BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18330 21. Wahlperiode 17.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 10.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Bild- und Tonaufnahmen bei Vernehmungen Mit der ab 1. Januar 2020 geltenden Vorschrift des § 136 Absatz 4 StPO wird die bisher weitreichendste Regelung zur audiovisuellen Aufzeichnung von Vernehmungen eingeführt. Zwar war eine solche Dokumentation von Beschuldigtenvernehmungen bereits nach alter Rechtslage möglich, allerdings wurde in der Praxis kaum Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht. Die Neuregelung ermöglicht zunächst – wie bisher – die fakultative Aufzeichnung aller Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren. Zusätzlich besteht nun aber eine grundsätzliche Aufzeichnungspflicht, wenn dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und äußere Umstände nicht entgegenstehen oder wenn dies der besseren Wahrung schutzwürdiger Interessen von Minderjährigen und Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, dient. Die Dokumentation soll insbesondere der Verbesserung der Wahrheitsfindung und dem Schutz des Beschuldigten vor rechtswidrigen Vernehmungsmethoden dienen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Regelung des § 136 Absatz 4 der Strafprozessordnung (StPO) wird durch das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren voraussichtlich noch Änderungen erfahren. Das Gesetz befindet sich derzeit als Regierungsentwurf im Gesetzgebungsverfahren. Soweit sich die Regelung auf unter 18-jährige Beschuldigte bezieht, soll sie in der StPO gestrichen und in das Jugendgerichtsgesetz (JGG) überführt werden. In einem neuen § 70c Absatz 2 JGG soll geregelt werden, dass andere als richterliche Vernehmungen – also (nur) Vernehmungen durch die Polizei oder andere Strafverfolgungsbehörden – in Bild und Ton aufzuzeichnen sind, wenn zum Zeitpunkt der Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, ein Verteidiger aber nicht anwesend ist. Die Neufassung des § 136 Absatz 4 StPO soll im Jugendstrafverfahren ergänzend Anwendung finden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Sind die Dienststellen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte (Amts- und Landgerichte) in Hamburg auf die zunehmende audiovisuelle Aufzeichnung von Vernehmungen vorbereitet, beispielsweise durch Anschaffung entsprechender technischer Geräte, Schulungsmaßnahmen et cetera? a. Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen wurden umgesetzt beziehungsweise sind geplant? Drucksache 21/18330 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 b. Wenn nein, warum nicht? Es stehen derzeit ausreichend technische Geräte zur audiovisuellen Aufzeichnung von Vernehmungen zur Verfügung. Darüber hinaus wurden mehrere Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt. 2. Wie viele Aufnahme- und Wiedergabegeräte müssen durch die Umsetzung der Neuregelung des § 136 Absatz 4 StPO für die Dienststellen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte (Amts- und Landgerichte ) in Hamburg neu angeschafft werden? Die Prüfung der Beschaffung weiterer insbesondere mobiler Anlagen ist noch nicht abgeschlossen. 3. Wie beziffert der Senat die Anschaffungskosten für die Aufnahme- und Wiedergabetechnik einschließlich der erforderlichen Speichermedien für die Dienststellen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte in Hamburg (Amts- und Landgerichte)? Die Anschaffungskosten können derzeit noch nicht genau beziffert werden. 4. Wie hoch sind die Kosten für gegebenenfalls erforderlich werdende bauliche Veränderungen (zum Beispiel neue Räumlichkeiten) für die Dienststellen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte (Amts- und Landgerichte) in Hamburg? Bitte differenzieren zwischen den verschiedenen Behörden. Bauliche Veränderungen sind derzeit nicht vorgesehen. 5. Wie beziffert der Senat die Kosten für die Wartung, für Ersatzteile, technisches Personal, Schulungen und Fortbildung der befassten Personen sowie für die Speicherung der Aufnahmen in Dienststellen der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft und bei Gerichten (Amts- und Landgerichte) in Hamburg? Die Kosten für Wartung und IT-Infrastruktur der vorhandenen Anlagen belaufen sich derzeit auf circa 5 150 Euro pro Jahr. Weitere Kosten fallen zurzeit nicht an beziehungsweise können nicht differenziert werden. 6. Welchen Personalaufwand nimmt der Senat pro Anlange für die Bedienung und Wartung durch technisch geschultes Personal an? 7. Wie viel Personalkosten nimmt der Senat jährlich im Durchschnitt pro Anlage an? Der genaue Personalaufwand lässt sich nicht differenzieren. 8. In welchem Umfang (Dauer) werden die geplanten Fortbildungen stattfinden ? Neben der anlassbezogenen Einweisung in die Systeme werden spezielle Lehrgänge (vier bis sechs Veranstaltungen pro Jahr) für die Videovernehmung angeboten. Bei einem erhöhten Bedarf kann die Anzahl der Lehrgänge angepasst werden. 9. Sind bei der Beschaffung der entsprechenden Technik mobile Lösungen vorgesehen, insbesondere für Fälle, in denen Vernehmungen in Justizvollzugsanstalten oder Krankenhäusern durchgeführt werden müssen? Wenn ja, wie viele? Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu 2. 10. Wie werden die bei den Vernehmungen erhobenen Ton- und Bilddaten gespeichert? a. Wie wird dabei sichergestellt, dass die Daten nicht von unbefugten ausgelesen werden können? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18330 3 Die Daten werden auf gesicherten Datenträgern gespeichert. Unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen erhalten nur Berechtigte Zugriff auf die Daten. b. Wer hat Zugriff auf die gespeicherten Daten? Die gespeicherten Daten sind Teil der Strafakte. Das Recht auf Akteneinsicht richtet sich nach den Regelungen der StPO (§ 58a Absatz 2 Satz 3 bis 6 und Absatz 3 in Verbindung mit §§ 147, 406e StPO). Danach erhalten insbesondere die Verteidigerin beziehungsweise der Verteidiger und die anwaltliche Vertreterin beziehungsweise der anwaltliche Vertreter der beziehungsweise des Verletzten unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen Akteneinsicht. c. Wie lange werden die Daten im Regelfall gespeichert? Die Aufbewahrungsfrist richtet sich nach § 101 Absatz 8 StPO. 11. Wird das mit der Anfertigung und Speicherung der Daten befasste Personal gesondert in datenschutzrechtlichen Belangen geschult? a. Wenn ja, auf welche Weise? b. Wenn nein, warum nicht? Das Personal wird im Rahmen der jährlichen IT-Mitarbeiterbelehrungen sowie im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen (siehe Antwort zu 8.) auf die datenschutzrechtlichen Belange hingewiesen. Darüber hinaus ist dem Personal der besondere Schutz von persönlichen Daten im Strafverfahren durch den täglichen Umgang mit hochsensiblen Daten bekannt.