BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1817 21. Wahlperiode 13.10.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 05.10.15 und Antwort des Senats Betr.: Sozialer Kahlschlag wegen Olympia? Bürgermeister Olaf Scholz hat am 25.03.2015 vor der Hamburgischen Bürgerschaft erklärt, dass aufgrund der Olympischen Spiele „keine soziale Einrichtung geschlossen wird.“ Die Vorgänge um den Schulstandort Lienaustraße in Famsen-Berne zeigen, dass der Senat nicht in der Lage ist, die Zusage des Ersten Bürgermeisters einzuhalten. Nachdem der Senat das denkmalgeschützte Schulgebäude gezielt heruntergewirtschaftet hat, ist er nun nicht Willens, die erforderlichen Investitionskosten aufzubringen und möchte das Gebäude aufgeben. Ich frage den Senat: Für Instandhaltung, Sanierung und die Erweiterung der allgemeinbildenden Schulen werden bis 2019 rund 2 Milliarden Euro aufgewendet. Damit sollen alle nötigen Zubauten sowie über ein Drittel der anstehenden Sanierungen bewältigt werden. Um dieses umfangreiche Programm realisieren und finanzieren zu können, sind verschiedene Parameter erarbeitet und grundsätzliche Überlegungen zu der Größe angestellt worden, die Schulen künftig haben sollen. Das Musterflächenprogramm von 2011 bildet diesen Maßstab. Es definiert die bedarfsgerechte Ausstattung für die Schulen und bedeutet ein beträchtliches Ausbauprogramm. Es gibt Schulen, die auch nach den Maßstäben des neuen Musterflächenprogramms eine deutliche Überausstattung an Fläche haben. In Hinblick auf die Gesamtfinanzierung des Gebäudebestandes und in Hinblick darauf, dass viele Schulen mit deutlich weniger Fläche auskommen, müssen die Schulen, die sowohl über zu viel Fläche als auch über zu viele Räume verfügen, Flächen abgeben. Dieser Ausgleich ermöglicht dringend benötigte Zubauten, damit auch andere Schulen entsprechend dem Musterflächenprogramm ausgestattet sind. Der Standort Lienaustraße ist keine eigenständige Schule. Zuständig ist die Grundschule Karlshöhe im benachbarten Bramfeld. Sie organisiert den Schulbetrieb am Hauptstandort Karlshöhe (17 Unterrichtsräume, zehn Schulklassen), der Außenstelle Hohnerkamp (sechs Unterrichtsräume, fünf Schulklassen) und der Außenstelle Lienaustraße (18 Unterrichtsräume, allerdings aktuell nicht alle nutzbar; fünf Schulklassen ). Die Schule hat zusammen 41 Klassen- und Fachräume, jedoch nur 20 Schulklassen . Fast die Hälfte der Klassen- und Fachräume steht zurzeit leer. Einen besonderen Leerstand gibt es in den Schulgebäuden Lienaustraße, wo aufgrund der geringen Schülerzahlen aus Berne derzeit nur fünf Schulklassen lernen, aber rund 18 Unterrichtsräume zur Verfügung stehen. Darüber hinaus besteht für die Gebäude Lienaustraße ein erheblicher Sanierungsbedarf. Vor dem Hintergrund dringender Drucksache 21/1817 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Finanzierungsnotwendigkeiten an anderen Schulen können die Investitionsmittel nicht für einen Standort zur Verfügung gestellt werden, der nach der Sanierung zu zwei Dritteln leer steht. Diese Entscheidung steht in keiner Weise mit der derzeitigen Suche nach geeigneten Flüchtlingsunterkünften in Zusammenhang. Die Schließung erfolgt aufgrund der oben genannten Überlegungen der zuständigen Behörde, die Entscheidung über etwaige Nachnutzungen erfolgt erst im Nachgang. