BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18138 21. Wahlperiode 03.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 26.08.19 und Antwort des Senats Betr.: Zwangsräumungen in Hamburg Die Ergebnisse der im März 2018 durchgeführten Befragung von obdachund wohnungslosen Menschen in Hamburg hat aufgezeigt, dass 25,6 Prozent der Befragten durch ein formalisiertes Verfahren (fristlose Kündigung, Räumungsklage, Zwangsräumung) obdachlos geworden sind, bei den Wohnungslosen sind es 28,3 Prozent. Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle übernehmen im Rahmen der Präventionsarbeit die Sicherung gefährdeter Wohnverhältnisse und die Abwendung von Räumungen. In rund 82 Prozent aller Fälle konnten die Fachstellen seit 2013 den Wohnraum sichern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle bieten Hilfen aus einer Hand für Wohnungsnotfälle in Hamburg. Zu den wesentlichen Aufgaben im Zuge der Wohnungssicherung gehört die Abwendung drohender Räumungen. In dieser Verantwortung übernehmen sie die Sicherung gefährdeter Wohnverhältnisse einschließlich der Koordination der notwendigen Hilfen. Vorrangiges Ziel ist es, die eigene Wohnung zu erhalten und damit die soziale Integration am Wohnort weiter zu ermöglichen. Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle leisten mit ihrer Präventionsarbeit einen der wichtigsten Beiträge zur Vermeidung von Wohnungs- beziehungsweise Obdachlosigkeit in Hamburg. Ihre Arbeit ist trotz erschwerter rechtlicher Rahmenbedingungen sehr erfolgreich. Siehe im Übrigen Drs. 21/16901. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der SAGA wie folgt: 1. Wie viele Räumungsklagen, Räumungsanträge und Räumungsaufträge nach dem Berliner Modell sowie daraus hervorgegangene Zwangsräumungen von Wohnungen hat es nach Erkenntnis des Senats im Jahr 2018 bis zum Stichtag 30.06.2019 in Hamburg gegeben? Im Einzelnen stellt sich die Geschäftsentwicklung bei den Hamburger Amtsgerichten hinsichtlich Räumungsklagen, Räumungsaufträgen (ohne Berliner Modell) und Räumungsaufträgen nach dem Berliner Modell wie folgt dar: Räumungsklagen Anzahl der Neueingänge 2018 01.01.2019 - 30.06.2019 1. Quartal 850 661 2. Quartal 911 796 3. Quartal 839 4. Quartal 846 Jahresergebnis 3 446 1 457 Quelle: Justizbehörde Drucksache 21/18138 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Anzahl Räumungsaufträge ohne Berliner Modell 2018 01.01.2019 – 30.06.2019 insgesamt durchgeführt insgesamt durchgeführt 1. Quartal 432 205 342 172 2. Quartal 450 216 324 172 3. Quartal 431 207 4. Quartal 394 220 Jahresergebnis 1 707 848 666 344 Quelle: Justizbehörde Anzahl Räumungsaufträge nach Berliner Modell 2018 01.01.2019 – 30.06.2019 insgesamt durchgeführt insgesamt durchgeführt 1. Quartal 156 108 166 103 2. Quartal 127 107 221 174 3. Quartal 157 107 4. Quartal 154 123 Jahresergebnis 594 445 387 277 Quelle: Justizbehörde Das Berliner Modell (auch „Berliner Räumung“ genannt) ist eine Methode zur Senkung der für die Vermieterin beziehungsweise den Vermieter bei Zwangsräumungen entstehenden Kosten. Dabei verlangt die/der Gerichtsvollzieher/in nur die Herausgabe der Wohnung, wechselt also lediglich das Schloss aus. Der Räumungsauftrag wird darauf beschränkt, dass die Mieterin oder der Mieter die Wohnung verlässt, während alle Gegenstände gegen ein Vermieterpfandrecht in der Wohnung verbleiben. Damit entfallen die Kosten für Transport und Einlagerung des Hausrats. 