BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18165 21. Wahlperiode 03.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Richard Seelmaecker und Dennis Gladiator (CDU) vom 28.08.19 und Antwort des Senats Betr.: Freikarten über Freikarten – Was haben Bezirksamtsleitungen und der Polizeipräsident in der VIP-Loge des FC St. Pauli zu suchen? Einem Bericht des NDR zufolge soll der FC St. Pauli zwischen 2013 und 2016 VIP-Karten an den damaligen Bezirksamtsleiter und jetzigen Innensenator Andy Grote, den Polizeipräsidenten Ralf Meyer und den ehemaligen Wirtschaftssenator Frank Horch vergeben haben; alle Karten entsprechen der Preiskategorie 15: VIP-Loge mit freier Bewirtung und hätten jeweils einen Wert von mehr als 200 Euro. Aufgefallen sei dies im Rahmen einer routinemäßigen Betriebsprüfung im Oktober 2018. Im April 2019 seien diese Informationen von Finanzbeamten an die Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Dort sei jedoch nach einem Gespräch mit dem Generalstaatsanwalt Fröhlich entschieden worden, dass kein Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme bestehe. Auch wenn die Mitglieder des Senats selbstverständlich Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen haben, stellt sich die Frage, inwiefern hier mit zweierlei Maß gemessen wird, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Andy Grote zum damaligen Zeitpunkt kein Mitglied des Senats, sondern Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Mitte war und auch der Polizeipräsident kein Mitglied des Senats ist. Schließlich ist die Annahme jeglicher Art von Belohnungen, Geschenken oder sonstigen Vergünstigungen (Vorteil) in Bezug auf das Amt oder die dienstliche Tätigkeit allen Beschäftigten (Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern, Angestellten, Arbeiterinnen und Arbeitern, Auszubildenden , Anwärterinnen und Anwärtern) verboten. Zur Frage, ob es sich bei Freikarten für Fußballspiele um Vorteile im Sinne des § 333 handelt, hat auch der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Jahre 2008 Stellung genommen. Dazu hat er in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2008 (BGH 1 StR 260/08) ausgeführt: „(…) Zwar hat die Kammer die Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben zu Recht zu den Dienstpflichten von Regierungsmitgliedern, auch von Staatssekretären gezählt (vgl. UA S. 35 f.). Dies nimmt den in Aussicht gestellten Eintrittskarten jedoch nicht den Vorteilscharakter. Auf die im Schrifttum teilweise vertretene Meinung, ein Vorteil ergebe sich nicht schon daraus, dass dem Amtsträger lediglich die zur Dienstausübung erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt würden (so etwa Fischer, StGB 55. Aufl. § 331 Rdn. 12; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 331 Rdn. 5, jew. unter Bezugnahme auf OLG Zweibrücken NStZ 1982, 204: kostenloses Benzin an Polizeibeamten für Ermittlungen in der Freizeit; a.A. etwa Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 331 Rdn. 28 und Korte in Drucksache 21/18165 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 MüKo-StGB § 331 Rdn. 94, denen zufolge dies ausschließlich im Rahmen der sog. Unrechtsvereinbarung zu berücksichtigen ist), kommt es dabei nicht an. Ob für den Vorteilsbegriff in § 333 Abs. 1 StGB überhaupt eine derartige Ausnahme zu machen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn hier sollten die Eintrittskarten für die Mitglieder der Landesregierung und ihre Begleitpersonen sowie für den Staatssekretär M. nicht nur einen solchen dienstlichen Nutzen haben. Die beabsichtigten geldwerten Zuwendungen dienten vielmehr gerade der Befriedigung persönlicher Interessen, die mit dem unmittelbaren Erleben eines Weltmeisterschaftsspiels im Stadion verbunden sind. Dies sah auch der Angeklagte so, aus dessen Sicht es „Sinn der Präsentversendung (war), zu Weihnachten eine Freude zu machen, mit den Gutscheinen insbesondere die Vorfreude auf die Fußball-WM ... zu wecken“ (UA S. 23).“ Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Zu den zentralen Aufgaben des Senats gehört es, die Freie und Hansestadt Hamburg zu vertreten und zu repräsentieren. Dies gilt gleichermaßen auch für herausgehobene Funktionsträger der Verwaltung der Stadt. Zugleich ist das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unabhängigkeit und Objektivität des öffentlichen Dienstes für die Akzeptanz von Staat und Verwaltung essentiell. Im Interesse der Stadt liegt es, dass sich ihre Vertreterinnen und Vertreter mit den gesellschaftlichen Akteuren der Stadt vernetzen oder an Terminen des städtischen Lebens teilnehmen. Weder der Senat noch die herausgehobenen städtischen Funktionsträger dürfen sich einer offenen gesellschaftlichen Begegnung verschließen. Aus diesem Grund bestehen sowohl für Senatsmitglieder als auch für die Beschäftigten der Verwaltung Regelungen, die die Wahrnehmung der Amts- beziehungsweise Dienstausübung auch mit dieser Maßgabe ermöglichen sollen.   Für die Mitglieder des Senats findet der Senatsbeschluss vom 1. März 2005 Anwendung . Für Beamtinnen und Beamte gilt § 42 Beamtenstatusgesetz in Verbindung mit § 49 Hamburgisches Beamtengesetz. Sowohl Senatorinnen und Senatoren, Bezirksamtsleitungen und Leitungen bedeutender Ämter der Stadt erhalten eine Vielzahl von Einladungen zu Veranstaltungen, bei denen es um die notwendige Vernetzung und Wahrnehmung der städtischen Interessen , die Würdigung gesellschaftlichen Engagements oder wichtiger gesellschaftlicher Funktionen geht und deren Wahrnehmung daher im dienstlichen Interesse liegt. Dazu gehören etwa Empfänge und Festveranstaltungen ebenso wie Premieren, Ausstellungseröffnungen , aber eben auch Sportveranstaltungen von kleinen und großen Vereinen . Derartigen Einladungen können sich diese Funktionsträger in der Regel nicht entziehen. Im Übrigen obliegt den Mitgliedern des Senats nach § 26 der Geschäftsordnung des Senats die amtsangemessene Repräsentation der Freien und Hansestadt Hamburg. Dies beinhaltet auch, dass der Senat unabhängig von Ressortzuständigkeiten bei Veranstaltungen unterschiedlichster Art sichtbar und selbstverständlich vertreten ist, soweit dies den gesellschaftlichen Gepflogenheiten entspricht, auch in Begleitung durch Partnerinnen und Partner. Ebenso entspricht die Anwesenheit von Bediensteten als Vertreterinnen und Vertretern des Senats auf öffentlichen Veranstaltungen – insbesondere im Kultur- und Sportbereich – grundsätzlich den Interessen des Senats. Sofern solche dienstlichen Interessen wahrgenommen werden, handelt es sich generell auch nicht um Teilnahmen, die einer Einzelfallgenehmigung bedürfen. Die Frage der Strafwürdigkeit der Annahme von Einladungen durch Senatsmitglieder oder Beamte im Einzelfall nach §§ 331 fortfolgende Strafgesetzbuch obliegt sowohl betreffend die Frage der Anlegung eines Prüfvorganges oder der Einleitung von Ermittlungen der Wertung der Staatsanwaltschaft nach den Vorgaben des § 152 Strafprozessordnung. Diese erfolgt unter Einbeziehung von Rechtsprechung und Literatur zu vergleichbaren Fällen, die betreffend ihrer Anwendbarkeit allerdings jeweils in ihrer Einzelfallausgestaltung zu betrachten sind. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18165 3 1. Inwiefern gilt das Verbot der Annahme jeglicher Art von Belohnungen, Geschenken oder sonstigen Vergünstigungen (Vorteil) in Bezug auf das Amt oder die dienstliche Tätigkeit auch für a. Bezirksamtsleitungen? b. den Polizeipräsidenten? Falls es nicht uneingeschränkt gilt, aus welchen Gründen nicht? Falls es nicht uneingeschränkt gilt, für welche weiteren Dienstposten gilt das Verbot nicht uneingeschränkt? Siehe Vorbemerkung. 