BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18254 21. Wahlperiode 10.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 03.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Tod eines Psychiatriepatienten im UKE (IV) Im April 2019 verstarb der Patient William Tonou-Mbobda im UKE im Zuge des Einsatzes des Security-Personals. Auch vier Monaten nach dem Vorfall sind die genauen Umstände nicht aufgeklärt. Bis heute gibt es keinen Anhörungstermin im Wissenschafts- oder Gesundheitsausschuss und die Untersuchungsergebnisse lassen auf sich warten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen, siehe zuletzt Drs. 21/18227. Sobald dies der Fall ist, wird der Senat wie angekündigt in den zuständigen Ausschüssen berichten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) wie folgt: 1. Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Evaluation von Zwangsmaßnahmen bestehen und welche Stelle ist mit der Durchführung betraut? Siehe Drs. 21/18227. 2. Welche Regelungen bestehen bezüglich der Dokumentation von Zwangsmaßnahmen und Erreichbarkeit und Information von Angehörigen und Patienten/-innen? Es erfolgt eine Dokumentation der Zwangsmaßnahmen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben. Patientinnen und Patienten können das Stationstelefon benutzen und über dieses erreicht werden. Angehörige werden mit einbezogen, sofern dies von den Patientinnen und Patienten gewünscht ist. 3. Welche Informationsfristen bestehen in Bezug auf „medizinische Vorkommnisse “, gesetzliche Betreuungen und Sterbefälle? Für definierte „medizinische Vorkommnisse“ bestehen zum einen bereits vielfältige unterschiedliche gesetzliche Meldepflichten (zum Beispiel nach Arzneimittelgesetz Bestattungsgesetz, Infektionsschutzgesetz, Medizinprodukterecht, Strahlenschutzrecht , Transfusionsgesetz, Transplantationsgesetz et cetera), die einzuhalten sind. Zum anderen bestehen krankenhaus-interne Regelungen und Möglichkeiten zur Meldung von sogenannten Unerwünschten Ereignissen, von „CIRS“-Ereignissen im Critical Incident Reporting System sowie im „Hinweisgebersystem“ oder an das „Lob- und Beschwerdemanagement“. Die Bestellung gesetzlicher Betreuer erfolgt nicht durch das Krankenhaus, sondern durch das zuständige Gericht. Das UKE regt dort gesetzliche Betreuungen an, soweit dies aus den dem UKE bekannten medizinischen und sozialen Umständen im Einzel- Drucksache 21/18254 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 fall erforderlich erscheint. Soweit gesetzliche Betreuer bestellt sind, erhalten diese im Umfang des ihnen vom Gericht übertragenen Aufgabenkreises durch das UKE die hierfür erforderlichen Informationen. Die Anzeige von Sterbefällen im Krankenhaus hat nach §§ 28, 30 Personenstandsgesetz (PStG) spätestens am dritten auf den Tod folgenden Werktag durch den Träger des Krankenhauses gegenüber dem zuständigen Standesamt zu erfolgen. 4. Verfügt das UKE über ein Notfall-Seelsorge-Programm beziehungsweise einen psychologischen Kriseninterventionsdienst für Angehörige von Patienten/-innen beziehungsweise für Patienten/-innen, die innerhalb der Klinik traumatisierende Erfahrungen machen mussten? Oder an wen können sich Patienten/-innen jenseits der behandelnden Ärzte/-innen wenden? Gegebenenfalls welchen Stellenumfang haben diese und wo sind sie organisatorisch angesiedelt? 5. Wie sind der Zugang und die Beauftragung geregelt? Notfall-Seelsorge wird von der Krankenhausseelsorge angeboten, das Angebot ist auf den Webseiten des UKE einsehbar (https://www.uke.de/patienten-besucher/dialogberatung /seelsorge-religion/index.html). Das Institut/Poliklinik für Medizinische Psychologie hält werktags einen Konsildienst vor, der auch durch schwere somatische Erkrankung und deren Behandlung belastete Patienten und Angehörige zeitnah betreut. Ferner bietet das Institut auf Nachfrage die Betreuung von Hinterbliebenen plötzlich Verstorbener an, die im Institut für Rechtsmedizin untersucht werden. Die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie betreibt für die Stationen des UKE einen psychosomatisch-psychotherapeutischen Konsildienst, der werktags zwischen 8.00 und 16.30 Uhr verfügbar ist und kurzfristig in Anspruch genommen werden kann. Angehörige von Patientinnen und Patienten können sich zu diesen Zeiten auch in der psychosomatischen Hochschulambulanz vorstellen beziehungsweise dort einen Termin für ein Gespräch vereinbaren. Die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie steht durchgehend zur Krisenintervention bei akuten psychiatrischen Notfällen zur Verfügung. Patienten und Patientinnen können sich zudem an den unabhängigen externen Patientenombudsmann des UKE (https://www.uke.de/patienten-besucher/dialog-beratung/ index.html) sowie an das interne Lob- und Beschwerdemanagement (https://www.uke.de/patienten-besucher/dialog-beratung/index.html) wenden. Für nähere Informationen hierzu wird auf die Angaben auf der öffentlich zugänglichen Webseite des UKE verwiesen. Vorgesehen ist, den Patientinnen und Patienten auch den Zugang zu einem anonymen Hinweisgebersystem zu eröffnen. 6. Gibt es die Schweigepflicht zu Patienten/-innen-Daten einschränkende Regelungen seitens des UKE gegenüber den Leitungsgremien der Universitätsklinik und der Universität als Ganzes? Wenn ja, welche? Es gelten die gesetzlichen Regelungen, in diesem Zusammenhang sind insbesondere die §10 und § 11 Hamburgisches Krankenhausgesetz (HmbKHG) relevant. So lässt § 10 Absatz 1 Nummer 6 HmbKHG die Verwendung von Patientendaten zur Überprüfung der Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses innerhalb des Krankenhauses zu, also auch gegenüber dem Vorstand und dem Kuratorium (dessen gesetzliches Mitglied der Präsident der Universität Hamburg ist, § 7 Absatz 1 Nummer 3 UKEG) als Leitungsorganen des UKE. § 11 HmbKHG erlaubt die Übermittlung von Patientendaten zur Ausübung von Aufsichtsbefugnissen Dritter (§ 11 Absatz 1 Nummer 9 HmbKHG). So zum Beispiel an die für die Rechts- und Organaufsicht über das UKE nach § 3 Absatz 5 UKEG zuständige Behörde, an das für die Krankenhausaufsicht zuständige Bezirksamt Hamburg-Nord nach § 5 Absatz 1 HmbKHG wie auch an die als Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18254 3 zuständige Behörde nach § 13a Absatz HmbPsychKG im Hinblick auf die Durchführung der Unterbringung. 7. Welche medizinischen Untersuchungen werden zur stationären Aufnahme von Patienten/-innen an der Klinik für Psychiatrie des UKE durchgeführt ? Grundsätzlich werden die gemäß den jeweiligen Leitlinien empfohlenen medizinischen Untersuchungen durchgeführt. Diese werden individuell an die Patienten angepasst. Standardmäßig erfolgen bei Aufnahme eine Blutuntersuchung und ein EKG sowie eine internistische/neurologische Untersuchung. 8. Verfügt das UKE über einen forensischen Notdienst beziehungsweise ein Notrufsystem (abgesehen von dem Angebot des Instituts für Rechtsmedizin)? Wenn ja, in welchen Fällen kommt dieser zum Einsatz und wie sind diese Einsätze grundsätzlich geregelt? „Forensisch“ bedeutet „gerichtlichen oder kriminologischen Zwecken dienend, im Dienste der Rechtspflege stehend; gerichtlich“. Ein diesen Zwecken dienender Notdienst beziehungsweise ein diesen Zwecken dienendes Notrufsystem – abgesehen von den Angeboten des Instituts für Rechtsmedizin – ist nicht bekannt. 9. Wie stellt das UKE besonders im kommunikationsintensiven Fachbereich der Psychiatrie und Psychotherapie die Überwindung von Sprachbarrieren sicher? a. Gibt es Sprachmittler/-innen für den psychiatrischen Bereich? Auch der kommunikationsintensive Fachbereich der Psychiatrie und Psychotherapie (nämlich namentlich das Zentrum für Psychosoziale Medizin sowie die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) des UKE greifen bei Bedarf auf den Dolmetscherdienst am UKE zurück, der durch das International Office (IO) des UKE vermittelt wird. Das IO hat Zugriff auf circa 160 freiberufliche Dolmetscherinnen und Dolmetscher, deren Sprachkenntnisse derzeit 72 Sprachen sowie das Gebärdendolmetschen abdecken. Wird eine Sprache benötigt, die nicht beim „Stamm“ der UKE-Honorar-Dolmetscher und Dolmetscherinnen verfügbar ist, werden zusätzliche Dolmetscher beziehungsweise Dolmetscherinnen beauftragt. Die Dolmetscher beziehungsweise Dolmetscherinnen haben die Fremdsprache in der Regel als Muttersprache erlernt und sprechen fließend Deutsch. Sie sind überwiegend entweder im Rahmen des Projektes „Migrantenversorgung im UKE“ als Sprach- und Kulturmittler beziehungsweise Kulturmittlerinnen gesondert geschult oder auch hauptberuflich tätige , vereidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die in einem Assessment entsprechend auf Eignung geprüft wurden. Im UKE werden durchschnittlich 2 530 Einsätze pro Quartal vermittelt. Die meisten davon für die Sprachen Arabisch, Dari/Farsi, Türkisch , Russisch. b. Gegebenenfalls für welche Sprachen und für welche Anlässe werden sie herangezogen? Für alle Anlässe und Sprachen, für die es im Rahmen der Behandlung und Betreuung im UKE erforderlich wird. Eine abrufbare, mittels EDV auswertbare Statistik über die einzelnen Anlässe wird nicht geführt. 10. Wie stellt das UKE eine besonders im kommunikationsintensiven Fachbereich der Psychiatrie und Psychotherapie interkulturelle Kompetenz sicher? Gibt es Fortbildungen zur interkulturellen Kompetenz für die Mitarbeitenden ? a. Falls ja, seit wann, wie oft und in welchem Stundenumfang? b. Falls ja, werden Kulturmittler/-innen eingesetzt oder welche anderweitigen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es, um interkulturelle Kommunikationsprobleme zu bearbeiten? Drucksache 21/18254 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Das Thema interkulturelle Kompetenz wird seit 2013 bereits in einem Begleitstudiengang (second track) „Interkulturelle Kompetenz und Internationale Medizin“ (intermed) im Studium unterrichtet. Das Gesamtcurriculum umfasst circa 300 Stunden zuzüglich Praxisanteile und mehrere Auslandsaufenthalte. Im Rahmen des im UKE etablierten „Klinischen Ethik Komitees (KEK)“ wurden mehrfach Vorträge und Seminare zum Thema interkulturelle Kompetenz angeboten, die für die Mitarbeitenden des UKE zugänglich waren, nämlich: •„Ethik zwischen den Kulturen: Wie begegne ich Wertedifferenzen im Interkulturellen Kontext?“, KEK-AG „Werte und Interkulturalität“, 90 Minuten Workshop, 1. Tag der Ethik am UKE, 19.07.2017. •„Sprach- und Kulturgrenzen überwinden: Ethik in Dolmetscher-vermittelten Gesprächen “, 120 Minuten Workshop, KEK-AG „Werte und Interkulturalität“, 2. Tag der Ethik am UKE, 15.11.2018. •„Kulturelle Vielfalt im Krankenhaus: Was tun, wenn „es knallt“? Interkulturelle Kompetenz in der Klinischen Ethik“, PD Dr. Walter Bruchhausen, Vortrag im Rahmen des Interdisziplinären Ethikseminars 12.1.2017. •„Fremdheit und Differenz. Wie und wo ist der andere anders? Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus“, PD Dr. Walter Bruchhausen, 180 Minuten Workshop , 12.01.2017. Interkulturelle Kompetenz ist bei den Sitzungen des KEK kontinuierlich ein Thema, für das zwei der circa 40 KEK-Mitglieder speziell aufgrund ihrer Erfahrungen in diesem Bereich berufen sind/werden. Die im KEK vertretenen Seelsorgerinnen besitzen eine anerkannte Expertise zur interreligiösen Kompetenz. Auch im Rahmen der im UKE eingerichteten „Ethischen Fallberatung (EFB)“ werden sprachliche, religiöse und kulturelle Aspekte standardmäßig berücksichtigt. Die Ethischen Fallberaterinnen und Fallberater werden diesbezüglich im Rahmen von regelmäßigen Arbeitstreffen (zweimal pro Jahr) sensibilisiert. Die Ethische Fallberatung ist ein Angebot, dass sich an alle Mitglieder der therapeutischen Teams und darüber hinaus ausdrücklich auch an Patientinnen und Patienten sowie Angehörige richtet. Auch die Dolmetscherinnen und Dolmetscher verfügen über besondere interkulturelle Kompetenz (siehe Antworten zu 9.) In den in der Akademie für Bildung und Karriere (ABK) des UKE durchgeführten Fachweiterbildungen Intensivpflege und Onkologische Pflege wird das Thema „kultursensible Pflege“ (insbesondere der Umgang mit Rassismus, Vorurteile und Stereotype ) im Umfang von zwölf Unterrichtsstunden unterrichtet. Auch in der in Planung befindlichen Fachweiterbildung Psychiatrische Pflege wird diese Thematik berücksichtigt werden. 11. Gibt es signifikante Zusammenhänge oder Erkenntnisse über die Häufigkeit und Länge der stationären Psychiatrieaufenthalte von Menschen mit Migrationshintergrund der ersten Generation im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund? Aus der Psychosozialen Migrationsforschung in Deutschland gibt es Erkenntnisse darüber, dass Menschen mit Migrationshintergrund weniger häufig in die stationäre psychosoziale Versorgung gelangen und dass Patienten, die nicht muttersprachlich Deutsch sind, signifikant früher aus der stationären psychiatrischen Versorgung entlassen werden. 12. Welche Statistiken werden diesbezüglich zur Qualitätssicherung und Evaluation erhoben? Statistiken zur Qualitätssicherung oder Evaluation der in der Antwort zu 11. genannten Zusammenhänge werden nicht geführt.