BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18325 21. Wahlperiode 17.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 10.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Mit Heroin die Heroinsucht behandeln – Was macht die Diamorphinabgabe in Hamburg? Vor knapp zwanzig Jahren begann eine Studie zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger. Im Zuge dessen eröffnete im Jahr 2002 auch Hamburg als Studienort ein Behandlungszentrum. Bundesweit wurden 1 032 Studienteilnehmer randomisiert. Schnell konnte die signifikante Überlegenheit der Heroinbehandlung (Diamorphinbehandlung) gegenüber der mit Methadon nachgewiesen werden. Eine zweite Studienphase, in der die längerfristigen Effekte der Diamorphinbehandlung im Mittelpunkt standen, ergab: „Die Diamorphinbehandlung erweist sich hinsichtlich der Verbesserung des Gesundheitszustands, der Verringerung bzw. Abstinenz des Konsums harter Drogen sowie der verbesserten sozialen Integration langfristig als ausgesprochen erfolgreiche Therapie schwerstabhängiger Heroinkonsumenten.“1 In Deutschland ist die Behandlung mit synthetischem Heroin schwerstkranken Opioidabhängigen vorbehalten. Mittlerweile haben die gesetzlichen Krankenkassen die Behandlung von Patienten mit Diamorphin in ihren Leistungskatalog und damit in die Regelversorgung aufgenommen. Die Kosten für die begleitende psychosoziale Betreuung werden weiterhin durch Zuwendungen der Gesundheitsbehörde getragen.2 Genehmigung und Überwachung der Spezialambulanzen sind Ländersache. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Einrichtungen/Drogenambulanzen gibt es in Hamburg seit wann und welche medizinische Versorgung wird hier jeweils angeboten? In welchen Einrichtungen erfolgen (auch) Substitutionen mit Diamorphin? Die erste Ambulanz für Drogenabhängige in Hamburg wurde 1990 eröffnet. Aktuell bestehen in Hamburg folgende Einrichtungen: Die Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA betreibt je eine Substitutionsambulanz in Ochsenzoll seit 2002 und in Altona und Wandsbek seit 2007. Dort sind Substitutionsbehandlungen mit sämtlichen zugelassenen Wirkstoffen möglich, mit Ausnahme von Diamorphin, das ausschließlich am Standort Altona verabreicht werden kann. Zusätzlich zur Substitution wird unter anderem Diagnostik und Behandlung psychiatrischer Erkrankungen, Vermittlung in fachspezifische Mitbehandlung bei somatischen Erkrankungen und die Vermittlung in stationäre Behandlung in der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen angeboten. An den Standorten Altona und Ochsenzoll ist zudem eine psychiatrische Institutsambulanz vorhanden. 1 http://www.heroinstudie.de/H-Bericht_FU.pdf. 2 https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/2571532/2010-10-14-bsg-diamorphin/. Drucksache 21/18325 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 In Harburg werden seit 2016 durch die Ambulanz Süderelberaum gGmbH substitutionsgestützte Behandlungen durchgeführt. Eine Substitution mit dem Wirkstoff Diamorphin ist nicht möglich. Neben der Substitutionsbehandlung bietet der Betreiber unter anderem ambulante Entzugsbehandlungen, somatische und psychiatrische sowie eine interdisziplinäre Behandlung der ärztlichen Fachrichtungen Psychiatrie, Allgemeinmedizin und Infektiologie als Schwerpunkte an. 2. Wie viele Ärzte in wie vielen Arztpraxen führen Substitutionen mit Diamorphin durch? Wie viele verfügen über eine Genehmigung gemäß § 2 der „Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung“?3 In Hamburg wird ausschließlich in der Substitutionsambulanz Altona eine Substitution mit Diamorphin durchgeführt. 3. In welchen dieser Einrichtungen/Arztpraxen mit diamorphingestützer Substitution ist die ärztliche substitutionsgestützte Behandlung über einen täglichen Zeitraum von zwölf Stunden sichergestellt? 4. In welchen dieser Einrichtungen/Arztpraxen mit diamorphingestützer Substitution ist die Substitution dreimal täglich, auch an Wochenenden und Feiertagen garantiert? 5. In welchen dieser Einrichtungen/Arztpraxen werden Patienten mit diamorphingestützer Substitution organisatorisch von denen getrennt (Wartebereich , Ausgabe- und Überwachungsbereich), die ausschließlich nicht diamorphingestützt sind? 6. Ist in den Einrichtungen/Arztpraxen mit diamorphingestützer Substitution jeweils die Hinzuziehung fachärztlich psychiatrischer Kompetenz sichergestellt ? a) Findet die psychosoziale Betreuung des Patienten in der substituierenden Einrichtung statt oder in einer externen Institution? Bitte namentlich benennen. 7. Inwiefern ist sichergestellt, dass alle an der Verabreichung von Diamorphin Beteiligten (ärztliche und nichtärztliche Mitarbeiter) wenigstens zweimal jährlich an suchtmedizinischen Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen, die durch eine Ärztekammer anerkannt sind? 8. Inwiefern ist sichergestellt, dass alle an der Verabreichung von Diamorphin Beteiligten (ärztliche und nichtärztliche Mitarbeiter) wenigstens einmal im Jahr an Schulungen zu drogenspezifischen Notfallmaßnahmen (insbesondere diopulmonale Reanimation) und zur Notfallbehandlung von zerebralen Krampfanfällen teilnehmen? Die Fragen 3. bis 8. entsprechen den in § 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (MVV-RL) aufgelisteten Anforderungen an Einrichtungen zur Substitution mit Diamorphin. Sie ist somit Voraussetzung zur Durchführung der diamorphingestützten Behandlung Opioidabhängiger in der vertragsärztlichen Versorgung und werden von der Substitutionsambulanz Altona erfüllt. Hinsichtlich Frage 6. ist zu ergänzen, dass in der Substitutionsambulanz Altona eine Psychiatrische Institutsambulanz integriert ist. Auch die psychosoziale Betreuung findet in den Räumlichkeiten der Einrichtung statt. Bezüglich Frage 7. ist nach Maßgabe der MVV-RL vorgesehen, dass die Einrichtung auf Verlangen der Kassenärztlichen Vereinigung einen Nachweis über die Fortbildungsveranstaltungen zu erbringen hat. 9. Welche Kriterien sind an den Beginn einer diamorphingestützten Behandlung geknüpft und werden diese ausnahmslos eingehalten? 3 https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/article/624649/ diamorphin-therapie-hamburg-gesichert.html; https://www.kbv.de/media/sp/2019_02_21_2019_04_01_RMvV.pdf#PDF%20zum%20Downl oad,%20380%20KB. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18325 3 Wenn nein, welche Ausnahmen gibt es? Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verschreibung von Substitutionsmitteln mit dem Stoff Diamorphin sind durch § 5a Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung geregelt. Ob aus medizinischer Sicht eine Substitution mit Diamorphin die geeignete Behandlungsform darstellt, ist einzelfallabhängig im Rahmen der ärztlichen Indikationsstellung zu klären. Medizinische Kriterien entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind in der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger festgelegt. 10. Inwiefern unterstützt der Senat die Diamorphin-Substitution in seiner Stadt und welche Mittel werden dafür ausgegeben? (Bitte auch die Haushaltsgruppe nennen.) Die Substitution mit Diamorphin ist eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen . Zusätzlich erfolgt eine Zuwendung der zuständigen Behörde für die Psychosoziale Betreuung im Rahmen der diamorphingestützten Behandlung in Höhe von 156 408 Euro in 2018 aus der Produktgruppe Gesundheit (257.01). 11. Wie viele Diamorphinabgaben werden täglich in der Freien und Hansestadt Hamburg verabreicht? Und wird das Mittel ausschließlich über die DiaMo GmbH & Co. KG bezogen? Die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Der zuständigen Behörde liegen daher keine Informationen zur Fragestellung vor. 12. Wie viele Patienten nehmen aktuell eine Diamorphin-Substitution in Anspruch? Wie ist ihr durchschnittliches Alter und welchen Anteil machen sie an der Gesamtanzahl der Substitutionspatienten aus? Zum Stichtag 01.10.2018 wurden laut Substitutionsregister in Hamburg 65 Patientinnen und Patienten mit Diamorphin substituiert (1,61 Prozent aller Substituierten). Informationen über das Durchschnittsalter sind nicht bekannt, da diese Angaben nicht im Substitutionsregister erfasst werden. 13. Wo werden inhaftierte Heroinabhängige mit Diamorphin behandelt, wie viele Patienten gibt es hier, wie groß ist hier die Abbruchquote? In Hamburg findet in Haft keine Substitution mit Diamorphin statt. 14. Wie hoch ist die Abbruchquote der Diamorphinbehandlung aktuell, wie stellt sie sich seit Beginn vor zehn Jahren dar? Der zuständigen Behörde liegen hierzu keine Erkenntnisse vor, da die Entscheidung zum Abbruch einer Diamorphinbehandlung nicht durch die Fragestellung des Substitutionsregisters erfasst wird. 15. Können die Bedarfe an Diamorphin-Substitutionen umgehend befriedigt werden oder gibt es „Wartelisten“ Heroinabhängiger? Der zuständigen Behörde liegen keine Erkenntnisse vor, dass es zu Wartezeiten aufgrund fehlender Behandlungsplätze kommt. Die Behandlungsaufnahme mit Diamorphin kann gegebenenfalls einzelfallabhängig nicht umgehend erfolgen, da Indikationsstellung und Klärung der gesetzlichen Voraussetzungen eine gewisse Zeit beanspruchen können. 16. Ist ein Ausbau der Versorgung mit Diamorphin geplant? Wenn ja, wie konkret? Wenn nein, warum nicht? Ein Ausbau der Versorgung mit Diamorphin ist aktuell nicht geplant, da die vorhandenen Kapazitäten den Bedarf ausreichend decken. 17. Existiert eine Evaluation der diamorphingestützten Substitution in Hamburg ? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Drucksache 21/18325 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn nein, wann ist mit einer solchen zu rechnen? Das bundesdeutsche Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger , das unter anderem auch am Standort Hamburg durchgeführt wurde, wurde wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse der Studien sind auf der Homepage des Projekts unter www.heroinstudie.de abrufbar. In Anschluss an die Modellprojekte wurde die Diamorphinbehandlung durch das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung weiter wissenschaftlich begleitet. Der Abschlussbericht des Projekts „Qualitätssicherung der Diamorphinbehandlung – Dokumentationsstandards und Monitoring der heroingestützten Behandlung in Deutschland“ ist unter folgendem Link abrufbar: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/ Drogen_und_Sucht/Schlussbericht_Qualitaetssicherung_der_Diamorphinbehandlung __Dokumentationsstandards_und_Monitoring_der_heroingestuetzten_Behandlung_in _Deutschland.pdf.