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wer hat zu welchem Zeitpunkt, aus welchem Grund entschieden, den Schulstandort aufzugeben? Die zuständige Behörde hat nach einem sorgfältigen Abwägungsprozess am 23. September 2015 entschieden, die Gebäude an der Lienaustraße für die Grundschule Karlshöhe nicht mehr schulisch zu nutzen. Zu den Gründen siehe Vorbemerkung. 2. Bis zum 24.09.2015 teilte die Fachbehörde auf mehrere Anfragen mit, über den Schulstandort Lienaustraße sei noch nicht entschieden. Demgegenüber teilte die schulpolitische Sprecherin der GRÜNEN in der Bürgerschaft gegenüber der Initiative „Schule Berne muss bleiben“ bereits Anfang September 2015 mit, die Schule würde geschlossen, es sei beabsichtigt, dort Flüchtlinge unterzubringen, hierfür bräuchte man die Gebäude. Diese Position sei, so von Berg damals, auch mit Senator Rabe abgestimmt. Warum hat die zuständige Fachbehörde diese Position nicht früher kommuniziert? Der Senat nimmt grundsätzlich nicht zu Meinungsäußerungen einzelner Personen Stellung. 3. Zu welchem Zeitpunkt wurde die Entscheidung in welcher Form und welchen Personen oder Institutionen gegenüber mitgeteilt, diskutiert und erläutert: a. gegenüber dem Bezirksamt Wandsbek, b. der Bezirksversammlung Wandsbek, c. dem zuständigen Ausschuss der Bezirksversammlung, d. den betroffenen Eltern am Schulstandort Lienaustraße, e. dem Elternrat der Schule Karlshöhe, f. der Schulleitung der Karlshöhe, g. dem Landeselternausschuss, h. dem Bezirkselternausschuss, i. den Fraktionen von SPD und GRÜNEN in der Hamburgischen Bürgerschaft , j. dem Zuständigen Ausschuss der Bürgerschaft? Die zuständige Behörde hat am 23. September 2015 den Wandsbeker Bezirksamtsleiter in Kenntnis gesetzt. Am 24. September 2015 wurden im Laufe des Tages sowohl die Schulleitung als auch die Schulöffentlichkeit, bestehend aus betroffenen Eltern des Standortes Lienaustraße sowie Teilen des Elternrates, durch den Amtsleiter für Bildung informiert. Am gleichen Tage wurde die Öffentlichkeit durch eine Pressemitteilung der zuständigen Behörde unterrichtet. 4. Die Bezirksversammlung Wandsbek hat sich in mehreren Stellungnahmen , insbesondere auf Antrag der dortigen rot-grünen Koalition, für den Schulstandort eingesetzt. Inwieweit sind diese Stellungnahmen in die behördliche Abstimmung eingeflossen und aus welchen Gründen wurden sie nicht berücksichtigt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1817 3 Die zuständige Behörde hat von den Stellungnahmen Kenntnis genommen und sie bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. In der Abwägung aller Aspekte wurden jedoch die in der Vorbemerkung genannten Argumente für eine Aufgabe der Gebäude als schwerwiegender erachtet. 5. Die Schulbehörde führt in einer Presseerklärung vom 24.09.2015 aus, dass frei gemachte Schulgebäude anderweitig genutzt würden, insbesondere als Kindertagesstätten, Jugend- oder Stadtteileinrichtungen, Flüchtlingsunterkünfte oder für Wohnungsbauvorhaben. a. Besteht nach Ansicht der zuständigen Fachbehörde ein fachlicher Bedarf an der Errichtung einer Kindertagesstätte am Schulstandort Lienaustraße? Sind dem Senat solche Pläne bekannt, oder verfolgt er dort eigene Pläne? Wenn nicht, warum wird dieses Beispiel genannt? b. Besteht nach Ansicht des zuständigen Bezirks oder der Fachbehörde fachlicher Bedarf für die Einrichtung eine Jugendeinrichtung am Schulstandort Lienaustraße? Gibt es hierzu konkrete Überlegungen oder Planungen? Stehen im Etat des Bezirks oder der Fachbehörde hierfür finanzielle Ressourcen bereit? Wenn ja, in welcher Höhe stehen Gelder zur Verfügung, um eine solche Einrichtung einrichten zu können? Wenn solche Absichten nicht bestehen, warum wird dieses Beispiel genannt? c. Besteht nach Ansicht des zuständigen Bezirks oder der Fachbehörde fachlicher Bedarf für die Einrichtung einer Stadtteil- oder Stadtteilkultureinrichtung am Schulstandort Lienaustraße? Gibt es hierzu konkrete Überlegungen oder Planungen? Stehen im Etat des Bezirks oder der Fachbehörde hierfür finanzielle Ressourcen bereit? Wenn ja, in welcher Höhe stehen Gelder zur Verfügung, um eine solche Einrichtung einrichten zu können? Wenn solche Absichten nicht bestehen, warum wird dieses Beispiel genannt? d. Besteht nach Ansicht des zuständigen Bezirks oder der Fachbehörde fachlicher Bedarf für die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft am Schulstandort Lienaustraße? Gibt es hierzu konkrete Überlegungen oder Planungen? Stehen im Etat des Bezirks oder der Fachbehörde hierfür finanzielle Ressourcen bereit? Wenn ja, in welcher Höhe stehen Gelder zur Verfügung, um eine solche Einrichtung einrichten zu können? Welcher Investitionsbedarf in das Gebäude besteht, um es in eine Flüchtlingsunterkunft umwidmen zu können? Wie unterscheidet sich der Investitionsbedarf von einer schulischen Nutzung konkret? Welche zusätzlichen Investitionen in den Brandschutz wären erforderlich und was kosten diese? Wie wirkt sich der Denkmalschutz an dieser Stelle aus? Wer hätte diese Kosten zu tragen? Wenn solche Absichten nicht bestehen , warum wird dieses Beispiel genannt? e. Besteht nach Ansicht des zuständigen Bezirks oder der Fachbehörde fachlicher Bedarf für die Einrichtung eines Wohnungsbauvorhabens ? Gibt es hierzu konkrete Überlegungen oder Planungen? Wenn solche Absichten nicht bestehen, warum wird dieses Beispiel genannt? In der Pressemitteilung der zuständigen Behörde wurden Beispiele möglicher Nachnutzungen genannt, wie es sie an anderer Stelle bei der Aufgabe von Schulstandorten gegeben hat. Die Planungen der zuständigen Behörden zur Nachnutzung der Lienaustraße sind noch nicht abgeschlossen. Drucksache 21/1817 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 6. In derselben Pressemitteilung führt die zuständige Fachbehörde aus, es sei erforderlich „4 bis 5 Millionen Euro“ in das Schulgebäude zu investieren . Ist der Investitionsbedarf genau bekannt? Wenn ja, seit wann? In welcher Höhe sind für welchen konkreten Zweck Investitionen zu tätigen? Welche Anforderungen ergeben sich aus dem Denkmalschutz? Wer hat diese Kosten zu tragen, wenn die Schulbehörde dieses Gebäude als Schulstandort aufgibt? Siehe Drs. 21/1056 und 21/1085. Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen an geschützten Gebäuden werden grundsätzlich denkmalgerecht kalkuliert und ausgeführt . Die Kostentragung für nicht mehr für schulische Zwecke genutzte Liegenschaften richtet sich nach der jeweiligen Anschlussnutzung. Im Übrigen beantwortet der Senat hypothetische Fragen grundsätzlich nicht. 7. Zwischen der Stadt und der Wohnungsbaugenossenschaft „Gartenstadt Hamburg“ besteht ein Vertrag über den Denkmalschutz. Wenn die Stadt ihren Verpflichtungen zum Erhalt des Denkmals Schule Lienaustraße nicht nachkommt, welche Risiken ergeben sich hieraus aus Sicht der Stadt, dass die Genossenschaft nun ihrerseits ihre Bemühungen für den Denkmalschutz verringert? Die Überlegungen der zuständigen Behörde zur Nutzung der Gebäude Lienaustraße sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen beantwortet der Senat hypothetische Fragen grundsätzlich nicht.