BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18257 21. Wahlperiode 10.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jörg Hamann und Dennis Thering (CDU) vom 04.09.19 und Antwort des Senats Betr.: U4-Erweiterung auf die Horner Geest – Wie ernst nimmt der Senat die Bedenken der Bevölkerung? Die im Planfeststellungverfahren befindliche Erweiterung der U4 auf die Horner Geest hat bei vielen von den Bauarbeiten betroffenen Bürgerinnen und Bürgern massive Bedenken hinsichtlich des Nutzens dieser infrastrukturellen Maßnahme ausgelöst. Hinzu kommt, dass die anstehenden Bauarbeiten und damit verbundenen Maßnahmen sehr kritisch gesehen werden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere zu nennen: die angedachte Bauweise im Schlitzwandverfahren und die damit verbundenen Emissionen. Bereits jetzt ist festgestellt worden, dass in Teilen die AVV Baulärm nicht eingehalten werden kann und die Bauarbeiten mit erheblichen Überschreitungen der Tagesrichtewerte einhergehen werden. Die Bautätigkeiten führen dazu, dass mehrere Straßen ganz oder teilweise gesperrt werden und es zu einer Verlagerung der Verkehre in angrenzende Wohngebiete kommt. Die genannten Sperrungen werden ebenso zu Beeinträchtigungen für die ansässigen Gewerbetreibenden führen. Hinzu kommt, dass im jeweiligen Baufeld Parkraum auf öffentlichen sowie privaten Grund entfällt. Nicht zuletzt ist die Fällung von circa 770 Bäumen zu nennen. Die offene Bauweise, wird der Bauweise im Schildvortrieb – vor allem aus Kostengründen – vorgezogen, obwohl mit dem Schildvortrieb-Verfahren wesentlich weniger von den oben genannten Beeinträchtigungen einhergehen würden. In Bezug auf die vorgenannte Kritik an Bauweise (Emissionen), Verkehr, Beeinträchtigung für Gewerbe, Wegfall von Parkraum sowie Baumfällungen kommt die Hamburger Hochbahn in ihrer Abwägung zu dem Ergebnis, dass alle Maßnahmen zumutbar, verhältnismäßig oder eben nicht abwendbar sind. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Planungen zur Verlängerung der U-Bahn-Linie U4 auf die Horner Geest wurde von einem umfangreichen öffentlichen Beteiligungsverfahren begleitet: Seit Juli des Jahres 2016 konnten sich alle Interessierten und insbesondere Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Stadtteile über die Planungen informieren und aktiv daran beteiligen sowie Verbesserungsvorschläge anbringen. Hierzu fand eine Vielzahl an Beteiligungsveranstaltungen statt: fünf öffentliche Veranstaltungen, 85 schriftliche Bürgeranfragen (Stand: 27. August 2019), mehr als 100 Vorträge, Teilnahmen an Beiräten, persönliche Gespräche, Sprechstunden sowie Drucksache 21/18257 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 die Beantwortung diverser telefonischer Anfragen. Dieses Angebot, aktiv am Planungsprozess mitzuwirken, geht weit über die gesetzlichen Vorschriften zur Beteiligung an solchen Vorhaben hinaus. Die Entscheidung für die sogenannte offene Bauweise ist nicht nur wegen des finanziellen Mehraufwands, der durch den Einsatz einer Tunnelvortriebsmaschine entstehen würde, getroffen worden. Es ist zu beachten, dass sowohl beim Schildvortrieb als auch bei der offenen Bauweise die Haltestellen sowie die Ausfädelung der U4 rund um die Haltestelle Horner Rennbahn in offener Bauweise hergestellt werden müssen. Der Schildvortrieb wäre somit auf drei kurze Streckenabschnitte zwischen den Haltestellen und dem Start- und Zielschacht von insgesamt circa 800 m reduziert. Eine durchgängige Verkehrsführung entlang der Manshardtstraße wäre auch beim Schildvortrieb weder für den motorisierten Individualverkehr noch für den öffentlichen Verkehr möglich. Im Übrigen ist die Prüfung der Wahl des Bauverfahrens zunächst Gegenstand der Planung der HOCHBAHN, wobei diese von den Fachbehörden begleitet wurde. Letztlich wird diese Wahl durch die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren nachvollzogen, abgewogen und am Ende mit dem Planfeststellungsbeschluss über das beantragte Vorhaben entschieden. Bereits im Vorfeld der Erstellung der Planfeststellungsunterlagen fand eine breit angelegte Abstimmung mit sämtlichen in Frage kommenden Trägern öffentlicher Belange (TÖBs) statt. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wird unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Anhörung der Öffentlichkeit, der Behörden, anderer Träger öffentlicher Belange sowie der Umweltvereinigungen auch über Fragen des Baulärms und über die Zumutbarkeit bauzeitlicher Belastungen für Anwohnerinnen und Anwohner, Gewerbetreibende und die Umwelt entschieden. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Grundlagen, Inhalt und Begründung der Entscheidungen werden gegenwärtig erarbeitet. Darüber hinaus werden Anliegen der Betroffenen auch während der Bauzeit von dem Team der Vorhabenträgerin aufgegriffen und nach Möglichkeit konsensual bearbeitet werden. Aus der Gesamtbauzeit lassen sich keine Rückschlüsse auf die konkrete Betroffenheit einzelner Anliegerinnen und Anlieger ableiten. Die Planungen zur Verlängerung der U-Bahn-Linie U4 auf die Horner Geest sowie das nach den Variantenuntersuchungen gewählte Bauvorgehen wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratungen in der Bürgerschaft einstimmig beschlossen (siehe Drs. 21/9022 und Drs. 21/16649). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Fachbehörde die Fällung zahlreicher, teilweise auch alter Bäume mit einer hohen ökologischen Funktion? Entlang der Manshardtstraße stehen viele nichtheimische Platanen. Diese Bäume wurden in der Vergangenheit entlang von Straßen angepflanzt, weil sie resistenter gegen die durch den Individualverkehr induzierte Luftverschmutzung sind als andere Bäume. Platanen sind für die heimische Tierwelt ein untergeordneter Lebensraum und haben demnach keine hohe ökologische Funktion. Nach Beendigung der Baustelle sollen in der Manshardtstraße einheimische Bäume gepflanzt werden, sodass eine höhere ökologische Güte erreicht wird. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass die anzupflanzenden Bäume größer und älter sind, als es normalerweise bei Neupflanzungen der Fall ist, damit sich die positiven Funktionen der Bäume schneller entfalten können. 1.1. Da marginale Ersatzpflanzungen keinen Ausgleich für den Bestandsverlust darstellen, wird die HOCHBAHN an die BEU Zahlungen leisten, damit die BEU hamburgweit bis zu 1 766 Bäume neu pflanzen kann. Wann wird dies der Fall sein, um welche Summe handelt es sich und nach welchen Kriterien wird der Betrag ermittelt ? Es ist vorgesehen, die Zahlung vor der Durchführung des Eingriffs zu leisten, wie es gemäß § 15 Absatz 6 BNatSchG geregelt ist. Die Neupflanzungen werden auf Veran- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18257 3 lassung der Fachbehörde in Abhängigkeit von Anpflanzungsplanungen und Vegetationszeiträumen getätigt. In der Kostenberechnung der HOCHBAHN wurde für Ersatzmaßnahmen der Bäume ein Betrag von circa 2,6 Millionen Euro berücksichtigt. Der Kompensationsbetrag wurde nach den Arbeitshinweisen zum Vollzug der Baumschutzverordnung und der dabei zu beachtenden artenschutzrechtlichen Vorschriften der Behörde für Umwelt und Energie mit Stand vom 1. Februar 2017 ermittelt. 2. Welche Position vertreten die Fachbehörden in Bezug auf die prognostizierten Emissionen für die Anlieger, die über der AVV Baulärm liegen und vor allem eine Folge der offenen Bauweise sind? Siehe Vorbemerkung. 3. Gibt es Überlegungen zu einer verkürzten Bauphase, beispielsweise durch eine effiziente Baustellenkoordination? Wenn ja, wie stellen sich diese dar? Wenn nein, warum nicht? Die Baulogistik wurde so gewählt, dass eine möglichst effiziente, anwohnerschonende und zügige Bauabwicklung realisiert wird. Sollten sich im Bauablauf weitere Optimierungs - und Beschleunigungsmaßnahmen ergeben, werden diese berücksichtigt. 4. Haben die zuständigen Fachbehörden alternative Überlegungen und/ oder Maßnahmen zur U4 Erweiterung auf der Horner Geest geprüft oder in Betracht gezogen? Wenn ja, welche sind dies und wie sind die Ergebnisse? Wenn nein, warum nicht? Im Rahmen umfassender Untersuchungen hat in den Jahren 2014 bis 2018 eine System - beziehungsweise Variantenauswahl (Streckenführung, Haltestellenlagen und Bauverfahren) in einem über mehrere Stufen ablaufenden Prozess mit zunehmend spezifizierten Bewertungskriterien stattgefunden. Zu den untersuchten Varianten bezüglich Streckenführung, Haltestellenlagen und Bauverfahren siehe Drs. 21/16649. Im Übrigen sind sowohl die Frage der Planrechtfertigung als auch die Variantenprüfung Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens. Mit dem Planfeststellungsbeschluss wird über planungsrechtliche Zulassung des beantragten Vorhabens entschieden . 5. Die Bauphase der U4-Erweiterung soll circa sieben Jahre betragen. Hält die zuständige Fachbehörde diese Einschätzung für realistisch oder gibt es eine andere Einschätzung? Die Bauzeit wird derzeit als realistisch eingeschätzt. 6. Hält der Senat und/oder die zuständigen Stellen, in Anbetracht der langen Bauphase und den damit verbundenen Belastungen für Anwohner/ -innen, Gewerbetreibende sowie die Umwelt, dies für zumutbar? Siehe Vorbemerkung. 7. Zu welcher Einschätzung kommt die zuständige Fachbehörde hinsichtlich der zu erwartenden massiven Verkehrsbehinderung und der Verlagerung der Verkehre in Wohngebiete? Da für die Baumaßnahme keine Hauptverkehrsstraße längerfristig gesperrt werden soll, sind bauzeitlich lediglich der Erschließungsverkehr sowie der Durchgangsverkehr in der Manshardtstraße betroffen. Durch das abschnittsweise Baukonzept kann dessen Abwicklung jederzeit sichergestellt werden. 7.1. Welche Stelle ist verantwortlich für verkehrsleitende und verkehrslenkende Maßnahmen im Zuge der avisierten Bauarbeiten und was wird unternommen, um die Beeinträchtigungen abzumildern und eine kluge Verkehrsführung während der Bauphasen zu realisieren? Drucksache 21/18257 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Alle im Zuge der Baumaßnahme erforderlichen verkehrslenkenden Maßnahmen werden durch die Vorhabenträgerin mit allen zuständigen Stellen (Landesbetrieb Straßen Brücken und Gewässer (LSBG), Koordinierungsstelle für Straßenverkehr (KOST), Verkehrsdirektion, Polizei) abgestimmt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. In der Abwägung zwischen offener Bauweise und Schildvortrieb kommt die HOCHBAHN zu dem Ergebnis, dass die Nachteile des Schildvortriebs überwiegen. Insbesondere die Mehrkosten (circa 50 Millionen Euro), die bei dem Tunnelvortrieb entstehen würden, werden als nicht verhältnismäßig angesetzt. Hat die zuständige Fachbehörde hierzu eigene Überlegungen und/oder Planungen angestellt? Wenn ja, welche und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen siehe Drs. 21/16649. 9. Was unternehmen die in den Bau involvierten Fachbehörden im Weiteren , um die berechtigten Bedenken der betroffenen Anlieger/-innen und die der Initiative zu berücksichtigen und die Beeinträchtigungen zu minimieren ? Die mit dem Bau einhergehenden Belästigungen – Lärm und Schmutz – können nicht grundsätzlich verhindert, aber durch anwohnerschonende Bauverfahren, den Einsatz von modernen Geräten und die Optimierung der Bauabläufe reduziert werden. Für die Baumaßnahme wurde ein Verfahren gewählt, das mehrere Bauabschnitte vorsieht. Auf diese Weise wird der Zeitraum der Beeinträchtigung für Anwohnerinnen und Anwohner deutlich reduziert. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.