BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18433 21. Wahlperiode 27.09.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Peter Lorkowski (AfD) vom 19.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Hamburger Entwicklungshilfepolitik Als Industrienation ist Deutschland eines der größten Geberländer in der weltweiten Entwicklungshilfe. Entwicklungshilfe ist kein Almosen. Sie verfolgt den klar definierten Zweck, bisher unterentwickelten Regionen der Erde eine Chance zum Anschluss zu bieten. Leider erfüllt Entwicklungshilfe diesen Zweck nicht immer in dem gewünschten Maße. Allzu oft kommt es leider vor, dass gut gemeinte Entwicklungshilfe unter anderem in den korrupten Strukturen der Nehmerländer versickert und dadurch gar nicht erst bei der Bevölkerung ankommt. Derlei Fehlentwicklungen sind das Ergebnis von Wohlwollen, gepaart mit lückenhaftem Monitoring über die Mittelverwendung. Sowohl für Geber- als auch für Nehmerländer wäre eine effizientere Allokation der Ressource Entwicklungshilfe wünschenswert. Auch die Freie und Hansestadt Hamburg betreibt Entwicklungshilfe, sie gehört schon seit 2011 zur Riege der sogenannten Fairtrade-Towns, von denen es in Deutschland mittlerweile über 600 gibt.1 Nachhaltigkeit ist für Hamburg ein hohes Gut, dies wird immer wieder betont. Hamburg hat neun Partnerstädte. Einige davon (Chicago, Osaka, Marseille) haben erwiesenermaßen keinerlei Entwicklungsbedarf mehr. Andere (Tegucigalpa und Daressalam ) befinden sich in Ländern, die auch heute noch auf Entwicklungshilfe angewiesen sind. Einen Sonderfall unter Hamburgs Partnerstädten stellt das chinesische Shanghai dar. Während die Stadt und ihre benachbarten Provinzen Jiangsu und Zhejiang zu den mit Abstand wohlhabendsten und entwickeltsten Regionen der Volksrepublik China gehören, sieht die Situation im Westen des Landes völlig anders aus. Dorthin fließt bis heute deutsche Entwicklungshilfe .2 Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Die Freie und Hansestadt Hamburg erbringt seit vielen Jahren finanzielle Leistungen, die als „Official Development Assistance (ODA)“ nach den vom Entwicklungsausschuss der OECD (DAC) international gültigen Maßstäben einzuordnen sind. ODA ist definiert als öffentliche Leistungen, die mit dem Hauptziel der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung an Entwicklungsländer (gemäß Länderliste des DAC) beziehungsweise in Ausnahmefällen an Staatsangehörige von Entwicklungs- 1 https://www.hamburg.de/international/fairtrade/12643192/fairtrade-verleihung-2019/. 2 https://www.focus.de/politik/ausland/630-millionen-euro-allein-im-jahr-2017-fast-10- milliarden-euro-seit-1979-darum-zahlt-deutschland-entwicklungshilfe-anchina _id_10817274.html. Drucksache 21/18433 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ländern oder an internationale Organisationen zugunsten von Entwicklungsländern vergeben werden. Als ODA-Leistungen Hamburgs, die jährlich vom Statistischen Bundesamt erhoben werden, sind auch anrechenbar: Leistungen an Hamburger Nichtregierungsorganisationen (NRO) zur Förderung von Projekten in Entwicklungsländern, Stipendien für Studierende aus Entwicklungsländern an Hamburger Hochschulen sowie Maßnahmen zur Förderung des Entwicklungsbewusstseins in Hamburg (entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welches Volumen hatte die von Hamburg gezahlte Entwicklungshilfe in den letzten fünf Jahren? Bitte für jedes Jahr einzeln angeben. Die vom Statistischen Bundesamt anerkannten ODA-Leistungen Hamburgs betrugen in den Jahren 2014 – 2018 insgesamt 42,486 Millionen Euro, davon in den einzelnen Jahren: 2014 3,952 Millionen Euro 2015 9,518 Millionen Euro 2016 9,581 Millionen Euro 2017 9,750 Millionen Euro 2018 9,685 Millionen Euro Der große Sprung zwischen den Werten für 2014 und 2015 erklärt sich daraus, dass ab 2015 der Hamburger Zuschuss für das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in die ODA-Statistik einbezogen wurde. 2. Welcher Anteil an der gesamten deutschen Entwicklungshilfe entfiel in den letzten fünf Jahren auf Hamburg? Bitte für jedes Jahr einzeln angeben . Der Anteil der Hamburger ODA-Leistungen an den deutschen Gesamtleistungen (von Bund und Ländern) betrug 2014 0,317 Promille 2015 0,589 Promille 2016 0,428 Promille 2017 0,439 Promille Für 2018 liegen die endgültigen Zahlen der gesamtdeutschen ODA-Leistungen noch nicht vor. 3. Wie viele Entwicklungshilfeprojekte laufen gegenwärtig mit Hamburger Finanzmitteln? 4. Welche Entwicklungshilfeprojekte laufen gegenwärtig mit Hamburger Finanzmitteln? Bitte einzeln aufschlüsseln. 5. Wie viele Entwicklungshilfeprojekte mit Hamburger Finanzmitteln wurden in den letzten fünf Jahren abgeschlossen. Bitte einzeln angeben. 6. Welche Entwicklungshilfeprojekte sollen 2020 mit Hamburger Finanzmitteln anlaufen? 7. Wie viele Entwicklungshilfeprojekte gibt es derzeit zwischen Hamburg und einer der neun Partnerstädte? Projekte der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit finden zwischen Hamburg und den Partnerstädten León (Nicaragua) und Daressalam (Tansania) statt. Derzeit werden drei Projekte in León durchgeführt und fünf in Daressalam. Im Übrigen: entfällt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18433 3 8. Welche Entwicklungshilfeprojekte laufen derzeit zwischen Hamburg und einer der neun Partnerstädte? Bitte einzeln angeben. León: Verbesserung der hygienischen Verhältnisse und Abläufe am städtischen Schlachthof von León (seit 2017) Betreuung von Straßenkindern Vorschulprojekt Daressalam: Bau einer Kompostierungsanlage für pflanzliche Marktabfälle Austausch mit der Feuerwehr (Training und Geräteausstattung) Qualifizierung von Fachkräften für erneuerbare Energien Wissenschaftlicher Austausch zur Stadtentwicklung Austausch von Fachkräften der Jugendarbeit 9. Welche Entwicklungshilfeprojekte zwischen Hamburg und einer der Partnerstädte konnten bislang erfolgreich abgeschlossen werden? In den Jahren 2014 – 2018 wurden folgende Projekte erfolgreich abgeschlossen: León: Nachhaltiges Abwasser- und Abfallmanagement für den städtischen Schlachthof von León (2013 – 2015) Bau einer Feuerwache in dem indigenen Stadtteil Sutiaba (2014 – 2016) Ertüchtigung der Werkstatt der Stadtreinigung León (2015 – 2017) Lieferung eines Löschfahrzeugs an die Feuerwehr in León Installation solargestützter Energieversorgung in der Gesundheitsstation El Tololar Verbesserung der Infrastruktur einer Touristenunterkunft mit Umweltinformation im ländlichen Bereich Aufbau und Betrieb eines ökologischen Modell-Bauernhofs in El Tololar Betreuung von Kindern, die Müll sammeln (Projekt Niños del Fortín) Betreuung von Straßenkindern (Projekt Chavaladas) Ausbildung von Umwelt-Führern (Projekt Sonati) Gründung einer Schuleinheit in León (Projekt der ULSA-Hochschule) Installation diverser Solaranlagen im Rahmen von Projektreisen der Erich-Kästner- Stadtteilschule Daressalam: Coaching-Workshop für Hafen- und Logistikexperten aus Daressalam Medizinische Geräteausstattung des Amana Hospital Partnerschaft der Wasserversorger zum Zweck einer nachhaltigen Betriebsführung bei der Wasserversorgung in Daressalam Workshop zur Entwicklung eines Curriculums für Heilerzieher Die unter Z. 8 genannten laufenden Projekte in den Bereichen Feuerwehr und erneuerbare Energien werden in jährlich abgeschlossenen, aufeinander aufbauenden Projektphasen schon seit mehr als fünf Jahren durchgeführt. 10. Welche Entwicklungshilfeprojekte zwischen Hamburg und einer der Partnerstädte sind für die Zukunft geplant? Drucksache 21/18433 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Planungen für künftige Projekte sind noch nicht abgeschlossen. 11. Ist in den letzten fünf Jahren Entwicklungshilfe von Hamburg in die Partnerstadt Shanghai geflossen? Falls ja, in welcher Höhe? 12. Ist in den letzten fünf Jahren Entwicklungshilfe von Hamburg in andere Teile der Volksrepublik China geflossen? Falls ja, bitte Projekt, Volumen und Provinz angeben. 13. Ist in den letzten fünf Jahren Entwicklungshilfe geflossen von Hamburg in Länder, die nach gängiger Auffassung gegen die Menschenrechte verstoßen? Falls ja, bitte Projekt, Volumen und Land angeben. 14. Ist in den letzten fünf Jahren Entwicklungshilfe geflossen von Hamburg in Länder, die über einen HDI-Wert von über 0,8 verfügen? Falls ja, bitte Projekt, Volumen und Land angeben. 15. Ist in den letzten fünf Jahren Entwicklungshilfe geflossen von Hamburg in Länder, die über einen HDI-Wert von über 0,7 verfügen? Falls ja, bitte Projekt, Volumen und Land angeben. 16. Gibt es gemeinsame Ansätze in der Entwicklungshilfepolitik zwischen Hamburg und den vollständig entwickelten Partnerstädten? 17. Gab es in den vergangenen fünf Projekten, die aus Mitteln der Hamburger Entwicklungshilfe finanziert wurden, solche, die vorzeitig beendet werden mussten? Falls ja, bitte Begründung für den Abbruch angeben. Zu 11. – 17.: nein, im Übrigen: entfällt. 18. Wie bewertet der Senat insgesamt die Erfolge der Hamburger Entwicklungshilfepolitik in den letzten fünf Jahren? 19. Wie bewertet der Senat spezifisch die Erfolge der Hamburger Entwicklungshilfepolitik in Verbindung mit den Partnerstädten? Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der Städtepartnerschaften mit León und Daressalam ist besonders erfolgreich, denn sie kann einerseits die Expertise kommunaler öffentlicher Dienstleister einsetzen (Abfallbehandlung, Wasserversorgung , Feuerwehr, Kliniken). Zum anderen baut sie auf Engagement, langjährigen Kontakten und Landeskenntnis von Hamburger Ehrenamtlichen auf, deren Vereine mit verlässlichen Partnerorganisationen Projekte zur Verbesserung der konkreten Lebensbedingungen der örtlichen Bevölkerung umsetzen. 20. Wie bewertet der Senat das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen der derzeitigen Hamburger Entwicklungshilfepolitik? Seit mehreren Jahren hat Hamburg die Möglichkeit, Bundesmittel für Projekte der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit zu beantragen. Durch den Finanzierungsschlüssel (bis zu 90 Prozent Zuschüsse aus Bundesmitteln) können auch mehrjährige, größere Investitionsprojekte in León und Daressalam mit entsprechender Breitenwirkung realisiert werden. Darüber hinaus bezieht sich ein großer Teil der Hamburger Aufwendungen auf die Weiterbildung von Fachkräften aus den Partnerstädten, die in Hamburg durchgeführt wird (Stipendienprogramm des Senats – AFP-EL –), oder auf die Entsendung von Hamburger Experten in Einrichtungen in León oder Daressalam, wobei grundsätzlich nur Reise- und Aufenthaltskosten entstehen. Diese Qualifizierungsmaßnahmen entfalten in der Regel ebenfalls Breitenwirkung.