BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18390 21. Wahlperiode 24.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 16.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Reproduktive Rechte von Frauen: § 219a und Schwangerschaftskonfliktberatungen Am 28. September ist der internationale „Safe Abortion Day“. Weltweit streiten feministische Bündnisse seit Jahrzehnten für das Recht auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung und gegen die Kriminalisierung und Tabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Wie bereits im vergangen Jahr fordern auch dieses Jahr mehr als 40 Verbände und Institutionen im Rahmen des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung Hamburg an jenem Tag „Weg mit §§ 218 und 219a!“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Die Reform des § 219a StGB sieht unter anderem eine bundesweite Liste von Ärzten/-innen vor, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen (https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/ pdf-Ordner/Liste219a/20190729_Liste_der_BAEK_nach_Para_13_Abs_ 3_SchKG.pdf). Doch nur 87 von circa 1 200 Ärzten/-innen stehen derzeit auf der genannten Liste. Wie schätzt der Senat den Sinn und den Nutzen dieser Liste ein? In Hamburg gibt es bereits seit vielen Jahren eine öffentlich zugängliche Liste, die die Kontaktdaten von Ärztinnen und Ärzten enthält, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen . Diese im Internet veröffentlichte Liste (https://www.hamburg.de/contentblob/ 4242250/234f9ed3697ef8d319b2e54e641bf619/data/liste-praxiseinrichtungenschwangerschaftsabbrueche .pdf) ist für ungewollt Schwangere leicht zugänglich und wird daher als hilfreiches Instrument eingestuft. Eine bundesweite Liste wäre nur von Nutzen, wenn sie ähnlich vollständig wäre, wovon die Liste der Bundesärztekammer zurzeit weit entfernt ist. 2. Wie viele Hamburger Ärzte/-innen wurden seit 2000 bis heute nach § 219a StGB angezeigt? Bitte die einzelnen Fälle nach Jahren, Verfahrensstand beziehungsweise Urteil aufschlüsseln. Im Hinblick auf die begrenzte Speicherungsdauer von Daten im Vorgangsverwaltungsund Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft lassen sich wegen des Vorwurfs einer Straftat nach § 219a StGB geführte Verfahren zuverlässig nur bis in das Jahr 2013 zurück feststellen. In der für Verfahren gegen Ärzte zuständigen Sachabteilung wurden folgende aufgrund von Anzeigeerstattungen eingeleitete Verfahren erfasst: Jahr Sachstand 2013 Zwei Verfahren gegen insgesamt vier Ärztinnen und/oder Ärzte, eingestellt gemäß § 153 Abs. 1 StPO. 2014 Kein Verfahren. Drucksache 21/18390 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2015 Zwei Verfahren, davon eines gegen einen namentlich benannten Arzt, eingestellt gemäß § 153 Abs. 1 StPO. 2016 Drei Verfahren gegen insgesamt fünfzehn namentlich benannte Ärztinnen und/oder Ärzte, wobei in einem dieser Verfahren drei Strafanzeigen zusammengefasst sind. Verfahrensabschluss ist noch nicht erfolgt. 2017 Vier Verfahren, von denen zwei denselben Sachverhalt betreffen und sich nur eines gegen eine namentlich benannte Ärztin richtet. Verfahrensabschluss ist noch nicht erfolgt. 2018 Fünf Verfahren gegen insgesamt acht namentlich benannte Ärztinnen und/oder Ärzte. Verfahrensabschluss ist noch nicht erfolgt. Ausweislich der Strafverfolgungsstatistik, die nur den Straftatbestand – nicht aufgeschlüsselt nach Berufsgruppen – erfasst, gab es in den Jahren 2000 bis 2018 kein Urteil zu § 219a StGB in Hamburg. Für das Jahr 2019 liegt die Statistik noch nicht vor. 3. Vor dem Hintergrund, dass erst jüngst zwei Berliner Ärztinnen nach § 219a StGB verurteilt wurden: Wie schätzt der Senat die aktuelle Rechtssicherheit für Ärzte/-innen in Hamburg ein, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen und darüber auch auf ihrer Website informieren ? Aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 22. März 2019 (BGBl. I S. 350) wurde § 219a Abs. 4 StGB eingeführt . Danach entfällt die Strafbarkeit nach Absatz 1, wenn Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen auf die Tatsache hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 bis 3 vornehmen oder auf Informationen einer insoweit zuständigen Bundes- oder Landesbehörde, einer Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz oder einer Ärztekammer über einen Schwangerschaftsabbruch hinweisen. Die genannten Verurteilungen der Berliner Ärztinnen erfolgten vor dem Inkrafttreten dieser Regelung. 