BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18394 21. Wahlperiode 24.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 16.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Wie sieht‘s aus mit der Kooperation beim Essen im schulischen Ganztag ? In Hamburg gibt es zwei Organisationsformen des schulischen Ganztags. Im Grundschulbereich kann die Schule entscheiden, ob sie den Ganztag als Schule selbst verantwortet (GTS-Modell) oder die Angebote am Nachmittag sowie in den Rand- und Ferienzeiten in Kooperation mit einem Träger der Kinder- und Jugendhilfe gestaltet (GBS-Modell). An weiterführenden Schulen gibt es den Ganztag ausschließlich als GTS-Modell. Eine Ganztagsschule kann sich allerdings zur Sicherstellung des Ganztagsangebotes auch Dienstleister für Teile des Angebotes bedienen. Das Schulessen wird in der Regel an Dienstleister vergeben. Diese Caterer bekommen ihre Dienstleistung mit einer Pauschale pro geliefertem und ausgegebenem Essen vergütet. Diese Pauschale wurde 2012 für die Schulessen abgesenkt und gilt seitdem unverändert ohne Anpassung an die Steigerungsraten gemäß Lebenshaltungskostenindex. In Drs. 21/17523 gibt der Senat unter anderem Auskunft zur schulischen Kooperation beim Essen. In der Antwort des Senates bekennt dieser sich zu den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und erklärt, dass die Pauschale von 3,50 Euro diesen Standard ermöglicht. Außerdem verweist der Senat auf die Städte Bremen und Berlin und behauptet, dass dort ähnliche Pauschalen gezahlt werden, ohne genaue Zahlen zu nennen. Vor dem Hintergrund der Auskünfte des Senats ergeben sich weitere Nachfragen . Vor allem auch im Hinblick darauf, ob die gezahlten Pauschalen die Einhaltung von DGE-Standards ermöglichen und ob die von den Eltern gewünschte Qualitätssteigerung beim Essen, auch bezüglich des Bio-Anteils der Mittagsverpflegung oder bei Verwendung regionaler Produkte mit dieser Pauschale abgedeckt werden kann. Ich frage den Senat: Die Kantinensituation an den Schulen hat sich seit 2011 durch die hohen Anstrengungen im Ausbau deutlich verbessert. Von 2011 bis 2014 wurden 152 Kantinen, acht Produktions- und Vitalküchen sowie 144 Ganztagsküchen an den allgemeinbildenden Schulen fertiggestellt. Von 2015 bis 2019 wurden weitere 108 Kantinen, 48 Produktions - und Vitalküchen sowie 60 Ganztagsküchen fertiggestellt, Für 2020 sind derzeit weitere 13 Kantinen in Bau beziehungsweise in Planung, davon elf Produktions- und Vitalküchen sowie zwei Ganztagsküchen. Die Schulen stellen den Caterern die jeweils vorhandenen Küchen kostenfrei, inklusive der technischen Geräte sowie der Übernahme sämtlicher Energie- und Verbrauchskosten , zur Verfügung. Hinzu kommt die verbesserte Ausstattung mit Küchen- Drucksache 21/18394 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 geräten, die aus dem Sonderfonds „Guter Ganztag“ zusätzlich ohne Kosten für die Caterer ermöglicht wird. Der „Vertrag über eine Dienstleistungskonzession für Mittagsverpflegung in Schulen sowie ergänzende Leistungen“ regelt in Hamburg seit 2011 die Kooperation beim Essen im schulischen Ganztag. Vertragspartner sind die Schulleitungen und die Caterer . Grundlegende Idee dieses Vertrags über eine Dienstleistungskonzession ist, dass die Caterer die Verträge über die Lieferung des Essens mit den Sorgeberechtigten abschließen und dieses Vertragsverhältnis zwischen Sorgeberechtigten und Caterern nach den Prinzipien der Qualität und der Wirtschaftlichkeit geregelt werden muss. Dabei verpflichten sich die Caterer in dem Vertrag über die Dienstleistungskonzession unter anderem dazu, den Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) einzuhalten und Mittagessen zu einem Maximalpreis von 3,50 Euro auszugeben . Durch den kontinuierlichen Ausbau des Ganztags an vielen Schulen haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Caterer verbessert. Die durch den Ausbau steigenden Teilnahmezahlen an der Schulverpflegung erzeugen einen Mengeneffekt , der die Wirtschaftlichkeit verbessert. Es ist in den folgenden Jahren von weiteren Steigerungen in der Teilnahme auszugehen, sodass die Schulverpflegung in Hamburg auch in Zukunft wirtschaftlich attraktiv bleibt und als Markt mit Potential wahrgenommen wird. Schulleitungen können den jährlich kündbaren Vertrag über die Dienstleistungskonzession frei vergeben. Bundesweit findet die sich mit dieser einzigartigen Vertragskonstruktion entwickelte Landschaft von rund 50 Unternehmen, die an Hamburger Schulen professionell Gemeinschaftsverpflegung anbieten, viel Beachtung und Anerkennung . Vor allem die Möglichkeit, sich durch einen engen Austausch zwischen Caterern und Schulen mit dem jeweils unterbreiteten Angebot an den Bedürfnissen vor Ort zu orientieren, gegebenenfalls nachsteuern zu können bis hin zur Kündigung des Vertrages, ermöglicht eine optimale Qualität bei vertretbaren Preisen für die Eltern und hinreichend wirtschaftlicher Attraktivität für die Caterer. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Der Senat hat nach eigenen Aussagen in der Drs. 21/17523 den „geltende (n) Satz von 3,50 Euro pro Mittagessen (...) auf Basis vorhandener Erfahrungswerte kalkuliert“. Die für Bildung zuständige Behörde hält die derzeitige Essenspauschale für kostendeckend. Was ist mit dem Begriff vorhandene Erfahrungswerte gemeint? Was für Erfahrungswerte werden zugrunde gelegt? Zum Zeitpunkt der Erstellung des „Vertrages über eine Dienstleistungskonzession für Mittagsverpflegung in Schulen sowie ergänzende Leistungen“ im Jahr 2011 wurden Preiskalkulationen an Hamburger Schulen und anderen Ländern für die Kalkulation herangezogen. Bei der Kalkulation wurde auch berücksichtigt, dass die Schulen den Caterer unentgeltlich die Küchen zur Verfügung stellen. Bislang blieb nach Kenntnis der für Bildung zuständigen Behörde mit dieser Konstruktion und dem Maximalpreis von 3,50 Euro noch keine Hamburger Schule seit 2011 ohne Caterer. Üblicherweise haben Schulen, die einen neuen Caterer suchen, eine Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Unternehmen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 2. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass es seit 2012 Preissteigerungen und Lohnsteigerungen gegeben hat, die der Senat im Rahmen des Landesrahmenvertrages in Form von Steigerungsraten der Entgelte sowohl im Kita-Bereich als auch beim schulischen Ganztag zur Verfügung stellt? Warum wird dieses Verfahren, das zu Essenspreisen von etwas über 4 Euro führen würde, nicht auch auf die Zahlung der Pauschale für das Essen angewendet? 3. Zu der Frage, warum der Essenspreis in den Kitas deutlich höher liege, teilte der Senat in der Drs. 21/17523 mit, dass im aktuellen Landesrahmenvertrag -Kita keine separat kalkulierte Essenspauschale mehr existie- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18394 3 re, an der man sich beim Schulessen orientieren könnte. Stimmt der Senat beziehungsweise die Fachbehörde zu, dass die damalige Pauschale bei der Berechnung der Sachkosten zugrunde gelegt wurde und seitdem in Form von Entgelt-Steigerungsraten gemäß Verbraucherpreisindex bei vorliegenden Kostensteigerungen genutzt werden kann? Wenn nein, bitte die abweichende Meinung begründen? 4. Auch bei der Einführung des schulischen Ganztages wurden durchaus Vergleiche vorgenommen. So in einer Mail im Auftrag von Herrn xxxx am 12.08.2011, die mit einem Berechnungstool in Teilen die Personal-/ Sachkostenpauschalen des Landesrahmenvertrags „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen“ Anlage 1 Buchstabe c und e einbezieht“. Warum sind solche Berechnungen aus Sicht des Senates beziehungsweise der Fachbehörde nicht mehr aktuell? Der Landesrahmenvertrag Kita regelt die Rechtsbeziehungen zwischen der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde und den Jugendhilfeträgern. Der Landesrahmenvertrag GBS regelt die Rechtsbeziehungen zwischen der für Bildung zuständigen Behörde und den Jugendhilfeträgern. Beide Verträge regeln nicht die Rechtsbeziehung zwischen der Schule und Caterern. Bei der Kalkulation im Jahr 2011 wurde die Sachkostenpauschale aus dem Landesrahmenvertrag Kita nicht 1:1 zugrunde gelegt, denn die Sachkosten einer Kita sind nicht mit denen einer Schule vergleichbar. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. In der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/17523 erklärt der Senat, dass die Städte Bremen und Berlin mit ähnlichen Pauschalen rechnen. Wie hoch sind die zur Verfügung gestellten Pauschalen für die Caterer in Berlin und Bremen? 6. Welche Leistungen müssen damit in Bremen und Berlin von den Dienstleistern abgedeckt werden? Welche Leistungen erbringen die jeweiligen Schulträger? 7. Werden die Pauschalen in den beiden Städten regelmäßig angepasst? Wenn ja, in welcher Form beziehungsweise nach welchen Kriterien beziehungsweise Berechnungen geschieht das? In Berlin und Bremen liegen die erhobenen Portionspreise nach Angaben der jeweiligen Behörden aus dem April 2019 zwischen 2,80 Euro und 3,50 Euro. Zu den Details der Leistungen und den Anpassungen der Preise liegen der für Bildung zuständigen Behörde derzeit keine näheren Informationen vor, siehe auch Antwort zu 8. bis 8. e. 8. Ist dem Senat die DGE-Studie https://www.in-form.de/fileadmin/ Dokumente/PDF/2018-kups-bundeskongress-schulverpflegung.pd zu Kosten- und Preisstrukturen bekannt? Wenn ja, bitte die Vollversion der Studie als Anlage zur Verfügung stellen . a. Wie bewertet der Senat die Ergebnisse der Studie? Welche Schlüsse zieht der Senat aus dieser Studie? b. In der mir vorliegenden Version aus dem Jahr 2018 werden erste Ergebnisse zusammengefasst. Teilt der Senat beziehungsweise die Fachbehörde diese Schlüsse? Wenn nein, welche anderen Schlüsse zieht der Senat beziehungsweise die Fachbehörde aus der Studie? c. Wenn der Senat beziehungsweise die Fachbehörde diese Studie nicht kennt, warum beschäftigt sich der Senat nicht mit solchen Studien ? Drucksache 21/18394 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 d. Bei einer von vielen Eltern gewünschten vollständigen Umstellung auf Bio-Lebensmittel betragen laut der Studie allein die Wareneinsatzkosten in Sekundarschulen ohne Massenrabatte 3,28 Euro pro Essen. Wie kommen der Senat beziehungsweise die Fachbehörde vor diesem Hintergrund auf die Idee, dass die Pauschale von 3,50 Euro auskömmlich ist, mit der nicht nur die Produktion und Anlieferung , sondern auch die Ausgabe, die Reinigung der Küchen, Transporte , die Einrichtung eines bargeldlosen Bezahlsystems samt Hotline sowie die Administrationskapazitäten rund um die Abrechnung der BuT-Zahlungen vorgehalten werden muss? e. Auf Seite 22 benennt die oben genannte Studie diejenigen Faktoren, die in der Schulverpflegung kostenrelevant sind: „Die Wahl des Verpflegungssystems , die Art und der Umfang der Leistung sowie die Qualität der eingesetzten Lebensmittel haben einen Einfluss auf die Kosten.“ Wesentlich zur Kostenreduzierung tragen demnach bei (siehe hier auch Abbildung 3 auf Seite 23): kleine beziehungsweise verkleinerte Portionen, Verzicht auf Verwendung von Bio-Lebensmitteln , hoher Convenience-Grad, reduzierte Leistungsanforderungen an die Versorgung, reduzierte Kommunikationsanforderungen an Caterer-Personal, keine Zertifizierung und niedrige Bedarfsorientierung des Caterers. Ist eine solche kostenreduzierende Arbeitsweise mit den politischen Zielen des Senates beziehungsweise der Fachbehörde vereinbar? Welche dieser Standards möchte der Senat beziehungsweise die Fachbehörde angewendet sehen? Welche Standards hält der Senat beziehungsweise die Fachbehörde für verzichtbar? Die für Bildung zuständige Behörde ist auf unterschiedlichen Ebenen in einem kontinuierlichen Austausch mit den in Hamburg tätigen Cateringunternehmen. Unter anderem ist vereinbart, gemeinsam die Studie der DGE über Kosten- und Preisstrukturen in der Schulverpflegung auszuwerten, sobald diese vorliegt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 9. Was hält der Senat beziehungsweise die Fachbehörde von der Verwendung von regionalen Bio-Produkten? 10. Welche Auswirkungen auf die Kosten- und Preisstrukturen hat diese Verwendung aus Sicht der Fachbehörde beziehungsweise des Senates? Teilt der Senat die Auffassung, dass die Schulessenversorgung nur dann das regionale Versorgungskonzept des Senates umsetzen helfen kann, wenn diese Versorgung auch entsprechend angemessen mit Mitteln ausgestattet wird? Die Vernetzungsstelle „Schulverpflegung Hamburg“ unterstützt Schulen zum Einsatz von ökologisch erzeugten Lebensmitteln in der Schulverpflegung. Dieser Prozess wird durch das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung begleitet. Im Vertrag über eine Dienstleistungskonzession ist der regelmäßige Einsatz regionaler Produkte in der Schulverpflegung an mindestens 20 Tagen im Schuljahr als vom Caterer zu erbringende Leistung bereits beschrieben. Im Übrigen siehe Antwort zu 8. 11. Gibt es schon Gespräche des Senates beziehungsweise der Fachbehörde mit den Caterern? Wenn ja, seit wann und wie viele Gespräche haben stattgefunden und wann werden diese Gespräche zu einem erfolgreichen – die Qualität sichernden – Kostensatz führen? Wenn nein, wann wird der Senat das Gespräch mit den Hamburger Schulessen-Caterern suchen, um zu einem die Qualität sichernden Kostensatz zu kommen? 12. Um was für eine Art von Vereinbarung wird es sich dabei handeln? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18394 5 13. Der DEHOGA Hamburg e.V. (Hotel- und Gaststättenverband) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) haben sich in der zweiten Verhandlungsrunde am 28. Februar 2019 auf einen Tarifabschluss für die rund 65 000 Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe Hamburg geeinigt. Ab dem 1. April 2019 erhöhen sich die Entgelte um durchschnittlich 4,5 Prozent. Die Vergütungsgruppe 3 für Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung im ersten Berufsjahr und ungelernte Beschäftigte ab dem sechsten Berufsjahr entfällt. Diese werden zukünftig nach der vierten Vergütungsgruppe bezahlt, was einer Erhöhung um 7,8 Prozent gleichkommt. Spielen solche Tarif-Abschlüsse eine Rolle bei den Überlegungen der Fachbehörde und des Senates Tariflöhne zu garantieren? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Umsetzung von Tarifabschlüssen liegt in der unternehmerischen Verantwortung des jeweiligen Caterers. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 8. bis 8. e. 14. Ab 01.07.2019 erstattet der Bund der Stadt Hamburg Kosten im Umfang von circa 7 Millionen Euro, die die Stadt für die BuT-Berechtigten bislang geleistet hat. Wird dieses Geld ab Schuljahresbeginn konkret für eine Qualitätssicherung an den Hamburger Schulmensen genutzt, indem die Preise nach dem Verbraucherpreisindex angehoben und die soziale Staffelung aus der Grundschule – wie es auch die Grünen schon vor Jahren im Schulausschuss forderten – endlich auch in der Sekundarstufe 1 gewährt wird oder wird das Geld zur weiteren Haushaltskonsolidierung verwendet? (Siehe: Protokoll der öffentlichen Sitzung des Schulausschusses und des Familien-, Kinder-und Jugendausschusses, Sitzungsdatum : 14. Februar 2012, Ausschussprotokolle Nummern 20/9, 20/8, Seite 9 fortfolgende, Seite 28 fortfolgende.) Die mittelbare Kompensation des Bundes für die revisionsfähigen Bildungs- und Teilhabe (BuT)-Ausgaben tritt jeweils erst im Folgejahr ein und wird im Jahr 2020 die Monate August bis Dezember 2019 und ab 2021 jeweils das ganze Vorjahr berücksichtigen . Den Erlösen aus der Beteiligung des Bundes stehen auch Mehrkosten aus Leistungserweiterungen aus dem Starke-Familien-Gesetz bei anderen BuT-Leistungen (Schulbedarf, Soziokulturelle Teilhabe) gegenüber. Die darüber hinausgehenden Mehrerlöse in den Folgejahren sollen auch zugunsten von Kindern und Familien eingesetzt werden. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen.