BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18201 21. Wahlperiode 06.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 29.08.19 und Antwort des Senats Betr.: Erörterungstermin zum Planfeststellungsverfahren zur A26-Ost: am liebsten ohne Einwender/-innen? 1 300 Einwendungen wurden 2017 gegen die Planungen zur A26-Ost eingereicht . Eine Erörterung innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Dreimonatsfrist hat nicht stattgefunden, vielmehr findet jetzt, im August 2019, zwei Jahre später, der Erörterungstermin statt. Obwohl der Termin seit Monaten feststeht, die Vorhabenträgerin DEGES sogar im Frühjahr 2019 in ihrem Geschäftsbericht August 2019 als Erörterungstermin nennt, wurden die Einwender/-innen durch die Planfeststellungsbehörde genau 14 Tage vorher informiert. Wobei informiert nicht die korrekte Beschreibung ist: Es erfolgte ausschließlich eine Veröffentlichung im „Amtlichen Anzeiger“ und in zwei Hamburger Tageszeitungen. Die Einwender/ -innen wurden noch nicht mal persönlich angeschrieben. Bereits in meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/13589 habe ich darauf hingewiesen, dass es für Einwender/-innen und ihre Rechtsvertretungen nur schwer oder teilweise gar nicht möglich ist, kurzfristig die Teilnahme an dem Erörterungstermin zu organisieren. Zur Vorbereitung der Einwender/-innen auf die Erörterung gibt es in anderen Planfeststellungsverfahren, die auf derselben rechtlichen Grundlage beruhen , eine Synopse der Einwendungen und der Stellungnahme der Planfeststellungsbehörde . Auch werden aktualisierte Unterlagen bei solchen Zeitverläufen vorgelegt. Hier erfolgte das nicht. Das Vorgehen der Planfeststellungsbehörde, vertreten von der BWVI, zeigt mehrerlei: Dass die Planfeststellungsbehörde sich lediglich an unzureichende gesetzliche Vorgaben zu halten gedenkt (Fristen zur Einladung), wobei andere Planfeststellungsbehörden in anderen Bundesländern in Bezug auf Information und Einbindung interessierter und wohlwollender mit den Einwendern /-innen umzugehen scheinen. Es gibt keinerlei Interesse, die Einwender/-innen gleichberechtigt an dem Planfestverfahren zu beteiligen. Es ist nicht gewollt, dass sich die Einwender/-innen auf die Erörterung sachgemäß vorbereiten können. Drucksache 21/18201 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Senat scheint so viel Angst vor erfolgreichen Einwendungen gegen die A26-Ost zu haben, dass er sich auf die Minimalanforderungen des Gesetzes zurückzieht und seine sonst so viel gerühmte Bürger-/-innenbeteiligung nicht ansatzweise – freiwillig – umsetzt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Planfeststellungsverfahren ist ein streng geregeltes, förmliches Verwaltungsverfahren und auf die Zulassung bestimmter Anlagen gerichtet. Wann ein Planfeststellungsverfahren erforderlich ist, schreibt das Gesetz vor. Die klaren gesetzlichen Regeln für das Planfeststellungsverfahren sehen unter anderem vor, dass und wie jede Person, deren rechtlich geschützte Belange vom Vorhaben berührt sein können, zu beteiligen ist. Diese Beteiligung ist strikt zu unterscheiden von anderen nicht formalisierten Öffentlichkeitsbeteiligungsformen, etwa der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung durch den Vorhabenträger oder sonstiger Bürgerbeteiligungen. Zu Beginn des Planfeststellungsverfahrens steht die öffentliche Auslegung der Planunterlagen . Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit, Einwendungen gegen den Plan zu erheben, sofern eigene Belange durch das Vorhaben berührt werden. Diese Einwendungen werden dann in einem Erörterungstermin erörtert. Die dafür vorgesehene Dreimonatsfrist ist eine bloße Obliegenheitsvorschrift zum Schutz der Interessen des Vorhabenträgers an einem beschleunigten Verfahren. Auf Basis der Einwendungen (und Stellungnahmen der Behörden, eigener Ermittlungen et cetera) sowie der Erwiderungen des Vorhabenträgers und unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Erörterungstermins trifft die Planfeststellungsbehörde anschließend ihre Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens. Weitere Beteiligungsschritte sieht das Gesetz für ein Planfeststellungsverfahren nicht vor. Um eine substantiierte Auseinandersetzung mit den eingegangenen Einwendungen und Stellungnahmen zu gewährleisten, ist die Planfeststellungsbehörde gehalten den Termin für eine mündliche Erörterung so zu koordinieren, dass nicht nur die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Planfeststellungsbehörde, sondern vor allem auch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter des Vorhabenträgers, Expertinnen und