2. Was waren die Hauptgründe für die Zwangsräumungen? Der Grund einer Räumung wird vom Amtsgericht Hamburg und vom Landgericht Hamburg statistisch nicht erfasst. Eine händische Auswertung aller Verfahrensakten (1 293 durchgeführte Räumungen im Jahr 2018, 686 durchgeführte Räumungen im Zeitraum 01.01.2019 – 30.06.2019) ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Zu Gründen, die zu einer Zwangsräumung führen können, siehe im Übrigen Drs. 21/16901. 3. Wie viele Zwangsräumungen wurden seitens der SAGA im Jahr 2018 bis zum Stichtag 30.06.2019 angestrebt und wie viele Zwangsräumungen wurden im gleichen Zeitraum seitens der SAGA durchgeführt? Bei der SAGA werden statistisch lediglich die durchgeführten Zwangsräumungen erfasst. Die manuelle Auswertung einer unbekannten Vielzahl von Aktenvorgängen im geschätzten dreistelligen Bereich hinsichtlich angestrebter Räumungsklagen ist im Rahmen der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Vom 01.01.2018 bis zum 30.06.2019 wurden bei der SAGA 389 Wohnungen von insgesamt 134 458 Mietwohnungen zwangsgeräumt. Durch die gute Zusammenarbeit zwischen der SAGA und den bezirklichen Fachstellen für Wohnungsnotfälle konnten die Zwangsräumungen auch im Zeitraum 01.01.2018 bis 30.06.2019 auf einem konstant niedrigen Niveau gehalten werden. 4. Wie viele ratsuchende Haushalte haben die Fachstellen für Wohnungsnotfälle im Jahr 2018 bis zum Stichtag 30.06.2019 insgesamt beraten? Bitte nach Bezirken angeben. a. Wie viele waren davon Familien mit Kindern unter 15 Jahre? b. Wie viele waren davon Mieter/-innen unter 25 Jahren? c. Wie viele waren davon Mieter/-innen zwischen 25 und 60 Jahren? d. Wie viele waren davon Mieter/-innen über 60 Jahren? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18138 3 Die Anzahl der durch die Fachstellen im Rahmen der Hilfen zur Wohnungssicherung betreuten Haushalte aufgegliedert nach Bezirken stellt sich im Jahr 2018 beziehungsweise im Zeitraum 01.01.2019 – 30.06.2019 wie folgt dar: Zeitraum 2018 2019 01.01. bis 31.12. 01.01. bis 30.06. Hamburg-Mitte 1.750 977 Altona 801 330 Eimsbüttel 745 332 Hamburg-Nord 870 432 Wandsbek 1 700 941 Bergedorf 419 194 Harburg 824 333 Summe: 7 109 3 539 Quelle: Datawarehouse, Dokumentationssystem der Fachstellen Aufgrund der Art der Erfassung ist eine Auswertung nur nach Haushalten möglich. Das Alter der Ratsuchenden kann daher statistisch nicht erhoben werden. Eine Auswertung der annähernd 11 000 Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie viele Hausbesuche haben die Fachstellen für Wohnungsnotfälle im Jahr 2018 bis zum Stichtag 30.06.2019 durchgeführt? Bitte nach Bezirken angeben. Im Jahr 2018 erhielten 967 Haushalte und in der Zeit vom 01.01. – 30.06.2019 bislang 292 Haushalte aufsuchende Hilfen. Diese verteilen sich wie folgt auf die Bezirke: Zeitraum 01.01. bis 31.12.2018 01.01. bis 30.06.2019 Hamburg-Mitte 151 21 Altona 24 14 Eimsbüttel 197 96 Hamburg-Nord 33 11 Wandsbek 476 142 Bergedorf 26 7 Harburg 60 1 Summe: 967 292 Quelle: Datawarehouse, Dokumentationssystem der Fachstellen Die Fachstellen nehmen in jedem Fall, in dem Hinweise auf eine ungesicherte Wohnsituation vorliegen, umgehend schriftlich oder telefonisch persönlichen Kontakt mit den betroffenen Personen auf. Die Kontaktaufnahme beinhaltet das Angebot, den Haushalt beim Erhalt der Wohnung zu unterstützen und die Bitte, sich umgehend mit der Fachstelle zur Absprache eines Beratungstermins in Verbindung zu setzen. Sie suchen betroffene Personen in der Häuslichkeit auf, wenn diese aufgrund persönlicher Problemlagen nicht in der Lage sind, selbst die Fachstelle aufzusuchen. Hausbesuche werden insbesondere bei Haushalte mit minderjährigen Kindern oder gegebenenfalls bei Bekanntwerden wiederholt drohender Wohnungslosigkeit durchgeführt. 6. In wie vielen Fällen konnten die Fachstellen für Wohnungsnotfälle Wohnungen im Jahr 2018 bis zum Stichtag 30.06.2019 sichern beziehungsweise nicht sichern und welche Maßnahmen haben sie dabei jeweils ergriffen? Bitte nach Bezirken und Maßnahmen aufschlüsseln. Im Jahr 2018 konnten die Fachstellen 4 946 Wohnungen sichern. Dabei waren folgende Maßnahmen, gegliedert nach Bezirken, erfolgreich: Drucksache 21/18138 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 2018 (01.01. bis 31.12.) Darl./Beihilfe § 22 Abs. 8 SGB II Darl./Beihilfe § 36 SGB XII Eigeninitiative des Betroffenen Intervention der Fachstelle Neue Wohnung Sonst. Art zum Wohnungserhalt Verhandlung mit Vermieter Vertragloses neues Wohnungsverh Gesamt: Hamburg-Mitte 312 120 704 112 93 24 6 12 1383 Altona 159 50 118 48 13 71 2 461 Eimsbüttel 150 87 158 102 5 31 6 539 Hamburg-Nord 108 67 237 55 43 16 4 9 539 Wandsbek 298 171 435 118 37 45 4 1108 Bergedorf 87 53 68 37 6 20 2 273 Harburg 74 23 114 237 72 114 3 6 643 Summe: 1188 571 1834 709 269 321 27 27 4946 Quelle: Datawarehouse, Dokumentationssystem der Fachstellen Im Zeitraum 01.01.2019 – 30.06.2019 konnten die Fachstellen 2 681 Wohnungen sichern. Dabei waren folgende Maßnahmen, gegliedert nach Bezirken, erfolgreich: 2019 (01.01. bis 30.06.) Darl./Beihilfe § 22 Abs. 8 SGB II Darl./Beihilfe § 36 SGB XII Eigeninitiative des Betroffenen Intervention der Fachstelle Neue Wohnung Sonst. Art zum Wohnungs erhalt Verhandlun g mit Vermieter Vertragloses neues Wohnungsverh Gesamt: Hamburg-Mitte 140 59 358 42 44 15 2 4 664 Altona 65 29 119 79 11 46 1 350 Eimsbüttel 72 49 39 44 4 15 3 226 Hamburg-Nord 55 24 215 40 71 14 2 6 427 Wandsbek 145 100 249 80 17 14 605 Bergedorf 46 28 40 8 6 4 1 133 Harburg 36 12 91 69 16 48 2 2 276 Summe: 559 301 1111 362 169 156 11 12 2681 Quelle: Datawarehouse, Dokumentationssystem der Fachstellen Das Dokumentationssystem der Fachstellen für Wohnungsnotfälle weist für 2018 aus, dass 1 383 Wohnungen nicht gesichert werden konnten beziehungsweise der Kontakt zu den Haushalten nicht zustande kam oder abbrach. Die Verteilung nach Bezirken stellt sich wie folgt dar: 2018 (01.01. bis 31.12.) Ablehnung des Vermieters Ablehung Leis. § 22 Abs. 8 SGB II Ablehung Leis. § 36 SGB XII Ausgang unbekannt Kein