BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18293 21. Wahlperiode 17.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 09.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Wer, wo, was? Bodenaustausch am Bahnhof Diebsteich: Warum schweigen die Behörden? Vor einigen Wochen wurde auf dem alten Postgelände am Bahnhof Diebsteich eine Baustelle eingerichtet. Anwohnerinnen und Anwohner, die versuchten , Informationen zu den offensichtlichen Bodenaustauscharbeiten zu erhalten, sahen sich im Gestrüpp von Zuständigkeiten und gegenseitigen Verweisen verloren. In Gesprächen mit den auf der Baustelle Arbeitenden stellte sich heraus, dass kontaminierter Boden ausgetauscht wurde, direkt neben dem Garten eines Mehrfamilienhauses mit einem kleinen Spielplatz. In den ersten Tagen der Arbeiten war ein deutlicher Gestank nach Diesel und Öl festzustellen, was zu einer Beschwerde führte. Eine Information zu den Arbeiten haben die Anwohnerinnen und Anwohner nicht erhalten. Auf Nachfragen und Eingaben hat das Bezirksamt Altona erklärt, es wisse bezüglich der Bodenarbeiten von nichts. Die Post, als Eigentümerin des Geländes, soll eine Bodensanierung in Auftrag gegeben haben. Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) erklärte auf Nachfragen, dass die Arbeiten zwischen Post und Bezirksamt abgestimmt würden. An der Baustelle selber wurde man hingegen an die BUE als Auskunftsstelle verwiesen, die auch vor Ort gesehen wurde. Nachfragen über den Onlineauftritt des Bezirksamts Altona blieben unbeantwortet. Die über längere Zeit stattgefundene Nicht-Information durch die drei anscheinend beteiligten Stellen (Post, Bezirksamt, BUE) wirft Fragen nach dem Anlass, der Ausführung, der Information, dem Zeitpunkt und dem Ziel des Bodenaustauschs auf. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Im Rahmen von Erdarbeiten zur Verlegung der Fernwärmetrasse wurden im Sommer 2015 auf dem alten Postgelände in dem genannten Grundstücksbereich Verunreinigung festgestellt. In diesem Zusammenhang wurde in dem kontaminierten Bereich eine Teilsanierung durchgeführt, um die damaligen Baumaßnahmen abschließen zu können. Seitens der für Altlasten zuständigen Behörde bestand allerdings weiterer Handlungsbedarf zur Eingrenzung und Bewertung der verbliebenen Verunreinigung. Die hierauf durchgeführte Gefährdungsabschätzung schloss mit dem Ergebnis, dass es sich um eine lokal begrenzte schädliche Verunreinigung des Bodens handelt, von der eine Gefährdung nur für das nahezu ortsstabile Grundwasser ausgeht. Für weitere Schutzgüter bestand keine Gefährdung. Drucksache 21/18293 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die für Altlasten zuständige Behörde hat auf Grundlage der erzielten Untersuchungsergebnisse den Schaden als sanierungsrelevant eingestuft und die Sanierung der Bodenverunreinigung angeordnet. Die Maßnahme hatte zum Ziel, einen weiteren Schadstoffeintrag in das Grundwasser zu unterbinden und wurde im Sommer 2019 erfolgreich durchgeführt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Arbeiten wurden auf dem Postgelände in der Plöner Straße 10 ausgeführt? Siehe Vorbemerkung. Auf dem Postgelände in der Plöner Straße 10 wurde im Bereich des Briefzentrums eine im Vorwege erkundete Bodenverunreinigung an Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW), einkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen (BTEX) sowie polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) mittels Bodenaushub saniert. a. Sofern es sich um den Austausch kontaminierten Bodens handelte: i. Welche Messergebnisse bezüglich der Kontamination liegen vor? Bitte aufführen und gegebenenfalls Änderungen zu früheren Messungen anführen. Im Rahmen der 2016 durchgeführten Untersuchungen zur Eingrenzung der Schadstoffbelastung wurden folgende maximale Schadstoffbelastungen laboranalytisch festgestellt: ‐ MKW: zwischen 1 570 und 2 030 mg/kg TM (mobiler Anteil maximal 1 910 mg/kg TM), ‐ BTEX: 131,6 mg/kg TM (davon 0,93 mg/kg TM Benzol), ‐ C3 und C4-Alkylaromaten: 630 mg/kg TM für C3 und 230 mg/kg TM für C4, ‐ PAK: 604 mg/kg TM (davon 29 mg/kg TM Benzo(a)pyren), ‐ Schwermetalle: Blei 1 290 mg/kg TM, Cadmium 0,90 mg/kg TM, Kupfer 450 mg/kg TM, Nickel 22 mg/kg TM, Quecksilber 0,56 mg/kg TM, Zink 419 mg/kg TM. Damit wurden die beim Bau der Fernwärmetrasse in 2015 ermittelten Schadstoffgehalte weitgehend bestätigt. ii. Seit wann ist die Kontamination bekannt und wie wurde sie seit Bekanntwerden überwacht, zum Beispiel durch regelhafte Messungen ? Siehe Vorbemerkung. iii. Gibt es für die Fläche eine Gefährdungsbeurteilung und sind für die Arbeiten Schutzvorschriften zu beachten gewesen? Wenn ja: 1. Welche Schutzvorschriften und wie wurde deren Einhaltung überwacht? Die Deutsche Post Immobilien GmbH hat durch das Ingenieurbüro GeoConsult Hamburg GBR eine Gefährdungsabschätzung erstellen lassen. Im Vorwege der Baumaßnahme Fernwärmetrasse Altona war ein Arbeits- und Sicherheitsplan gemäß TRGS 524 und DGUV Regel 101–004, inklusive der dazugehörigen Betriebsanweisung, durch das Büro GeoConsult erstellt worden. Er war einvernehmlich mit der für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständigen Behörde sowie der Berufsgenossenschaft abgestimmt worden. Dieser Arbeits- und Sicherheitsplan durfte mit Zustimmung des Amtes für Arbeitsschutz auch für die aktuelle Bodensanierung verwendet werden. Die Erdaushubarbeiten waren weitestgehend maschinell ausgeführt und durchgehend fachgutachterlich begleitet worden. Durch kleinräumiges Arbeiten, direktes Verladen und eine direkte Bodenabfuhr des kontaminierten Bodens sowie der Abdeckung des Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18293 3 kontaminierten Bodens nach Arbeitsende waren Emissionen, soweit technisch machbar , auf ein Minimum begrenzt worden. Die im Rahmen der messtechnischen Überwachung direkt am Baugrubenseitenrand ausgeführten Kontrollmessungen (Messungen an insgesamt 23 Messterminen) zeigten keine nachweisbaren Schadstoffkonzentrationen. Es waren somit keine weiteren arbeitsschutztechnischen Maßnahmen, wie das Tragen von Atemschutz und/oder eine Fremdbelüftung der Baugrube, erforderlich. 2. Was ist das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung? Siehe Vorbemerkung. iv. Gibt es weitere Messungen auf dem Gelände rund um den Bahnhof Diebsteich? Im Bereich des Bahnhofes Diebsteich gibt es keine weiteren Messungen, die mit der Verunreinigung auf dem Postgelände in Zusammenhang stehen. 1. Wenn ja: Wo und wann wurden diese durchgeführt und welche Ergebnisse wurden ermittelt? Entfällt. v. Gibt es Untersuchungen zu Grund- und Sickerwasserfahnen? Im Zuge der in 2016 durchgeführten Untersuchungen zur Eingrenzung der Bodenverunreinigung war auch das Grundwasser beprobt und untersucht worden, um zu prüfen , ob sich die Verunreinigung bereits negativ auf das Grundwasser ausgewirkt hat. 1. Wenn ja: Von wann sind diese und welche Ergebnisse liegen aus diesen Untersuchungen vor? Im Grundwasser waren ebenfalls im Schadenszentrum deutlich erhöhte Konzentrationen für die Parameter Mineralölkohlenwasserstoffe, alkylierte Benzole, Benzol, C4-Alkylaromaten, PAK, leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle und Arsen festgestellt worden, die teilweise die jeweiligen Prüf- und Geringfügigkeitsschwellenwerte überschritten. Bedingt durch die geogenen/hydrologischen Verhältnisse vor Ort und das gewählte Probenahmeverfahren waren die Untersuchungsergebnisse allerdings mit einer hohen Fehlerquote behaftet. Durch weitere Untersuchungen im Abstrom konnte nachgewiesen werden, dass die Grundwasserkontamination örtlich eng begrenzt ist. Schon in 30 m Entfernung war das beprobte Grundwasser unbelastet . 2. In welchem Zeitraum fanden die Arbeiten statt und wann sind sie beauftragt worden? 