BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18253 21. Wahlperiode 10.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 03.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung (II) In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/18110 teilt der Senat mit, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) allein in Hamburg von 112,60 AK im Jahr 2015 auf 157,29 AK im Jahr 2019 aufgestockt wurde; es handelt sich insofern um eine Aufstockung des Personals um fast 40 Prozent binnen vier Jahren. Dies ist erfreulich, aber mehr Zollbeamte haben zwangsläufig auch mehr Ermittlungsverfahren für die Staatsanwaltschaft zur Folge. Immer wieder beschweren sich Hamburger Zöllnerinnen und Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit über die von der Hamburger Staatsanwaltschaft regelmäßig eingestellten Fälle. Mit der oben genannten Drucksache habe ich den Senat gefragt, wie viele offene FKS-Verfahren die Staatsanwaltschaft Hamburg aufweist. Der Senat teilt mit, dass eine Beantwortung in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich sei, da keine verlässliche separate Erfassung der FKS-Verfahren erfolge. Es ist in Anbetracht der Bedeutung des Themas schon merkwürdig, dass die zuständige Behörde keine Kenntnis davon hat. Insbesondere zur Personalplanung wäre es insofern sinnvoll, dies zu erfassen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die gesellschaftliche Bedeutung der Bekämpfung von Straftaten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit § 2 Absatz 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) stehen, unter anderem nach § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB) und bei Straftaten nach § 263 StGB, fordert nicht zuletzt aufgrund der unmittelbaren Auswirkungen auf unseren Sozialstaat ein besonderes Augenmerk. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg sind innerhalb der Steuer- und Wirtschaftshauptabteilung V zwei Abteilungen (Abteilungen 55 und 56) speziell für die Bearbeitung von Verfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB), wegen illegaler Beschäftigung (einschließlich damit zusammenhängender Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz) und solche nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zuständig. Diese werden von der Wirtschaftsfachabteilung 52 und der für Vermögensabschöpfung und Finanzermittlungen zuständigen Abteilung 53 unterstützt. Darüber hinaus werden Verfahren im Zusammenhang mit dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) und Verfahren, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten bereiten, zum Beispiel weil die Tat im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abgabenordnung (AO)) steht, in Absprache mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) in der Abteilung für Organi- Drucksache 21/18253 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sierte Wirtschaftskriminalität in einem entsprechenden Spezialdezernat gesondert geführt. Die Gründe für Verfahrenseinstellungen sind in diesem Deliktsbereich vielfältig und ergeben sich aus der inhaltlichen Komplexität und den deliktsimmanenten Besonderheiten . Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erfolgt nicht, wie bei einem gängigen Diebstahls -, Körperverletzungs- oder Betrugsdelikt, wenn der Geschädigte Anzeige erstattet , sondern zumeist aufgrund von Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden zu den wirtschaftlichen Zusammenhängen des jeweiligen Unternehmens. Da das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB auf Verschleierung angelegt ist und daher die Einzelfälle und die entsprechenden Schäden überhaupt erst festgestellt werden müssen, gestalten sich die Ermittlungsmaßnahmen besonders schwierig. Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ermittlungen steht im Gegensatz zu anderen Taten der Schaden in der Regel noch nicht fest. Es bedarf zunächst der Feststellung, ob ein solcher überhaupt eingetreten ist, da nicht der Arbeitnehmer geschützt ist, sondern die Sozialversicherungsträger (die Solidargemeinschaft). Sind die beigebrachten Beweismittel nicht vollständig, da die konkrete Zielrichtung bei Zugriff noch nicht bekannt sein konnte, sind auch Nachermittlungen häufig schwierig und unergiebig. Regelmäßig bestehen hochkomplexe Firmenstrukturen. Dies erschwert den Nachweis und die Ermittlungen, weshalb in relevanten Verfahren ein besonders intensiver Austausch zwischen der Staatsanwaltschaft und der FKS sowie gegebenenfalls dem Landeskriminalamt (LKA) erfolgt. Auch wenn hinreichende Beweismittel beigebracht werden können, ist im Anschluss die tatsächliche Schadensberechnung nach sozialrechtlichen Grundsätzen durchzuführen . Auch insoweit ist die Staatsanwaltschaft auf Zuarbeit angewiesen. Diese kann aufgrund der Vielschichtigkeit weitere erhebliche Zeiträume beanspruchen. Die Berechnung gestaltet sich sozialrechtsakzessorisch. Sozialrechtsakzessorietät bedeutet , „vorenthaltene“ Beiträge können nur solche sein, die nach materiellem Sozialversicherungsrecht geschuldet sind. Hierbei sind gegebenenfalls auch EU-rechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Die erhebliche Zeitdauer, die die Rentenversicherungsträger für die Schadensberechnung benötigen, wirkt sich erheblich auf die Genese des Verfahrens aus. Letztlich lässt aber die Sozialrechtsakzessorietät des § 266a StGB keine anderen Verfahrensweisen zu. Die Dauer des Verfahrens ist im Rahmen der Frage einer Einstellung nach § 153 und § 153a Strafprozessordnung je nach tatsächlich errechnetem Schaden von erheblicher Bedeutung. Aufgrund dieser Umstände lässt sich der Schluss nicht ziehen, wonach mehr Zollbeamtinnen und Zollbeamten zu mehr Ermittlungsverfahren für die Staatsanwaltschaft führen. Vielmehr ist für die Dauer und Qualität der Ermittlungen eine gesicherte Personaldecke innerhalb der FKS von großer Bedeutung. Ob sich hieraus zukünftig Stellenmehrbedarfe bei der Staatsanwaltschaft ergeben, bleibt weiter zu beobachten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden bekannt, dass der Personalbestand der FKS in Hamburg deutlich aufgestockt worden ist (um bereits 40 Prozent) und weitere Aufstockungen angedacht sind? Eine Mitteilung der einzelnen Aufstockungen seit dem Jahr 2015 durch die FKS an die zuständigen Behörden ist nicht erfolgt. Grundsätzliche Aufstockungen des Zolls und insoweit auch der FKS wurden den zuständigen Behörden im Zusammenhang mit dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen eines Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch bekannt. a. Wenn ja, welche Erkenntnisse liegen der zuständigen Behörde darüber vor, ob es durch eine Aufstockung der in der FKS tätigen Zollbeamten zu mehr Ermittlungsverfahren gekommen ist? b. Wenn ja, inwiefern sind entsprechende Maßnahmen bei der Staatsanwaltschaft angedacht worden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18253 3 2. Geht die zuständige Behörde davon aus, dass es aufgrund der massiven Personalaufstockung bei der Hamburger FKS (um bereits 40 Prozent, weitere sind angedacht) auch bei der Staatsanwaltschaft künftig zu mehr Ermittlungsverfahren kommen wird? Wenn ja, welche Maßnahmen hat die zuständige Behörde diesbezüglich ergriffen beziehungsweise erwogen? Wenn nein, warum nicht? Siehe Drs. 21/18110. Soweit es sich um Arbeitgeberdelikte handelt, die in der Hauptabteilung V – und zwar in den Abteilungen 54 bis 56 – bearbeitet werden, sind nach den internen Controllingberichten zwischen 2015 und 2019 bei den Verfahrenseingängen in den Abteilungen 55 und 56 Schwankungen zwischen plus 9 Prozent und minus 13 Prozent zu verzeichnen. In 2018 ist ein Rückgang von 13 Prozent und in 2019 sind bisher gleichbleibende Eingangszahlen registriert. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 3. Besteht technisch die Möglichkeit, im Vorgangsverwaltungs- und Bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft die Kategorie „FKS- Vorgänge“ aufzunehmen? Wenn nein, besteht die Möglichkeit darüber eine separate Statistik zu führen? Ja. 4. Wie hat sich die Personalsituation in den für die FKS zuständigen Abteilungen 54 bis 56 der Hamburger Staatsanwaltschaft seit dem Jahr 2015 entwickelt? Bitte Stellen-Soll und VZÄ jeweils zum Stichtag 30. Juni und 31. Dezember eines Jahres angeben. Ausweislich der Jahresgeschäftsverteilungspläne 2015 bis 2019 waren folgende Stellen (Angaben in VZÄ) zum 1. Januar des jeweiligen Jahres für die Abteilungen 54 bis 56 vorgesehen. 2015 2016 2017 2018 2019 Abteilung 54 Abteilungsleiter/in 0,9 0,95 0,95 1,0 0,95 Dezernentenstellen 3,1 3,05 3,05 3,0 2,8 Abteilung 55 Abteilungsleiter/in 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 Dezernentenstellen 4,5 4,5 4,6 4,8 4,55 Abteilung 56 Abteilungsleiter/in 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 Dezernentenstellen 4,5 4,5 4,4 4,2 4,55 5. Wie viele Dezernenten haben seit dem Jahr 2015 jährlich die Abteilungen 54 bis 56 der Hamburger Staatsanwaltschaft verlassen und wie viele sind jeweils jährlich neu hinzugekommen? Um nachzuvollziehen, wie viele Dezernenten die Abteilungen 54 bis 56 verlassen haben und wie viele hinzugekommen sind, müssten die wöchentlichen Geschäftsverteilungen seit 2015 händisch ausgewertet werden. Dabei handelt es sich um eine Anzahl von insgesamt mehr als 200. Eine Auswertung dieser Unterlagen ist innerhalb der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Wie viele Neuzugänge an Ermittlungsverfahren in den Abteilungen 54 bis 56 hat es jährlich seit dem Jahr 2015 bei der Staatsanwaltschaft Hamburg gegeben? Folgende Anzahl an Neueingängen hat es in den Abteilungen 54 bis 56 der Staatsanwaltschaft gegeben: Aktenzeichenjahrgang Js-Verfahren UJs-Verfahren 2015 1198 48 Drucksache 21/18253 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Aktenzeichenjahrgang Js-Verfahren UJs-Verfahren 2016 1264 49 2017 1370 39 2018 1208 86 2019 (1. HJ) 793 88