BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1839 21. Wahlperiode 13.10.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 06.10.15 und Antwort des Senats Betr.: Betreuung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge (MUFL) In den vergangenen Tagen gab es in der regionalen Presse viele Berichte über strapazierte Jugendämter, Betreuungssituationen, in denen sechsmal so viele Kinder und Jugendliche von einer Person betreut werden wie geplant, Vormünder, die ihrer Pflicht aufgrund von Überlastung nicht ordnungsgemäß nachkommen können und stetig neu in Hamburg eintreffende MUFL. Neben den organisatorischen Engpässen reihte sich ein gewaltsamer Zwischenfall in Lohbrügge ein. Die überbelegte Flüchtlingsunterkunft, in der unterschiedlichste Schicksale, religiöse Prägungen und Ansichten aufeinandertreffen , war Ort einer handgreiflichen Auseinandersetzung, bei der insgesamt neun Personen, darunter eine Betreuerin, verletzt wurden. Die qualitativ und quantitativ unzureichende Hilfe seitens der unterschiedlichen Behörden darf nicht dazu führen, dass ein gutes Einleben für die jungen Flüchtlinge hier in Hamburg erschwert wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Am 01.01.2016 wird der alljährlich neu berechnete Königsteiner Schlüssel in Kraft treten. Was sieht der Schlüssel für Hamburg vor? Gibt es konkrete Zahlen zur erwarteten Abnahme der Anzahl der MUFL in Hamburg ? Sind Ausweichstellen schon konkret geplant? Kann es gegebenenfalls vor Januar 2016 zu einer Einbindung anderer Kommunen bei der Aufnahme und Betreuung von MUFL kommen? Berechnungen für den Königsteiner Schlüssel für das 2016 wurden bisher nicht veröffentlicht . 2015 betrug der Schlüssel für Hamburg 2,52968 Prozent. Diesen Schlüssel als Verteilungsschlüssel für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge angewendet ergäbe für Hamburg einen Erfüllungsgrad von circa 300 Prozent (Sommer 2015). Der Gesetzentwurf des Bundes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher befindet sich derzeit noch im Abstimmungsverfahren . Er sieht vor, dass das Bundesamt für Verwaltung die Umverteilung nach dem Königsteiner Schlüssel vornimmt. 2. Es gibt zurzeit bis zu 300 Privatvormünder in Hamburg. Plant der Senat eine zügigere Bereitstellung von Privatvormündern durch Schulungen und Ausbildungen? Der Senat fördert die Akquise und Begleitung von Privatvormündern durch entsprechend qualifizierte hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freier Träger. Diese stehen den privaten Vormündern beratend zur Seite und gewährleisten die erforderliche Qualifizierung. Die Kapazitäten sind über den bisherigen Zeitraum des Jahres Drucksache 21/1839 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2015 hinweg in mehreren Schritten aufgestockt worden. Der Senat prüft fortlaufend die weiteren Bedarfe. 3. Wie viele Mündel betreut ein Amtsvormund durchschnittlich in einem Hamburger Jugendamt? Gibt es hierfür vorgeschriebene Grenzen? Das SGB VIII sieht vor, dass ein in Vollzeit tätiger Beamter oder Angestellter, der ausschließlich Amtsvormundschaften und Amtspflegschaften zu führen hat, für höchstens 50 Mündel und Pfleglinge zuständig sein darf. In den Bezirksämtern lag die durchschnittliche Fallzahlbelastung für einen in Vollzeit tätigen Amtsvormund/-pfleger zum Ende des Jahres 2014 bei rund 28. Diese Zahl umfasst gesetzliche und bestellte Amtsvormundschaften sowie bestelle Amtspflegschaften . Im Referat Amtsvormundschaften (FS 44) der zuständigen Behörde liegt die durchschnittliche Fallbelastung pro Amtsvormund/Amtspfleger aktuell bei 46. 4. Vormundschaften werden seit kurzer Zeit durch das sogenannte Referat FS 44 koordiniert. Aus wie vielen Mitarbeitern setzt sich das Team zusammen? Ist das Personal speziell geschult und qualifiziert? Wie sieht die Organisations- und Aufgabenstruktur aus? Das Referat Amtsvormundschaft (FS 44) der zuständigen Behörde besteht zurzeit aus neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referats sind aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung und der kontinuierlichen Fortbildung , insbesondere durch das Sozialpädagogische Fortbildungszentrum, besonders für die Aufgaben als Amtsvormund qualifiziert. Die personelle Ausstattung wird aufgrund ansteigender Zahlen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge kontinuierlich angepasst. Das Team übernimmt Amtsvormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Amtsvormundschaften/Amtspflegschaften für Intensivtäter, die sich in der Zuständigkeit des Familieninterventionsteams befinden. Zu den Aufgaben eines Amtsvormundes/Amtspflegers gehören unter anderem Sicherstellung von Pflege und Erziehung; Sicherstellung der Gesundheitsfürsorge, des Lebensunterhalts und der Schul- und Berufsausbildung; Bestimmung des Aufenthalts für das Mündel und Regelung des Umgangs; Vertretung im gerichtlichen Verfahren, familiengerichtlichen Berichtswesen und Klärung statusrechtlicher Fragen; Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und Verwaltung des Mündelvermögens . Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kommt die Begleitung im Asylverfahren hinzu. 5. Wie werden der Kontakt und die Entwicklungen der betreuten MUFL dokumentiert? Die Kontakte und Entwicklungen der von den Vormündern betreuten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge werden in der Vormundschaftsakte dokumentiert. 6. Wie viele Inobhutnahmen wurden nach der Verweigerung einer Genitaluntersuchung zum Zweck der Altersschätzung beendet? Keine. Im Übrigen siehe Drs. 21/1025. 7. Wie ist der Wegfall der Zuständigkeit des Jugendamtes ab Volljährigkeit bei MUFL geregelt? Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden gemäß § 42 (1) Nummer 3 SGB VIII in Obhut genommen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Person das 18.Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Inobhutnahme endet mit der Gewährung einer Hilfe nach dem Sozialgesetzbuch, insbesondere einer Hilfe zur Erziehung, oder gegebenenfalls Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1839 3 aus anderen Gründen gemäß § 42 (4) SGB VIII., oder aber mit der Vollendung des 18.Lebensjahres. Bei der Beendigung der Inobhutnahme durch Erreichen der Altersgrenze sind zwei Fallkonstellationen möglich: Ist der unbegleitete minderjährige Flüchtling bereits ausländerrechtlich erfasst, gilt er Hamburg als Ort der Residenz zugewiesen. Rechtzeitig vorher wird dann der Übergang in die öffentlich rechtliche Unterbringung vorbereitet und mit dem Tag der Vollendung des 18. Lebensjahres vollzogen. Ist er ausländerrechtlich noch nicht erfasst, hat er sich zur Zentralen Erstaufnahme für Asylbewerber zu begeben und sich dort als Volljähriger zu melden und unterliegt dem bundesweiten Zuweisungsverfahren. Erhalten unbegleitete Minderjährige bereits eine Hilfe zur Erziehung, besteht die Zuständigkeit des Jugendamts fort.