BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18226 21. Wahlperiode 10.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 02.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Hooligan-Kriminalität in Hamburg Sowohl der Hamburger Sportverein als auch der FC St. Pauli verfügen über große, treue und weitestgehend friedliche Anhängerschaften. In geringer Anzahl befinden sich unter den regelmäßigen Besuchern der Fußballspiele aber auch Personenzusammenschlüsse oder Einzelpersonen, die durch Gewaltstraftaten auffallen. Der Bielefelder Konfliktforscher Prof. Dr. Andreas Zick hat in diesem Zusammenhang Gruppen untersucht, die den sogenannten Ultras und Hooligans zugerechnet werden. Er kommt zusammenfassend zu dem Schluss, dass bei den „Ultras“ primär der Support-Gedanke wichtig ist. Handgreifliche Auseinandersetzungen mit ihrer Beteiligung ließen sich eher als spontane und emotionale Reaktionen auf Ereignisse während eines Spiels feststellen. Ganz anders sehe es bei Hooligans aus. Sie treffen sich, so Zick, meistens nach den Fußballspielen mit Gleichgesinnten zur sogenannten Dritten Halbzeit. Ihr Ziel sei die Bildung einer „subkulturellen Gegenbewegung gegen das Establishment“. Sie sind destruktiv und wesentlich gewaltbereiter als Ultras.1 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Kenntnisse hat der Senat (Innenbehörde, Polizei und Justiz, Verfassungsschutz) über die Ultra- und die Hooligan-Szenen beim Hamburger Sportverein und beim FC St. Pauli? Die Polizei hat Kenntnisse zu den Problemszenen des Fußballclubs (FC) St. Pauli und des Hamburger Sportvereins (HSV), die sich im Wesentlichen auf Informationen zur ungefähren Größe der jeweiligen Gruppe, ihren Zusammensetzungen nach den polizeilichen Kategorien B (gewaltbereit/gewaltgeneigt) und C (gewaltsuchend), ihren Führungsstrukturen, ihren Verhältnissen zu anderen Vereinen und Gruppen, Verhaltensweisen sowie ihren Reisewegen beziehen. Zu einzelnen Angehörigen der Problemszenen liegen der Polizei Erkenntnisse vor, sofern diese polizeilich in Erscheinung getreten sind. Darüber hinaus nimmt die Polizei Differenzierungen nach „Ultras“ oder „Hooligans“ nicht vor. Eine gesonderte Erfassung von Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen oder durch die Anhänger bestimmter Fußballvereine durch die Staatsanwaltschaft erfolgt nicht. Diese Umstände werden auch nicht in dem Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA erfasst. Um eine zuverlässige Auskunft erteilen zu können, müssten daher sämtliche Verfahren, in denen als Delikt die in Betracht kommenden §§ 113, 114, 115, 125, 185, 223, 224, 226, 227, 229, 231, 240, 241, 249 StGB notiert sind, händisch ausgewertet werden. Dabei dürfte es sich jährlich um eine 1 https://www.tag24.de/nachrichten/bielefeld-arminia-dynamo-dresden-fans-hooligans-ultrasunterschied -studie-ikg-172939 (abgerufen am 31.08.2019). Drucksache 21/18226 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 mindestens fünfstellige Anzahl handeln. Weder eine Beiziehung noch eine entsprechende Auswertung dieser Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit möglich. Gemäß § 4 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Fußballspiele sind nicht Gegenstand der Beobachtungstätigkeit des LfV Hamburg. Somit sind auch Fangruppierungen von Sportvereinen keine Beobachtungsobjekte des LfV. a) Wie viele Personen werden den Szenen beim HSV und beim FC St. Pauli jeweils zugerechnet? Bitte, wenn möglich, nach Ultras und Hooligans aufschlüsseln. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden von der Polizei nicht geführt. Erkenntnisse liegen der Polizei aus spieltagbezogenen Beobachtungen der szenenkundigen Beamten der Landesinformationsstelle Sporteinsätze bei der Schutzpolizei (SP 22) vor. SP 22 rechnet den Problemszenen derzeit aus dem Bereich der Fans des HSV etwa 320 Personen und aus dem Bereich der Fans des FC St. Pauli circa 260 Personen zu. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. b) Welche Hooligan- oder Ultra-Zusammenschlüsse sind dem Senat (Innenbehörde, Polizei und Justiz, Verfassungsschutz) beim HSV und beim FC St. Pauli namentlich als Personenzusammenschlüsse bekannt, aus denen heraus in den vergangenen zwei Jahren Straftaten begangen wurden? Bitte sämtliche Namen der Personenzusammenschlüsse angeben (zum Beispiel die Hooligan-Gruppe „Rotsport Sankt Pauli“ oder „HSV-Ultras“). 2. Wie viele und welche Straftaten können den gewaltbereiten Ultra- und Hooligan-Gruppen beim Hamburger Sportverein und beim FC St. Pauli seit der Spielzeit 2018/2019 bis heute in der 2. Bundesliga rund um die Derbys (HSV – FC St. Pauli/FC St. Pauli – HSV) zugerechnet werden? Bitte hierzu jeweils die Art und die Anzahl der Straftaten sowie die Gruppe (zum Beispiel „Rotsport Sankt Pauli“ oder „HSV-Ultras“), aus der heraus diese begangen wurden, angeben. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden von der Polizei nicht geführt. Dem für Delikte aus dem Bereich Sportgewalt zuständigen Landeskriminalamt (LKA) 12 liegen Erkenntnisse aus der Datei Sportgewalt zu identifizierten Tatverdächtigen im Zusammenhang mit Straftaten an den jeweiligen Derby-Spieltagen der beiden Hamburger Fußballbundesligavereine vor. Die in der Datei Sportgewalt erfassten Tatverdächtigen, die aus Personengruppen heraus Straftaten begangen haben und die dazu vorliegenden Erkenntnisse zu den jeweiligen Fangruppierungen, aus denen die Tatverdächtigen agierten, sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Spieltag Straftaten HSV Anhänger St. Pauli Anhänger Anzahl Gruppe Anzahl Gruppe 30.09.18 1x Sachbeschädigung 1 Clique Du Nord - 1x Gefährliche Körperverletzung 2 Castaways - 10.03.19 1x Landfriedensbruch 1 Castaways - 1x Gefährliche Körperverletzung - 2 Nachfolger NKSP* 1x Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte - 1 Nachfolger NKSP 4x Verstoß Versammlungsgesetz (Vermummung ) 4 1x gruppenlos 2x Outsiders 1x Hamburg Riot Crew - * Die Gruppierung „New Kids St. Pauli (NKSP)“ hat sich in der Saison 2018/2019 aufgelöst. Teile dieser Gruppierung haben sich nach Erkenntnissen der Polizei zu einer neuen, noch Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18226 3 nicht namentlich bekannten Gruppe zusammengeschlossen und treten weiterhin im Zusammenhang mit Fußballspielen des FC St. Pauli in Erscheinung. Darüber hinaus wäre für die Beantwortung eine manuelle Durchsicht sämtlicher Handund Ermittlungsakten des für Sportgewalt zuständigen Sachgebiets im LKA 12 erforderlich . Die Auswertung von mehreren Hundert Vorgängen aus dem erfragten Zeitraum ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Welche Kenntnisse hat das Landesamt für Verfassungsschutz über (gewaltorientierte ) Linksextremisten, die unter anderem in den Gruppen „Ultras Sankt Pauli“ (USP) und „Rotsport Sankt Pauli“ (Hooligans) aktiv sind? Dem Fragesteller ist bekannt, dass Fangruppierungen von Sportvereinen derzeit keine Beobachtungsobjekte des LfV Hamburg sind (Drs. 21/17604, Frage 17.). Bitte daher angeben, ob aus derzeit beobachteten Gruppierungen oder Einzelpersonen Kenntnisse über Zugehörigkeiten, Aktivitäten oder Kontakte und Interaktionen zu/bei/mit gewaltbereiten Fangruppen des FC St. Pauli (hier insbesondere: „Ultras Sankt Pauli“ (USP) und „Rotsport Sankt Pauli“ (Hooligans)) bestehen. Dem LfV Hamburg liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob es im Zusammenhang mit Fußballspielen zu Kontakt oder zu Interaktionen zwischen Personen der linksextremistischen Szene und Vertretern der bekannten Fangruppen gekommen ist. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.