2. Ist es richtig, dass im Rahmen einer routinemäßigen Betriebsprüfung beim FC St. Pauli festgestellt wurde, dass im Zeitraum von 2013 bis 2016 an den damaligen Bezirksamtsleiter und heutigen Hamburger Innensenator Andy Grote, den Hamburger Polizeichef Ralf Meyer sowie den ehemaligen Wirtschaftssenator Frank Horch VIP-Freikarten vergeben wurden? Falls ja, wie stellt sich der Sachverhalt im Einzelnen dar? Wie viele VIP- Freikarten haben die drei Herren jeweils für welches Spiel erhalten? 3. Was ist im Rahmen der Steuerprüfung konkret als Unregelmäßigkeit aufgefallen? 4. Ist es richtig, dass die Staatsanwaltschaft im April 2019 über die Vorfälle informiert wurde? Falls ja, wann wurde was von wem mitgeteilt? Der Vorgang wurde der Staatsanwaltschaft Hamburg am 6. Mai 2019 durch die ermittelnde Dienststelle zur Kenntnis gegeben. Im Übrigen steht einer Beantwortung dieser Frage das Steuergeheimnis gemäß § 30 Abgabenordnung entgegen. Gemäß § 30 Absatz 1 und 2 Abgabenordnung ist das unbefugte Offenbaren von steuerlichen Verhältnissen nicht zulässig. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Durchbrechung dieses Grundsatzes nach § 30 Absatz 4 Abgabenordnung sind vorliegend nicht ersichtlich. 5. Bestand ein Anfangsverdacht der Vorteilsannahme? Wenn ja, aus welchem Grund, wenn nein, weshalb nicht? Nein. Ein Anfangsverdacht ließ und lässt sich aus den bisher vorliegenden Informationen nicht ableiten. 6. Stellen die VIP-Tickets Vorteile im Sinne des § 333 Absatz 1 StGB dar? Unter dem Tatbestandmerkmal des Vorteils gemäß §§ 331 und 333 Absatz 1 StGB ist – weitergehender als im Vermögensstrafrecht – jede Leistung materieller oder immaterieller Art zu verstehen, die den Annehmenden besser stellt und auf die er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. § 333 Absatz 3 StGB regelt: „Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme des Vorteils durch den Empfänger vorher genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige des Empfängers genehmigt.“ Für Mitglieder des Senats wurde am 1. März 2005 zudem festgelegt (18/2212): „Die Mitglieder des Senats haben über Geschenke von besonderem Wert oder sonstige erhebliche Vorteile, die sie in Bezug auf ihr Amt erhalten, auch nach Beendigung ihres Amtsverhältnisses, den Chef der Senatskanzlei zu informieren. Von besonderem Wert sind Geschenke, wenn sie über das im Rahmen der amtsangemessenen Repräsentation übliche Maß hinausgehen.“ Haben der damalige Bezirksamtsleiter Grote, der damalige Wirtschaftssenator Horch und der Polizeipräsident die Annahme der VIP-Karten angezeigt? Drucksache 21/18165 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Falls ja, jeweils wem gegenüber, falls nein, weshalb nicht? Einzelfallgenehmigungen wurden nicht eingeholt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung 8. Ist es richtig, dass es eine Besprechung mit dem Generalstaatsanwalt zu diesen Ermittlungsverfahren gegeben hat? Falls ja, wann fand diese statt und was war Ergebnis der Besprechung? 9. Ist es richtig, dass die Ermittlungen eingestellt wurden? Falls ja, wer hat dies wann aus welchem Grund entschieden? Am 9. Juli 2019 fand unter Beteiligung der Behördenleitungen der Staatsanwaltschaften eine Dienstbesprechung statt. Gegenstand des Gesprächs war die rechtliche Prüfung eines Anfangsverdachts wegen Korruptionsdelikten hinsichtlich der nicht näher verifizierten Hinweise auf mögliche Vergaben, Entgegennahmen und Nutzungen von Freikarten des FC St. Pauli, welcher im Ergebnis zunächst verneint wurde. Es ist ein sogenannter Vorprüfungsvorgang angelegt worden, um für den Fall, dass weitere Erkenntnisse hinzukommen, eine Neubewertung vornehmen zu können. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. 10. Inwiefern wurde die DIE eingeschaltet? Das Dezernat Interne Ermittlungen wurde nicht eingeschaltet. 11. Was war Anlass beziehungsweise Gegenstand für die am 22. August 2019 durchgeführte Razzia beim FC St. Pauli? Wer hat diese veranlasst und wer war daran beteiligt? Siehe Antworten zu 2. bis 4. und zu 5.