3. Wer ist Eigentümer beziehungsweise Eigentümerin des Grundstücks, auf dem der Bodenaustausch stattgefunden hat? 4. Wer war Auftraggeber/Auftraggeberin der Arbeiten und welche Rolle im Zuge der Arbeiten und der Auftragsvergabe hatten Bezirksamt, Post und BUE jeweils? Das Grundstück befindet sich im Eigentum der Deutsche Post Pensions-Treuhand GmbH & Co. KG, Bonn. Die Beauftragung der Arbeiten erfolgte durch die Firma CSG GmbH, Key Account Deutsche Post DHL im Namen der Firma Deutsche Post Immobilien GmbH. Der Zeitpunkt der Beauftragung ist der zuständigen Behörde nicht bekannt. Die Ausführung der eigentlichen Sanierungsarbeiten erfolgte in der Zeit vom 26. August bis zum 4. September 2019. In Abstimmung mit der BUE erfolgte die Erstellung des Sanierungskonzeptes. 5. Wer trägt die Kosten für die ausgeführten Arbeiten? a. Sofern es sich um eine städtische Stelle handelt: Aus welcher Produktgruppe werden die Kosten bestritten? Drucksache 21/18293 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Kosten trägt der Auftraggeber. 6. Ist es richtig, dass die Lkws, die den Boden abtransportierten, zu Beginn ohne das zumindest notwendige „A“-Schild für „Abfall“ fuhren? Dazu liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor, da sie weder Auftraggeber der Arbeiten war noch diese zu überwachen hatte. 7. Bis zu welcher Tiefe wurde der Boden ausgetauscht und um welche Menge handelte es sich insgesamt? Der Bodenaustausch erfolgte bis in den Bereich des Wasserwechselhorizontes bei circa 2,7 m bis 3 m unter Geländeoberkante. Es wurden circa 1 050 t belastetes Material abgefahren. 8. Auf dem angrenzenden Gelände wurde vor einigen Jahren ein Mehrfamilienhaus errichtet. Dort war zuvor ein Pelzhandel ansässig. Ist es richtig , dass im Zuge der damaligen Bauarbeiten eine Bodensanierung stattfand ? Wenn ja: a. Welche Arbeiten wurden damals durchgeführt und wie waren die damaligen Messwerte? b. Gab oder gibt es in diesem Bereich Grund- oder Sickerwasserfahnen ? Aus dem Gutachten der GeoConsult GBR geht hervor, dass im Zuge der Neubebauung des Grundstückes Isebekstraße 14 Bodenverunreinigungen durch MKW, BTEX und PAK festgestellt und durch einen Bodenaustausch saniert worden waren. Die Sanierung beschränkte sich dabei auf den äußersten Südwesten des Grundstücks Isebekstraße 14 und stellt vermutlich den nordöstlichen Randbereich der auf dem Grundstück Plöner Straße 10 bekannten Verunreinigung dar. Darüber hinaus liegen der für Altlasten zuständigen Behörde keine Informationen zur Schadenserkundung oder -sanierung vor. Umliegend beprobte Grundwassermessstellen lieferten keinen Hinweis auf relevante Belastungen des Grundwassers. 9. Gibt es eine Bewertung für das ehemalige Bahngelände der Post als Altlastenfläche ? a. Wenn ja: Wie genau wird das Gelände diesbezüglich bewertet? Der sogenannte Kaltenkirchener Bahnhof auf dem Postgelände wird im Altlasthinweiskataster der zuständigen Behörde als Altlast mit der Nummer 6236-497/00 geführt. Die Spezifizierung lautet „Güterbahnhof/Bahnbetriebswerk“. Im Bereich des ehemaligen Bahnhofes sind vermutlich großflächige Bodenverunreinigungen mit MKW, BTEX und PAK vorhanden. Die Verunreinigung wurde im Bereich des Trassenverlaufs der Fernwärmeversorgungsleitung Altona teilsaniert. Insgesamt betrachtet wurden im Rahmen der Vorerkundung sowie im Rahmen der Erdbauarbeiten für den Bau der Fernwärmetrasse Altona keine relevanten Hinweise auf die Verursachung der Kontamination angetroffen. Über die in der Antwort zu v. beschriebenen Grundwasserbelastungen hinaus sind der zuständigen Behörde keine Verunreinigungen bekannt. 10. Wie beurteilt der Senat die Informationspolitik im Rahmen der Arbeiten und gibt es daraus Konsequenzen für zukünftige Arbeiten? Da die FHH weder in der Sanierungspflicht stand noch als Auftraggeberin für die Maßnahme aufgetreten ist, lag die Informationspflicht nicht bei der zuständigen Behörde, zumal eine Gefährdung für die Anlieger aufgrund der bodengebunden Schadstoffe zu jeder Zeit auszuschließen war. Die Informationspolitik der Deutschen Post liegt außerhalb des Verantwortungsbereichs des Senats.