4. Wie viele Berater/-innen (VZÄ) stehen in Hamburg für Pflichtberatungen gemäß § 218a StGB in zur Verfügung? Wie viele davon bei Ärzten/ -innen? Wie viele bei Beratungsstellen? Bei Beratungsstellen stehen 26 Beraterinnen und Berater zur Verfügung. 152 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind gemäß § 218a StGB anerkannt. a) Wie haben sich die Zahlen in den letzten 15 Jahren entwickelt? Bitte in Fünf-Jahres-Schritten angeben. Die Zahlen sind im Rahmen des gesetzlich festgeschriebenen Schlüssels bedarfsorientiert angepasst worden. Eine differenzierte Aufstellung über 15 Jahre ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit aufgrund der notwendigen Durchsicht großer Aktenmengen nicht darstellbar. b) Wenn es deutliche Änderungen bei der Anzahl der Ärzte/-innen gibt: Über welche Kenntnisse verfügt der Senat? Warum ist die Entwicklung so? Es gibt keine deutlichen Änderungen bei der Anzahl anerkannter Ärztinnen und Ärzte. 5. Wie viele Schwangerschaftskonfliktberatungen wurden im vergangenen Jahr durchgeführt? Bitte differenziert nach den verschiedenen Beratungsstellen und Ärzten/-innen (gesamt) darstellen. Die Zahlen für 2018 liegen der für die Gesundheit zuständigen Behörde derzeit noch nicht vor. 6. Die Bundesländer sind verpflichtet für die Pflichtberatung ein ausreichendes plurales Angebot wohnortnaher Beratungsstellen sicherzustellen (§ 8 Satz 1 SchKG). Hält der Senat das derzeitige Angebot für a) ausreichend und was ist der Maßstab, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18390 3 Ja. Nach dem § 4 Satz 1 SchKG ist ein Schlüssel von 1 VZÄ/40 000 Einwohnerinnen und Einwohner vorgesehen. b) hinreichend plural und was sind die Kriterien, Ja. Die Angebote sind für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich. Es sind sowohl konfessionelle , als auch nicht konfessionelle Beratungsstellen vertreten. c) hinreichend wohnortnah und was sind die Kriterien? Ja. Die Beratungsstellen und Praxen sind über das Stadtgebiet verteilt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. d) Falls eine der Fragen 6. a. bis 6. c. verneint wird: Welche Schritte unternimmt der Senat, um ein entsprechendes Angebot sicherzustellen ? Entfällt. 7. Gibt es Beratungsstellen in Hamburg, die zwar Konfliktberatungen durchführen, aber keine Beratungsbescheinigungen nach § 7 SchKG ausstellen? Wenn ja: Welche? Ja, der Sozialdienst katholischer Frauen Wartenau und der Sozialdienst katholischer Frauen Altona. 8. Die Bundesländer sind verpflichtet ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen (§ 13 Absatz 2 SchKG). Hält der Senat das derzeitige Angebot a) für ausreichend und was ist der Maßstab? Ja. Es gibt ausreichend Praxen und Kliniken, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Die zur Verfügung stehenden Angebote bieten gemäß der Gesetzeslage eine angemessene und ausreichende Grundlage, um die notwendigen Eingriffe bedarfsorientiert durchführen zu können. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. a. b) Wenn nicht: Welche Schritte unternimmt der Senat, um ein entsprechendes Angebot sicherzustellen? Entfällt. 9. Ungewollt Schwangere müssen in Hamburg Wartezeiten einkalkulieren, bis sie nach der Pflichtberatung einen Termin für einen Schwangerschaftsabbruch bekommen. Dies kann eine psychosoziale Belastung für die ungewollt Schwangere bedeuten und schlimmstenfalls auch einen Konflikt mit der Drei-Monats-Frist herbeiführen. a) Verfügt der Senat über konkretere Informationen bezüglich der Dauer dieser Wartezeiten? Falls ja, bitte angeben. Nein. b) Teilt der Senat die Einschätzung, dass die zunehmend schlechtere Versorgungslage in umliegenden Bundesländern ein Grund ist, warum es auch in Hamburg zu Engpässen bei der Terminvergabe für Schwangerschaftsabbrüche kommt? Der Senat bewertet keine Versorgungslagen in anderen Ländern. c) Wie kann nach Einschätzung des Senats erreicht werden, dass diese Wartezeiten so gering wie möglich gehalten werden beziehungsweise verhindert wird, dass die Zwölf-Wochen-Frist nicht überschritten wird? Drucksache 21/18390 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Siehe Antworten zu 8. a. und zu 9. a. 10. Welche Kenntnisse hat der Senat über Strukturen, Kampagnen, Aktivitäten (auch online) oder Ähnliches von Abtreibungsgegnern/-innen („Lebensschützern /-innen“/„Pro-Life-Aktivisten/-innen“) in Hamburg? Strukturen, Kampagnen, Aktivitäten (auch online) oder Ähnliches von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern „(„Lebensschützer/-innen“/„Pro-Life-Aktivisten/-innen“)“ werden vom Senat nicht systematisch erfasst und dokumentiert.