BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18562 21. Wahlperiode 15.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 07.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Gefährlicher Trend unter Jugendlichen – Mitführen von Stichwaffen In Deutschland steigt der Anteil der Jugendlichen, die sich mit Messern bewaffnen. Das Tragen von Messern kommt bei Schülern wohl immer mehr in Mode. Messerangriffe polarisieren wie kaum ein anderes Thema. Die Zahl solcher Angriffe bleibt auf hohem Niveau. Laut einer Reportage der ARD, „Messerland Deutschland?“, vom 23.09.20191 sehen Experten einen starken Anstieg bei Jugendlichen, die ein Messer bei sich tragen. Das gehe aus einem Ergebnis repräsentativer Befragungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen hervor. Der Anteil der Jugendlichen, die in der Schule ein Messer dabeihaben, stieg von 8,3 Prozent im Jahr 2013 auf 12,5 Prozent im Jahr 2017. Außerhalb der Schule ist es sogar noch gravierender: 2013 führten 27,2 Prozent der Schüler ein Messer mit sich. 2017 stieg die Zahl auf 31,1 Prozent, das bedeutet, dass mittlerweile jeder Dritte dort ein Messer dabeihat und in der Schule rund jeder Zehnte. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele registrierte Vorfälle mit Stichwaffen hat es seit dem 1. Januar 2019 in Hamburg gegeben? Welcher Art waren diese? Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die statistische Erfassung eines Falles erfolgt nach den Richtlinien für die Führung der PKS mit Abschluss aller polizeilichen Ermittlungen durch die für die Endbearbeitung zuständige Dienststelle bei endgültiger Abgabe der entstandenen Ermittlungsvorgänge beziehungsweise des Schlussberichts an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht. Die Aussagekraft der PKS ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. In der PKS wird ein Fall in dem Monat gezählt, in dem er erfasst wurde. Die Tatzeit bleibt dabei unberücksichtigt . Wird ein Datensatz in einem Folgemonat im Sinne der ständigen Pflege geändert, wird der Fall zukünftig dem Monat der Aktualisierung zugeordnet. Das Tatmittel Messer wird seit dem 1. Januar 2019 in der PKS gesondert erfasst. Die erfragten Daten für das Jahr 2019 werden zur Gewährleistung eines Minimums an Validität als kumulative Dreivierteljahreszahlen (Januar bis September) berechnet. 1 https://www.ardmediathek.de/daserste/player/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0 cmFnL2Ntcy9iNjVmOWRkNy1iNDMxLTQyMjktOTU4My0yZTZhMmFlMzBhZmY/. Drucksache 21/18562 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vom 1. Januar bis zum 30. September 2019 wurde das Tatmittel Messer in Hamburg bei 1.025 in der PKS erfassten Fällen registriert; bei 712 Fällen wurde mit dem Messer gedroht und bei 313 Fällen wurde es eingesetzt. 2. Plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde konkrete Maßnahmen, um die Zahl der Angriffe mit Messern zu verringern? Wenn ja, welche? Die gesetzlichen Vorschriften zum Mitführen von Messern richten sich nach den bundesgesetzlichen Vorschriften des Waffengesetzes. Danach ist das Mitführen von bestimmten Arten von Messern im öffentlichen Raum verboten, alle dort nicht aufgeführten Messer dürfen auch im öffentlichen Raum mitgeführt werden. Nach § 42 (5) WaffG besteht für die Landesregierungen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, das Mitführen auch von Messern für bestimmte Gebiete insgesamt zu verbieten. Der Senat hat von dieser Möglichkeit durch die Einrichtung von Waffenverbotsgebieten seither Gebrauch gemacht. Ansätze aus kriminalpräventiver Sicht zielen daher auf Verhaltensänderungen, indem stets auf das Eskalationspotenzial von Waffen , auch als sogenannte Schutzbewaffnung, hingewiesen wird. Seitens einer Projektgruppe der Kommission Polizeiliche Kriminalprävention zum Thema „Messer“ wurde dazu folgender Leitsatz formuliert: „Die Polizei rät vom Mitführen jeglicher Arten von Waffen ab. Auch zu Verteidigungszwecken sollten Waffen, wie zum Beispiel Messer und Pfefferspray, nicht mitgeführt werden.“ Die relevanten Empfehlungen sind unter den Webadressen www.polizeifürdich.de und www.polizeiberatung.de zusammengefasst . 3. „Messer machen Mörder“ wurde dem Bericht der ARD zufolge vor sieben Jahren ins Leben gerufen und ist ein Präventionsprogramm der Polizei Berlin zur Verhinderung von Messergewalt. Es wird als Themenbezogene Informations-Veranstaltung (TIV) seitens der Präventionsbeauftragten an Berliner Oberschulen angeboten. Das Programm wurde in Kooperation zwischen Fach- und Präventionsdienststellen der Polizei Berlin entwickelt .2 a. Werden Projekte an den Hamburger Schulen angeboten, um die Schüler speziell für die Gefährlichkeit von Stichwaffen zu sensibilisieren ? Wenn ja, seit wann werden welche Projekte an welchen Schulen beziehungsweise in welchen Jahrgängen angeboten? Eine Säule des Senatskonzeptes „Handeln gegen Jugendgewalt“ ist das Präventionspro -gramm „Kinder- und Jugenddelinquenz“. Das Programm existiert in seiner jetzigen Form seit 2008. Hierbei sollen durch Polizeibeamtinnen und -beamte im Nebenamt die fünften bis achten Klassen aller allgemeinbildenden Schulen in Hamburg zweimal jährlich aufgesucht werden. Im Rahmen der vorgegebenen Unterrichtsschwerpunkte wird in der Klassenstufe 7 unter dem Rubrum „Gewalt“ auch das Thema Waffen behandelt. Zentrale Botschaft ist dabei, dass der Einsatz wie auch das Mitführen von Waffen jeglicher Art grundsätzlich abzulehnen sind. Um eine entsprechende Wirksamkeit und Nachhaltigkeit des Präventionsprogramms zu gewährleisten, ist es nicht als Projekt, sondern als unbefristete Maßnahme angelegt , die fest in den schulischen Jahresplan integriert ist. Im Übrigen betreut die für Bildung zuständige Behörde gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft , der Jugendgerichtshilfe, der Jugendbewährungshilfe, der Polizei und der für Soziales und Familie zuständigen Behörde gewaltauffällige Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Programms „Obachtverfahren für Intensivtäter (Schwerpunkt Gewalt)“. 2 https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/praevention/gewalt/artikel.241010.php. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18562 3 b. Ist der zuständigen Behörde das Projekt „Messer machen Mörder“ aus Berlin bekannt? Wenn ja, wie beurteilt sie dies und inwiefern plant sie, ein entsprechendes Projekt in Hamburg zu implementieren? Das Projekt ist der zuständigen Behörde bekannt. Eine Implementierung ist derzeit nicht beabsichtigt, da das Präventionsprogramm „Kinder- und Jugenddelinquenz“ die angesprochene Problematik bereits in geeigneter Form in Schulen thematisiert. 4. Hat die zuständige Behörde Erkenntnisse darüber, wie viele Stichwaffen seit 2015 jährlich an den Hamburger Schulen sichergestellt worden sind? Wenn ja, wie viele? 5. Hat die zuständige Behörde Erkenntnisse darüber, wie viele Jugendliche Messer in ihrem Alltag mitführen? Statistiken im Sinne der Fragestellungen werden bei der Polizei nicht geführt. Zur Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung von mehreren Hunderttausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Bei der Behörde für Schule und Berufsbildung werden entsprechende Daten nicht erfasst und können daher auch rückwirkend nicht ausgewertet werden. 6. Ist dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde bekannt, wie viele Opfer mit Stichverletzungen seit 2015 jährlich in Hamburger Kliniken eingewiesen wurden? Wenn ja, wie viele? Nein. 7. Bremen und Niedersachen starteten im Mai 2019 eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Waffengesetzes. Kommunen soll es erleichtert werden, Waffenverbotszonen einzurichten. Ziel dieser Initiative ist es, Waffenverbotszonen auch da einrichten zu können, wo bisher nichts passierte, das heißt das Erfordernis von Kriminalitätsschwerpunkten entfallen zu lassen. a. Wie beurteilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Vorstoß aus Bremen und Niedersachen, die Möglichkeit zu schaffen, Waffenverbotszonen leichter einzurichten? Bitte konkret begründen. b. Bestehen seitens der zuständigen Behörden ansonsten Überlegungen zur Verschärfung des Waffenrechts? Falls ja, welche? Die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung Waffenverbotszonen an Orten einzurichten, an denen wiederholt erhebliche Straftaten gegen Personen oder unter Einsatz von Waffen begangen wurden, besteht für die Landesregierungen gemäß § 42 Absatz 5 WaffG bereits nach derzeitiger Rechtslage. Hamburg hat auf dieser Grundlage mit der Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen auf der Reeperbahn und dem Hansaplatz (jeweils einschließlich bestimmter Nebenstraßen ) das Führen von Waffen und gefährlichen Gegenständen auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen verboten. Für die Einrichtung weiterer Gebiete liegen die Voraussetzungen gem. § 42 (5) WaffG derzeit nicht vor. Erweiterungen waffenrechtlicher Einschränkungen sind abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung und praktischen Umsetzbarkeit zu bewerten und mit den damit verbundenen Auswirkungen auf die Betroffenen abzuwägen, die solche Gegenstände aus begründeten Anlässen mitführen.