BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18501 21. Wahlperiode 08.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 30.09.19 und Antwort des Senats Betr.: Novellierung des hamburgischen Polizeirechts – Nachfragen Zur geplanten Novellierung des hamburgischen Polizeirechts habe ich im Rahmen einer Schriftlichen Kleinen Anfrage (Drs.21/18273) mehrere Fragen zu den geplanten Neuerungen gestellt. Überwiegend wurden die Fragen nicht beantwortet. Im Vorwort des Senats wird darauf verwiesen, dass Regelungen anderer Bundesländer nicht Gegenstand des parlamentarischen Fragerechts seien. Mit Verweis auf dieses Vorwort werden dann gleich mehrere Fragen nicht beantwortet. Bei anderen Fragen wird die Antwort verweigert, da sie die Einsatztaktik der Polizei berühre, zu der aus grundsätzlichen keine Auskünfte erteilt würden. Bei einer Frage wird die Antwort verweigert, da die Beantwortung die Funktionsfähigkeit der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden gefährden würde. Das parlamentarische Fragerecht dient der parlamentarischen Kontrolle der Regierung sichert damit eines der Kernaufgaben parlamentarischer Arbeit. Sofern Antworten ausnahmsweise verweigert werden, bestehen für den Senat umfassende Begründungspflichten. So hat der Hamburgische Verfassungsgerichtshof etwa entschieden: „Wird eine Antwort ganz oder teilweise verweigert, hat der Senat dies hinreichend und nachvollziehbar zu begründen . (LVerfGE 21, 159, juris Rn. 60; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 1.7.2009 - 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, juris Rn. 132 ff.). Wird schon ausnahmsweise eine inhaltliche Antwort nicht erteilt, so soll Abgeordnete jedenfalls die Gründe für die Verweigerung der Antwort prüfen und gegebenenfalls darauf politisch-parlamentarisch reagieren können (LVerfGE 21, 159, juris Rn. 61). Der Senat muss – auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen den Verfassungsorganen – den Abgeordneten in die Lage versetzen, seine Aufgaben effektiv wahrzunehmen (vgl. zum Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme: BVerfG, Beschluss vom 1.7.2009 - 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, juris Rn. 132).“ (Vergleiche HVerfG 1/13.) In einem weiteren Urteil hat das HVerfG weitere Anforderungen an den Umfang der Begründung gestellt: „Die Begründung darf mit anderen Worten nicht inhaltsleer sein, sondern muss nachvollziehbar die der Verweigerung zugrunde liegenden Tatsachen und Bewertungen darlegen (LVerfGE 21, 159, juris Rn. 61; VerfGH Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.12.2002 – LVerfG 5/02, LVerfGE 13, 284, juris Rn. 57). Sie darf nicht formelhaft sein, sondern muss einen spezifischen Einzelfallbezug haben und nachvollziehbar sein, also überprüfbare Anknüpfungstatsachen benennen (LVerfGE 21, 159, juris Rn. 89).“ (Vergleiche HVerfG 6/12.) Drucksache 21/18501 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Begründungspflicht hatte der HVerfG auch bereits in einer früheren Entscheidung klargestellt: „Sinn und Zweck der Begründungspflicht gebieten es, dass die Begründung sich auf alle in Betracht kommenden Gründe für die Verweigerung einer Antwort erstreckt. Der einzelne Abgeordnete kann nur anhand der jeweiligen Begründung beurteilen und entscheiden, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt , um sein Auskunftsverlangen ganz oder teilweise durchzusetzen. Der Abgeordnete muss daher die Begründung auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1.7.2009 – 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, juris Rn. 132; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 26.7.2006 – Vf. 11-IVa-05, NVwZ 2007, 204, juris Rn. 419).“ (Vergleiche HVerfG 1/10.) Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Inwieweit betrifft die Frage, wie häufig Radar-iTE seit dem 01.01.2017 bei der Polizei Hamburg eingesetzt wurde, die Einsatztaktik der Polizei? Bitte genau begründen. RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potenziell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamistischer Terrorismus) stellt ein Instrumentarium für eine weitgehend einheitliche und standardisierte polizeiliche Einschätzung des Personenpotenzials im Bereich islamistischer Terrorismus und für die Priorisierung polizeilicher Maßnahmen in Bund und Ländern dar. Vor dem Hintergrund des Einsatzanlasses dieses Instruments zur Abwehr von Gefahren für „Leben und Gesundheit“ sieht der Senat von einer Beantwortung der Frage, wie häufig Radar-iTE seit dem 1. Januar 2017 bei der Polizei Hamburg eingesetzt wurde, ab, da das polizeiliche Handeln bei Bekanntwerden der Häufigkeit für den betroffenen Personenkreis ausrechenbar wäre. 2. Aus welchen Gründen macht der Senat anders als einige andere Landeregierungen „grundsätzlich“ keine Angaben zu Fragen, die die Einsatztaktik der Polizei berühren? Bitte genau begründen. 3. Welche Kriterien sind bei der Beurteilung, ob eine Frage die Einsatztaktik der Polizei berührt, maßgeblich? Bitte genau begründen. Der Senat macht aus grundsätzlichen Erwägungen keine Angaben zu Fragestellungen , die Einsatztaktik der Polizei berühren, da derartige Angaben zu einer Gefährdung der eingesetzten Beamten oder Dritter führen könnten. Darüber hinaus gefährden derartige Angaben die weitere erfolgreiche Nutzung polizeilicher Einsatzmittel und damit den gesamten Einsatzerfolg zukünftiger Maßnahmen. Dies würde die Funktionsfähigkeit der Polizei in ihrem Kernbereich gefährden. Die Beurteilung, ob die Angaben diese Kriterien erfüllen, orientiert sich jeweils am konkreten Einzelfall. 4. Inwieweit ist die Frage, über welche (empirischen) Erfahrungswerte der Senat hinsichtlich des Einsatzes oder des Nutzens einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung in anderen Bundesländern zum Schutz vor häuslicher Gewalt verfügt, nicht vom parlamentarischen Fragerecht umfasst? Bitte genau begründen. 5. Inwieweit fallen nach Auffassung des Senates Fragen nach den Erfahrungswerten und Erkenntnissen des hamburgischen Senats über Regelungen in anderen Bundesländern nicht unter das parlamentarische Fragerecht ? Bitte genau begründen. Fragen nach Erfahrungswerten und Erkenntnissen zu Regelungen anderer Länder sowie des Einsatzes oder des Nutzens einzelner Einsatzmittel, deren Rechtmäßigkeit sich nach Rechtsgrundlagen anderer Länder richten, implizieren stets eine Darstellung , Auswertung oder Bewertung eben dieser. Hierzu ist der Senat im Rahmen der Beantwortung Parlamentarischer Anfragen nicht verpflichtet. Das Verwaltungshandeln anderer Länder und dessen Grundlagen sind darüber hinaus nicht vom parlamentarischen Fragerecht der Hamburgischen Bürgerschafft umfasst. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18501 3 6. Inwieweit gefährdet eine Antwort auf die Frage, welche technischen Mittel mit dem neu eingeführten § 21 PolDVG-E legalisiert werden sollen, die Funktionsfähigkeit der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden? Bitte genau begründen. a. Wie soll nach Einschätzung des Senates das Parlament zu einem Gesetz Stellung nehmen und schließlich eine gesetzgeberische Entscheidung treffen, wenn seitens des Senats und der zuständigen Behörde verschwiegen wird, was einzelne Normen konkret legalisieren sollen? Bitte genau begründen. b. Auf welche Art und Weise kann der/die einzelne Abgeordnete vom Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde Auskunft erhalten , welche technischen Mittel mit der geplanten Einführung des § 21 PolDVG-E legalisiert werden sollen? Bitte genau begründen. Die technischen Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes, die in § 21 PolDVG-E benannt werden, sind identisch mit denen, die in der derzeitigen Rechtsgrundlage § 10 PolDVG geregelt sind. Darüber hinaus würde die Bekanntgabe, mit welchen konkreten akustischen und optischen technischen Mitteln in einem Polizeieinsatz tätige Personen geschützt werden sollen dem Schutzzweck der Maßnahme zuwider laufen und so die Funktionsfähigkeit der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden in ihrem Kernbereich gefährden. 7. Wie beurteilt der Senat die Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle der Polizei vor dem Hintergrund, dass das parlamentarische Fragerecht durch verschiedene Ausnahmen (keine Antworten zur Einsatztaktik et cetera) deutlich eingeschränkt ist? Bitte genau darstellen. Die von der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg in den Artikeln 25 fortfolgende vorgesehene parlamentarische Kontrolle wird vom Senat als zentrale demokratische Funktion bei seinen Entscheidungen gewährleistet.