind und der Unternehmensgegenstand ausschließlich auf die Erbringung heilberuflicher Leistungen gerichtet ist. 5. Verstoßen die gewerblichen Aligner-Anbieter, die ihren Patienten kostenlose Beratungen und Festpreise anbieten, gegen die Vorgaben der Gebührenordnung und das Heilkunde Kammergesetz? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, sind dem Senat solche Verstöße bekannt? Wie viele Verstöße sind dem Senat bekannt und wie wurden diese sanktioniert? Was hat der Senat bisher unternommen, um weiteren Verstößen vorzubeugen? Wenn Aligner-Anbieter berechtigt sind, zahnärztliche Leistungen zu erbringen (siehe Antwort zu 4.), sind diese nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu berechnen. Die GOZ sieht für einzelne Leistungen Gebühren mit Punktzahlen und Steigerungsfaktoren vor. Die Erbringung kostenloser Leistungen wie Beratung und Festpreise ist unzulässig. Verstöße gegen das zahnärztliche Berufsrecht werden von der Zahnärztekammer Hamburg geprüft und gegebenenfalls geahndet. Nach Auskunft der Zahnärztekammer sind in Hamburg einzelne Anbieter angeschrieben worden. Verfahren sind allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht beziehungsweise noch nicht eingeleitet worden. 6. Wie schätzt der Senat die Risiken von Alignern durch gewerbliche Anbieter (auch im Internet) ein und was gedenkt der Senat zu tun, um Patienten vor den möglichen Risiken einer Aligner-Behandlung zu schützen ? Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat festgestellt, dass eine zahnmedizinische Behandlung immer mit erheblichem Kontrollaufwand verbunden ist, sodass sie der echten Selbstbehandlung entzogen ist (https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/b/ Grenzen__Selbstbehandlung_KFO.pdf). Im Übrigen siehe Vorbemerkung.