Experten sowie interne und externe Gutachterinnen und Gutachter in der Verhandlung vertreten sein können. Mit dieser Koordination begann vorliegend die Planfeststellungsbehörde im März des Jahres 2019. Festgelegt wird der Termin für alle Beteiligten indessen mit Bekanntmachung durch die Planfeststellungsbehörde. Die Durchführung des Termins kann im Verlauf durch eine Vielzahl von Faktoren gefährdet werden, daher ist eine Bekanntgabe zu einem zu frühen Zeitpunkt nicht sinnvoll. Aus diesem Grunde bestimmt das Gesetz eine kurze Frist. Nach § 73 Absatz 6 Satz 2 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HmbVwVfG) ist der Erörterungstermin mindestens eine Woche vorher im „Amtlichen Anzeiger“ bekannt zu machen. Die Bekanntmachung erfolgte in diesem Planfeststellungsverfahren 14 Tage vorher, am 13. August 2019. Statt individueller Benachrichtigungen über den Erörterungstermin können nach § 73 Absatz 6 Satz 4 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HmbVwVfG) in Verfahren , bei denen mehr als 50 Benachrichtigungen vorzunehmen wären, diese Benachrichtigungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. In diesem Planfeststellungsverfahren mit circa 1 300 Einwendungen war nach aller Erfahrung damit zu rechnen, dass eine individuelle Benachrichtigung nicht in allen Fällen den Adressaten oder die Adressatin erreicht. Die Planfeststellungsbehörde wählte deshalb den vom Gesetz vorgesehenen Weg einer rechtssicheren Bekanntmachung. Eine Übersendung von Stellungnahmen der Planfeststellungsbehörde zu den Einwendungen noch vor dem Erörterungstermin ist weder gesetzlich vorgesehen noch wäre eine Stellungnahme der Planfeststellungsbehörde zu diesem Zeitpunkt zweckmäßig . Der Erörterungstermin dient vielmehr dazu, die Entscheidungsgrundlagen der Planfeststellungsbehörde zu schaffen beziehungsweise zu erweitern. Eine vorherige Stellungnahme bedeutete eine rechtlich unzulässige Vorfestlegung der Planfeststellungsbehörde vor der entscheidungsoffenen Erörterung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18201 3 Auch eine Übersendung von Erwiderungen der Vorhabenträgerin ist rechtlich nicht vorgesehen. Der Erörterungstermin dient insbesondere dazu, dass die Vorhabenträgerin in der mündlichen Verhandlung aktuell auf die Einwendungen erwidert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Die Terminsuche beziehungsweise Festlegung des Erörterungstermins: 1. Wann wurde mit der Terminsuche für die Erörterung begonnen? 2. Wer hatte die Federführung bei der Terminsuche? 3. Wer wurde wann von wem beteiligt? Siehe Vorbemerkung. 4. Wurde der Termin mit der Vorhabenträgerin im Vorwege abgestimmt? Falls ja, wo steht in welchem Gesetz, dass der Termin für die Erörterung mit der Vorhabensträgerin abzustimmen ist? Eine gesetzliche Vorschrift besteht nicht. Die ordnungsgemäße Durchführung des Erörterungstermins hätte allerdings ohne Teilnahme des Vorhabenträgers nicht gewährleistet werden können. Dies setzt eine entsprechende Abstimmung voraus. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Wo steht in welchem Gesetz, dass die Einwender/-innen nicht bereits vor der gesetzlichen Frist (sieben Tage) über den Erörterungstermin informiert werden dürfen? Eine gesetzliche Vorschrift besteht nicht. 6. Weshalb hat der Senat, der sich sonst gerne für Bürger-/-innenbeteiligung und fairen Umgang selbst lobt, kein Interesse an einer frühzeitigen Information der Einwender/-innen über das genaue Datum der Erörterung (gehabt)? Siehe Vorbemerkung. 7. Wurde die BWVI als Planfeststellungsbehörde von anderen Stellen gebeten, den Einwendern/-innen den Termin nicht frühzeitig bekannt zu geben? Falls ja, von welcher Stelle/welchen Stellen? Nein. 8. Die rechtliche vorgesehene Gleichbehandlung von Vorhabenträgerin und Einwendern/-innen wurde unter anderem mit der Termingeheimhaltung verletzt. Weshalb hat die Planfeststellungsbehörde diese Verletzung akzeptiert? Die Terminierung entsprach allen gesetzlichen Bestimmungen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . Der Ort der Erörterung: 9. Das Erörterungsverfahren zur Wilhelmsburger Reichsstraße fand vor Ort, im Stenzelring, statt. Weshalb hat der Senat bei dem Erörterungstermin für die A26-Ost einen weit entfernten Ort in der Innenstadt und nicht einen Veranstaltungsraum vor Ort ausgewählt? Für die Durchführung eines Erörterungstermins ist nicht allein die räumliche Nähe zum geplanten Vorhaben maßgeblich. Der gewählte Ort hat sich für Zwecke einer geordneten Erörterung mehrfach bewährt und ist zentral am S-Bahnhof Stadthausbrücke gelegen . Er ist in wenigen Stationen von Harburg aus zu erreichen. Zudem liegt er zwischen Harburg und Bergedorf, wo es aufgrund der dort geplanten Ausgleichsmaßnahmen ebenfalls Betroffenheiten gibt. Drucksache 21/18201 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Vorbereitung des Erörterungsverfahrens: 10. In anderen Verfahren, die auf derselben gesetzlichen Grundlage erfolgten , wurden von der Planfeststellungsbehörde im Vorwege zur besseren Orientierung zumeist Synopsen mit den Einwendungen und den Stellungnahmen der Vorhabenträgerin angefertigt. Weshalb wurde das in diesem Fall nicht gemacht? Eine Übersendung von Erwiderungen des Vorhabenträgers ist rechtlich nicht vorgeschrieben und auch nicht zweckmäßig. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 11. Da das Verfahren mittlerweile schon mehrere Jahre dauert, sind viele Daten und Erkenntnisse veraltet. Gab/gibt es aktualisierte Daten und Gutachten? Wenn nein, warum wurde die Datenlage nicht aktualisiert, wenn ein Teil die Daten über fünf Jahre alt ist? Wenn ja, warum wurden die Ergebnisse nicht vorab zur Verfügung gestellt Der Erörterungstermin basierte auf den veröffentlichten Planunterlagen. Ob und inwieweit eine Aktualisierung für die Zulassungsentscheidung notwendig ist, entscheidet die Planfeststellungsbehörde nach Auswertung der Ergebnisse des gesamten Anhörungsverfahrens . Klimakrise und Autobahnbau: 12. Der Bau der A26-Ost wurde vom Senat hauptsächlich mit dem steigenden Containerumschlag begründet. Doch der enorme Anstieg des Umschlags ist nicht eingetreten: aus den für 2019 erwarten 22 Millionen Containereinheiten TEU wurden gerade mal 9 Millionen TEU – und damit weniger als 2007. Stark angestiegen ist hingegen die Gefahr eines einschneidenden Klimawandels mit extremen Auswirkungen, auch für Hamburg. Wird der Senat vor dem Hintergrund der Klimakrise und der notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung der vor allem aus dem Kfz- Verkehr resultierenden Luftschadstoffe seine Position zur A26-Ost überprüfen ? Falls nein, weshalb nicht? Falls ja, wann beginnt er damit? Die A26-Ost ist ein Bundesprojekt. Der Deutsche Bundestag hat im Dezember des Jahres 2016 auf Grundlage des Bundesverkehrswegeplans 2030 das Fernstraßenausbaugesetz mit dem Bedarfsplan als Anlage beschlossen. Das Neubauvorhaben A26-Ost/Hafenpassage ist im Bedarfsplan enthalten und in die Kategorie „Vordringlicher Bedarf“ eingestuft. Das Projekt hat zum Ziel, eine überregionale Fernstraßenverbindung zu schaffen, Verkehre zu bündeln, das innerstädtische Straßennetz zu entlasten und eine bessere Anbindung des Hamburger Hafens zu gewährleisten. Der in den Planfeststellungsunterlagen enthaltenen Verkehrsprognose liegen mehrere Gutachten zugrunde, von denen die Hafenentwicklung nur eine Komponente ist. Die A26-Ost entlastet innerstädtische Straßen von Verkehr. Der Verkehr auf der Autobahn läuft wesentlich flüssiger als im innerstädtischen Bereich. Die Kraftstoffverbrennung erfolgt in effizienteren Bereichen. Die Maßnahme trägt damit auch zum Schutz der Bevölkerung und des Klimas bei. Das Vorhaben hat für den Senat hohe Priorität und wird weiter vorangebracht. 13. Die Freie und Hansestadt Hamburg könnte gezwungen sein, die Köhlbrandquerung aus Mitteln der Stadt zu finanzieren, weil der Bund nur ein Projekt (A26-Ost) auf Hamburger Boden übernehmen wird. Sind diese Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen? Wenn nein, warum nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18201 5 Wenn ja, für welche anderen Projekte, zum Beispiel klimafreundlichen ÖPNV, waren diese Mittel bisher vorgesehen? Die Projekte A26-Ost und die neue Köhlbrandquerung stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Der Senat verhandelt derzeit mit dem Bund über eine Mitfinanzierung der Köhlbrandquerung. Diesen Verhandlungen kann nicht vorgegriffen werden. 14. Moore sind ein wichtiger CO2-Speicher. Weltweit speichern die 3 Prozent Moorfläche rund 20 Prozent des globalen CO2. Deswegen haben auch kleinere Moorflächen klimatisch eine herausragende Bedeutung. Bereits bei der A26-West, bei der sich der NABU angesichts der niedersächsischen Linienbestimmung mit dem Senat über einen Kompromiss verständigt hat, werden erhebliche wertvolle Moorbereiche zerstört. Hält der Senat einen mit Blick auf die alternative Ertüchtigung von Köhlbrandquerung und Veddeler Damm erheblichen Eingriff in weitere wertvolle Moorflächen durch die A 26 angesichts der Klimakrise für verantwortungsvoll ? Die Trassierung erfolgt weitestgehend im industriell vorgeprägten Bereich. Sehr kleine Eingriffe in Moore werden durch naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen kompensiert .