Kontakt Kontakt abgebrochen Sonst. Art d. Wohnungsverlustes Gesamt: Hamburg-Mitte 91 13 3 57 54 24 11 253 Altona 44 6 2 22 33 17 21 145 Eimsbüttel 47 2 1 19 78 12 31 190 Hamburg-Nord 44 4 1 96 59 18 21 243 Wandsbek 68 6 3 99 97 57 31 361 Bergedorf 24 2 2 15 7 5 55 Harburg 46 4 6 36 18 26 136 Summe: 364 37 10 301 372 153 146 1383 Quelle: Datawarehouse, Dokumentationssystem der Fachstellen Das Dokumentationssystem der Fachstellen für Wohnungsnotfälle weist für den Zeitraum vom 01.01.2019 – 30.06.2019 aus, dass 860 Wohnungen nicht gesichert werden konnten beziehungsweise der Kontakt zu den Haushalten nicht zustande kam oder abbrach. Die Verteilung nach Bezirken stellt sich wie folgt dar: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18138 5 2019 (01.01. bis 30.06.) Ablehnung des Vermieters Ablehung Leis. § 22 Abs. 8 SGB II Ablehung Leis. § 36 SGB XII Ausgang unbekannt Kein Kontakt Kontakt abgebrochen Sonst. Art d. Wohnungsverlu stes Gesamt: Hamburg-Mitte 44 4 5 36 19 8 7 123 Altona 28 1 47 36 4 15 131 Eimsbüttel 15 1 13 12 12 10 63 Hamburg-Nord 31 83 59 8 13 194 Wandsbek 55 2 5 80 47 36 21 246 Bergedorf 10 3 10 6 29 Harburg 25 4 24 16 5 74 Summe: 208 8 10 266 207 90 71 860 Quelle: Datawarehouse, Dokumentationssystem der Fachstellen 7. Wie ist die aktuelle personelle Ausstattung der Fachstellen für Wohnungsnotfälle ? Bitte Vollzeitäquivalente nach Bezirken angeben. a. Wie viele Stellen sind derzeit vakant? Bitte nach Vollzeitäquivalenten und Bezirken aufschlüsseln. b. Inwieweit ist die Stellenaufstockung der Fachstellen für Wohnungsnotfälle gemäß Drs. 21/16901 erfolgt? Bitte nach Vollzeitäquivalenten und Bezirken aufschlüsseln. Differenzierte Übersichten zur Stellen- und Personalausstattung in den Fachämtern der Bezirksämter sind erst wieder mit der vollständigen Inbetriebnahme von KoPers möglich. Bis dahin liegen die Daten nicht oder nur eingeschränkt vor. Daher wurden die Daten mit dem letzten verfügbaren Stand zum 22.07.2019 ausgewertet: Bezirkliche Fachstelle Stellenbesetzung VZÄ Ist Stellenaufstockung gemäß Drs. 21/16901 Stellenbesetzung VZÄ vakant Hamburg-Mitte 22,72 2,00 3,51 Altona 18,75 2,00 5,50 Eimsbüttel 13,90 1,00 1,04 Hamburg-Nord 15,39 2,00 2,86 Wandsbek 24,40 3,00 3,99 Bergedorf 11,40 3,00 2,29 Harburg 14,00 2,00 0 Quelle: Angaben der Bezirksämter Das Beschäftigungsvolumen in den Fachstellen ist kontinuierlich gestiegen. Zum 31.12.2017 betrug das Beschäftigungsvolumen 103,7 Vollzeitäquivalente, zum 31.12.2018 108,4 und zum 22.07.2019 120,6 Vollzeitäquivalente. Die Stellenausschreibungsverfahren sind noch nicht vollständig abgeschlossen. c. Wie hoch ist der durchschnittliche Krankenstand in den jeweiligen Fachstellen? Bitte nach Bezirken aufschlüsseln. Differenzierte Übersichten zur Fehlzeitenquote in den Fachämtern der Bezirksämter sind voraussichtlich erst wieder mit der Inbetriebnahme eines separaten Auswertemoduls von KoPers möglich. Bis dahin liegen die Daten nicht oder nur eingeschränkt vor. Für ihre Abfrage ist derzeit keine Auswertung des durchschnittlichen Krankenstandes möglich. Eine händische Auswertung der Personalakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar.