BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18454 21. Wahlperiode 01.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christel Nicolaysen und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 23.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Wahlassistenzen bei den vergangenen Bezirks- und Europawahlen Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2019 (AZ 2 BvC 62/14) die Wahlrechtsausschlüsse für Menschen unter Vollbetreuung für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und zudem die Wahlrechtsausschlüsse für schuldunfähige, in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Menschen für unvereinbar mit dem Grundgesetz und nichtig erklärt. Eine Teilnahme dieser Menschen an der Europawahl wurde allerdings erst nach einem gemeinsamen Antrag von Abgeordneten der Bundestagsfraktionen FDP, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE beim Bundesverfassungsgericht auf einstweilige Anordnung möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil (2 BvQ 22/19) am 15. April 2019 die Wahlrechtsausschlüsse auch im Europawahlgesetz für nicht anwendbar erklärt. Die Regierungskoalition im Bund möchte allerdings zusätzliche gesetzliche Änderungen hinsichtlich der Assistenzleistungen und strafrechtlicher Folgen einführen. Die vorgesehenen Regelungen könnten jedoch in mehreren Punkten zu neuen Unsicherheiten führen. Es ist zum Beispiel nicht mehr klar, welche Personen außer den Wahlhelfern überhaupt noch Menschen mit Behinderung unterstützen dürfen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele unter Betreuung stehende Menschen gibt es in Hamburg? Siehe Drs. 21/18079. 2. Wie viele schuldunfähige Menschen im Maßregelvollzug gibt es in Hamburg ? Am 24. September 2019 waren 303 schuldunfähige (§ 20 StGB) beziehungsweise vermindert schuldfähige (§ 21 StGB) Personen in der Hamburger Maßregelvollzugseinrichtung untergebracht. 3. Wie viele unter Betreuung stehende Menschen und wie viele schuldunfähige Menschen im Maßregelvollzug waren in diesem Jahr bei den Bezirks- und Europawahlen jeweils wahlberechtigt? Wie viele von ihnen haben jeweils ihre Stimme abgegeben? Mit Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze vom 18.06.2019, durch das die Wahlausschlussgründe wegen Betreuung in allen Angelegenheiten und wegen Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung aufgrund einer Anordnung nach § 63 i.V.m. § 20 StGB im Bundeswahlrecht gestrichen wurden, ist auch die Erforderlichkeit der Speicherung dieser Tatsachen nach § 3 Absatz 2 Drucksache 21/18454 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Nummer 1 Buchstabe a Bundesmeldegesetz weggefallen (§ 53 Bundeswahlgesetz). Somit werden die für die Beantwortung der Frage erforderlichen Daten statistisch nicht gespeichert. 4. Zu welchen Problemen oder Hindernissen ist es bei diesen Menschen im gesamten Prozess rund um die Stimmabgabe gekommen? Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. 5. Welche Personen außer den Wahlhelfern dürfen Menschen mit Behinderung unterstützen? Eine wahlberechtigte Person, die aufgrund einer Behinderung an der Abgabe ihrer Stimme ohne Hilfe gehindert ist, kann sich hierzu einer anderen Person bedienen, die mindestens das 16. Lebensjahr vollendet hat. Die wahlberechtigte Person entscheidet selbst darüber, ob und welcher Hilfsperson sie sich für ihre Stimmabgabe bedient. Die Hilfsperson hat ausschließlich die Funktion eines Werkzeugs. 6. In wie vielen Fällen insgesamt in Hamburg wurde von Wahlassistenzen Gebrauch gemacht? Die Anzahl der Fälle, in denen für die Stimmabgabe eine Hilfsperson hinzugezogen wird, wird nicht erfasst. Bei der Urnenwahl wird die Tatsache des Hinzuziehens einer Hilfsperson nicht vermerkt. Für die Ermittlung der Anzahl der Fälle, in denen zur Stimmabgabe bei der Briefwahl eine Hilfsperson hinzugezogen wurde, müssten jeweils rund 270 000 Wahlscheine der Europawahl und der Bezirksversammlungswahl manuell dahin gehend ausgewertet werden, ob eine Hilfsperson unterschrieben hat. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 7. In wie vielen Fällen gibt/gab es einen Anfangsverdacht auf Beeinflussung im Rahmen von Wahlassistenzen? 8. In wie vielen Fällen gibt/gab es Ermittlungen wegen des Verdachts auf Beeinflussung im Rahmen von Wahlassistenzen? 9. In wie vielen Fällen ist es zu strafrechtlichen Folgen gekommen? In keinem Fall. Erkenntnisse zur Wahrnehmung der Assistenzaufgabe liegen nicht vor. Siehe Antworten zu 5. und zu 6. 10. In welchen Bereichen rund um das Thema Wahlassistenzen sieht der Senat noch Nachbesserungsbedarf? Der Senat hat sich mit dieser Frage nicht befasst.