BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18258 21. Wahlperiode 10.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 04.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Inwieweit haben die Erkenntnisse aus der Obdachlosenuntersuchung 2018 Auswirkungen auf das Winternotprogramm 2019/2020? 2,8 Millionen Euro hat der Senat im Winternotprogramm 2018/2019 (Drs. 21/16428) in den Erfrierungsschutz von Obdachlosen investiert. Das städtische Unternehmen f & w fördern und wohnen AöR (f & w) bot an seinen beiden Standorten Friesenstraße und Kollaustraße rund 650 Plätze an. Zusätzlich bis zu 50 Plätze in der Wärmestube. Hinzu kamen rund 100 Plätze an anderen Standorten bei anderen Betreibern. Allerdings lief auch in der vergangenen Saison nicht alles optimal, sodass für die kommende Saison auch infolge der Erkenntnisse aus der Obdachlosen- und Wohnungslosenuntersuchung 2018 (Drs. 21/17230) Anpassungen zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Hamburgische Winternotprogramm ist ein seit nunmehr 27 Jahren erfolgreiches und in seiner Vorbildwirkung weit über die hamburgischen Landesgrenzen hinausgehendes zusätzliches Notübernachtungsangebot in den Wintermonaten November bis März. Es geht nach Umfang, Ausstattung und der ergänzenden Beratungs- und Hilfestrukturen mittlerweile weit über die ordnungsrechtlichen Mindestanforderungen und die üblichen Standards einer Winternothilfe hinaus (zu Einzelheiten des Angebots siehe auch Drs. 21/16901). Deswegen und weil die Anzahl der Übernachtenden insbesondere aufgrund der Zuwanderung aus EU-Mitgliedsstaaten bis zum Winternotprogramm 2017/2018 stark anstieg, ist mit dem Betrieb dieses Angebots auch ein erheblicher finanzieller Aufwand verbunden. Neben den mit Drs. 21/16428 genannten Personalund Wachdienstkosten betrifft dies auch Miet-, Reinigungs-, Dolmetscher- und sonstige Sachkosten, weshalb sich das Gesamtvolumen der jeweiligen Winternotprogramme zuletzt deutlich über 4 Millionen Euro bewegte (vergleiche Drs. 21/16901) und im zurückliegenden Durchgang 2018/2019 bei 4,5 Millionen Euro lag. Dieser hohe, auch für das bevorstehende Winternotprogramm vergleichbar zu erwartende finanzielle Aufwand liegt nicht nur am deutlich auf zuletzt 860 Plätze angestiegenen Platzkontingent, wovon 650 Plätze auf die zwei großen Schlafstandorte bei f & w fördern und wohnen AöR (f & w) entfielen, 110 Plätze auf die ehrenamtlich betreuten Plätze in Containern bei Kirchengemeinden und weiteren Einrichtungen sowie weitere 100 Plätze auf das nächtliche Aufenthaltsangebot in der Wärmestube. Der finanzielle Aufwand ist auch auf den erheblich gestiegenen Personaleinsatz zurückzuführen. So ist das Personal des Betreibers f & w durchgängig tagsüber und nachts vor Ort. Zudem ist die Sozialberatung in den Einrichtungen des Winternotprogramms quantitativ und qualitativ deutlich angehoben worden. Mittlerweile sind 14 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beratend und weitergehend unterstützend im Einsatz. Wo die Sprachkenntnisse der oft multikulturell besetzten Teams nicht ausrei- Drucksache 21/18258 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 chen, werden Dolmetscherdienste in Anspruch genommen, um alle Nationalitäten im Winternotprogramm gleichermaßen beraten zu können. In den vergangenen Jahren ist die Zahl derjenigen, die nach Ende des Winternotprogramms nicht auf die Straße zurückkehren mussten, deutlich gestiegen. Diese Menschen haben Unterkunft gefunden in öffentlichen Wohnunterkünften, sonstigen Einrichtungen (zum Beispiel stationäre Aufenthalte, Entgiftung, Pflegeeinrichtungen) und zum Teil auch direkt in eigenem Wohnraum. Seit dem Winternotprogramm 2012/2013 mussten mehr als 1 000 Menschen nach dem Winternotprogramm nicht in ein Leben auf der Straße zurückkehren. Im zurückliegenden Winternotprogramm haben 461 der 2 946 Übernachtenden in den Schlafstandorten von f & w, also 16 Prozent, aus der Beratung von f & w heraus eine Perspektive abseits der Straße erhalten. Damit konnte erstmals das im Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe (Drs. 20/5867) genannte Ziel einer 15-prozentigen Vermittlungsquote aus dem Winternotprogramm trotz der veränderten Zusammensetzung der Zielgruppe erreicht werden. Dies ist ein deutlicher Erfolg. Das Hamburger Winternotprogramm wird auch von der Solidarität der Hamburger Bürgerinnen und Bürger getragen. Das Angebot staatlich finanzierter Containerplätze bei Kirchengemeinden und Hochschulen ist nur dank ehrenamtlicher Unterstützung der teilnehmenden Einrichtungen möglich. In den Standorten des Winternotprogramms bei f & w engagieren sich Ehrenamtliche des Fördervereins Winternotprogramm seit Jahren für die Übernachtenden und kümmern sich um deren Verpflegung. Mit den vom Betreiber f & w bereitgestellten Küchen und Geräten werden dabei vor allem gespendete Lebensmittel zur abendlichen Essensausgabe vorbereitet. Darüber hinaus arbeitet f & w mit häufig ebenfalls ehrenamtlich tätigen Einrichtungen und Initiativen zusammen, die ergänzende Hilfestellungen anbieten, wie etwa mobile Gesundheitshilfen oder der zuletzt hinzugetretene Kältebus. Auch wenn diese Angebote nicht Teil des Winternotprogramms sind, finden bereits in der Vorbereitung Gespräche mit den Akteuren statt, um einen koordinierten und damit reibungslosen Ablauf vor Ort zu gewährleisten. Dies ist auch für das kommende Winternotprogramm vorgesehen, sobald sich die konkreten Rahmenbedingungen (zum Beispiel Standorte) näher abzeichnen. Auch die erstmalige Nutzung des Standortes Kollaustraße für das Winternotprogramm hat sich bewährt. Die vergleichsweise geringe Auslastung (durchschnittlich 141 von 250 Plätzen, 56 Prozent) und dementsprechende geringe Belegungsdichte sowie die ruhige Lage und relative Weitläufigkeit des Geländes kamen den Übernachtenden entgegen, was auch in der Sozialberatung zu vergleichsweise kurzen Wartezeiten geführt hat und gerade auch Menschen zugutekam, die ein hohes Ruhebedürfnis hatten. Die Erreichbarkeit wurde ergänzend zu öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Bereitstellung eines gut genutzten Shuttlebusses gewährleistet. In der Nachbarschaft hat die Nutzung, auch aufgrund umfangreicher Beteiligung vor und während des Winternotprogramms, weitgehend positive Resonanz hervorgerufen. Anwohnerinnen und Anwohner haben den Standort zum Teil direkt aufgesucht, Spenden für die Übernachtenden abgegeben und viel Lob für die Arbeit und das Angebot für obdachlose Menschen am Standort zum Ausdruck gebracht. Eine erneute Nutzung des Standortes bietet sich daher an. Mit der im Jahr 2018 durchgeführten Obdach- und Wohnungslosenuntersuchung sowie der hierzu durchgeführten Fachtagung am 2. Mai 2019 sind die Grundlagen für eine Fortentwicklung der Wohnungslosenhilfe gelegt worden. Die dokumentierten Ergebnisse der Untersuchung und des Fachtages1 sind Gegenstand unmittelbar bevorstehender Gespräche mit der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Hamburg e.V. (AGFW), siehe Drs. 21/18161. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1 Siehe https://www.hamburg.de/basfi/pressemeldungen/12033592/2019-01-11-basfiobdachlosenstudie / sowie https://www.hamburg.de/obdachlosigkeit/veroeffentlichungen/ 12691320/dokumentation-fachtagung-2019/. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18258 3 1. Mit welcher Platzzahl an jeweils welchem Standort plant der Senat das Winternotprogramm 2019/2020? 2. Welche Erkenntnisse aus der Obdachlosen- und Wohnungslosenuntersuchung 2018 sind inwiefern in die Planungen des WNP 2019/2020 miteingeflossen ? 3. Sind zusätzliche Änderungen beim Sicherheitsdienst, der Aufnahme im WNP, der Betreuung, der Beratung, der medizinischen Versorgung oder den Fahrplänen des Shuttles zur Kollaustraße vorgesehen? Wenn ja, welche jeweils? 4. Wurden bereits Gespräche mit unterstützenden Institutionen wie dem sogenannten Kältebus aufgenommen? Wenn ja, wann und mit wem und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? 5. Kosten in welcher Höhe sind für das WNP 2019/2020 vorgesehen? Siehe Vorbemerkung.