BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18564 21. Wahlperiode 15.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 07.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Neue ExpressBus-Linie X35 – Neue Probleme für Menschen mit eingeschränkter Mobilität? Die SchnellBus-Linie 35 (Rahlstedt-Ost - Hamburg Messe) soll, wie in Anlage B der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 27.08.2019, Drs. 21/18148, bekannt gegeben wurde, durch die „ExpressBus-Linie X35“ ersetzt werden. Dadurch soll es zwischen Rathausmarkt und Jenfeld zu einer neuen Streckenführung kommen. Statt über die Mönckebergstraße wird die neue Linie über die Steinstraße führen. Nach dem ZOB soll die X35 statt über den Steindamm, die Lübecker Straße und die Wandsbeker Chaussee über U/S Berliner Tor, die Borgfelder Straße, U Burgstraße, den Sievekingdamm und die Sievekingsallee geführt werden. Ab der Rodigallee verkehrt die Linie wieder wie der bisherige SchnellBus 35. Diese neue Ausrichtung der Linie macht vor dem Hintergrund der Stauhauptstadt Hamburg Grund zur Sorge. Vor allem beim Durchfahren der Sievekingsallee kann der Bus seinem Namen nur schwer gerecht werden. Zudem plant der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, die Berlinertordammbrücke , über die die X35 fahren soll, komplett abzubrechen und neuzubauen , was in der viele Monate währenden Bauzeit weitere Verkehrsstockungen und massive Verspätungen der X35 zur Folge haben wird. Besonders nachteilig ist die Umstellung der Streckenführung für mobilitätseingeschränkte Menschen. Auch die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen äußert deutliche Kritik an der Abschaffung des SchnellBusses 35. Menschen mit Behinderung müssten nun auf vielen Relationen (mehrfach) umsteigen und dadurch deutlich mehr Zeit einplanen, um an ihr Ziel zu kommen. Schon weil manche Stationen der U-Bahnen U1 und U3 zwischen Wandsbek Markt und der Innenstadt noch nicht barrierefrei ausgebaut sind und es bis zur beabsichtigten Einstellung des SchnellBusses 35 am 15.12.2019 auch nicht sein werden – insbesondere sind hier die Haltestellen Jungfernstieg und Steinstraße der U1 und die Haltestellen Rathaus und Mönckebergstraße der U3 zu nennen –, sollte es, anders als vom Senat angenommen, weiterhin eine zu den U-Bahnen parallel laufende Buslinie 35 mit den bewährten behindertengerechten SchnellBus-Fahrzeugen geben. Aber auch dort, wo für mobilitätseinschränkte Menschen die technische Möglichkeit besteht, Schnellbahnen anstelle des SchnellBusses 35 zu benutzen, stellte der Zwang, dies zu tun, eine Verschlechterung der Verkehrsverbindung dar. Zwar ist es unstreitig, dass Einrichtungen wie Aufzüge, Bahnsteig (teil)erhöhungen und so weiter mobilitätseingeschränkten Menschen über- Drucksache 21/18564 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 haupt erst dazu verhelfen, mit Schnellbahnen fahren zu können, und deshalb unverzichtbar sind. Doch Tatsache ist auch, dass bei der Benutzung des ÖPNV jeder (zusätzliche) Umstieg und jede (zusätzliche) Benutzung eines Aufzugs eine Erschwernis bedeuten. Eben um den Fahrgästen solche Erschwernisse zu ersparen, verkehren in Hamburg manche Buslinien parallel zu vorhandenen Schnellbahnen; man denke etwa an den StadtBus 142 zwischen S Heimfeld und Bf. Harburg oder an den StadtBus 133 zwischen U Steinfurther Allee und U Billstedt. So bietet der SchnellBus 35 – als eines von Dutzenden gleichartigen Beispielen – eine umsteigefreie Verbindung zwischen der Asklepios Klinik Wandsbek und U Ritterstraße. Zukünftig müsste man von der Klinik mit dem MetroBus 10 bis U Wandsbek Markt fahren und dort in die U1 nach Ritterstraße umsteigen; erforderlich würden also ein Umstieg und die Benutzung von insgesamt drei Aufzügen. Ganz ähnlich etwa die Relation Bf. Wandsbek - U Wartenau: bisher umsteigefrei mit dem SchnellBus 35, zukünftig ein Umstieg vom Bus zur U-Bahn und die Benutzung von insgesamt drei Aufzügen. Und nicht zuletzt stellt einzig der SchnellBus 35 eine Verbindung von Rahlstedt- Ost, Hohenhorst und Jenfeld zum Flughafen und umgekehrt auf kurzem Weg mit nur einmaligem Umsteigen (in U/S Wandsbeker Chaussee) her; zukünftig wären mindestens zwei Umstiege notwendig. Daher rät die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen zu einer Beibehaltung der SchnellBus-Linie 35 in ihrer alten Form. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat arbeitet konsequent daran den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu verbessern, weiter zu entwickeln und auszubauen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 wurden durch die sogenannte Angebotsoffensive I bereits erhebliche Kapazitätsausweitungen und Taktverdichtungen im gesamten U-Bahn- und S-Bahn- Netz und auf vielen Buslinien, sowie umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt . Nunmehr soll die „Angebotsoffensive II“ einen weiteren Baustein auf dem Weg zu einem Hamburg-Takt bilden. Auch wird damit ein Paradigmenwechsel im ÖPNV- Ausbau vorgenommen, nicht nur auf die Nachfrage zu reagieren, sondern erhebliche zusätzliche Angebote zu schaffen, die zum Umsteigen animieren sollen. Insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personen stellen die neuen ExpressBus-Linien ein wichtiges Angebot dar, weil sie dort, wo keine Schnellbahnlinien verkehren, schnelle weiträumige Busverbindungen schaffen. Bereits im Rahmen der Drs. 21/12397 hatte der Senat angekündigt, dass mit fortschreitendem barrierefreien Ausbau das Schnellbusangebot angepasst werden würde. Dies ist nun beim Schnellbus 35 möglich, da zum nächsten Fahrplanwechsel alle Haltestellen in dem Bereich Wandsbek-Markt bis Hauptbahnhof barrierefrei sein werden. Mit der U1 wird den in der Mobilität eingeschränkten Personen eine schnelle und zuverlässigere Verbindung in die Innenstadt ermöglicht. Im Zuge der Fortentwicklung des Busnetzes wurde überdies die ExpressBus-Linie X35 entwickelt, welche einen großen Teil der bisher vorhandenen Verbindungen (hauptsächlich aus Rahlstedt und Jenfeld umsteigefrei in die Innenstadt sowie zum Jenfeld-Zentrum) erhält und zusätzliches Fahrgastpotenzial erschließen wird. Für die Hauptzielgruppe der heutigen Fahrgäste der Linie 35 mit Wohnort in Rahlstedt-Ost, Hohenhorst und Jenfeld ergeben sich durch die Einführung der Linie X35 bezüglich der Erreichbarkeit der Innenstadt nur wenige Änderungen: Die Haltestelle U Rathaus bleibt gleichwertig erreichbar, für Fahrgäste mit Ziel U Steinstraße erhält der X35 sogar eine dichter gelegene Haltestelle. Zusätzlich entsteht eine Haltestelle am Berliner Tor. Die Haltestellen U/S Jungfernstieg und U Mönckebergstraße werden auch bisher nicht direkt durch die Linie 35 angebunden. Generell sollen Fahrgästen bequeme, umsteigefreie Verbindungen angeboten werden . Insoweit ergibt sich auch kein Widerspruch zur parallelen Führung von StadtBus- Linien zu Schnellbahnstrecken: Die Linienführung der Linien 142 und 133 ist entspre- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18564 3 chend dem Charakter von StadtBus-Linien beispielsweise gewählt worden, um die zwischen den bedienten Schnellbahnhaltestellen liegenden Wohn- und Universitätsquartiere zu erschließen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) sowie der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) wie folgt: 1. a) Wann wurde die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen vom Senat/der zuständigen Fachbehörde gemäß § 13 Absatz 3 HmbGGbM an den Planungen betreffend die Einstellung des SchnellBusses 35 beteiligt (bitte Datum angeben)? b) Seit wann sind dem Senat/der zuständigen Fachbehörde die Einwände der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen bekannt (bitte Datum angeben)? 2. Wie geht der Senat/die zuständige Fachbehörde mit den Einwänden der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen um? Haben die Einwände noch einen planerischen Einfluss auf die beabsichtigte Einstellung der SchnellBus-Linie 35? Wenn ja: welchen? Wenn nein: warum nicht? Die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen hat am 26. August 2019 von den sich aus der Anlage B der Drs. 21/18148 ergebenden Maßnahmen zum Fahrplanwechsel Kenntnis genommen und am selben Tag mitgeteilt, dass sie die dort unter anderem vorgesehene Einstellung der SchnellBus-Linie 35 ablehne, da sie teilweise nachteilige Auswirkungen für mobilitätseingeschränkte Menschen habe. Die genannte Drucksache wurde am 27. August 2019 vom Senat in unveränderter Form beschlossen. Linienwegsänderungen oder die Neuverknüpfung von Linienästen können dazu führen, dass bislang umsteigefreie Verbindungen entfallen und dafür andere Verbindungen umsteigefrei werden. Daher werden entsprechende Maßnahmen sorgsam abgewogen. Der Senat verfolgt das Ziel, attraktive Verbindungen für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste anzubieten. Allerdings steht eine Auffächerung des Angebots in viele Linien mit gelegentlich umsteigefreien Verbindungen im Widerspruch zur Transparenz und Begreifbarkeit des Angebots. Zusätzliche Umstiege stellen zweifelsohne eine größere Erschwernis für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste dar. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Warum plant der Senat/die zuständige Fachbehörde, eine ExpressBus- Linie durch eine Straße Hamburgs (Sievekingsallee) mit der bekanntlich nahezu höchsten Stauentwicklung der Stadt fahren zu lassen? Die Führung der Linie durch die Sievekingsallee ist auch im belasteten Straßennetz die schnellste Verbindung zwischen Rahlstedt und dem Hauptbahnhof. Eine alternative Führung über Wandsbeker Chaussee und Lübecker Straße würde zu einer Verlängerung der Fahrzeit führen, was auf eine vergleichbare Verkehrsbelastung auf diesen beiden Straßen zurückzuführen ist. Darüber hinaus schafft die Linie X35 neue Querverbindungen und erschließt Räume, die bisher nicht über umsteigefreie, schnelle Verbindungen des ÖPNV in Richtung Innenstadt verfügen. Dabei wird die Linie X35 bewusst nicht in Bündelung mit der U-Bahn-Linie 1 geführt, um eine barrierefreie Doppelerschließung wie bisher durch die SchnellBus-Linie 35 zu vermeiden und neue barrierefreie Verbindungen zu schaffen. 4. a) Trifft es zu, dass weder die von der Hamburger Verkehrsverbund GmbH eingesetzten Fahrgastzähler und -befrager noch die in den Bussen der Hamburger Hochbahn AG installierten automatischen Fahrgastzählsysteme registrieren, ob ein Fahrgast einen Rollstuhl oder einen Rollator benutzt, blind oder sehbehindert ist, an Krücken Drucksache 21/18564 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 oder am Stock geht oder in sonstiger Weise mobilitätseingeschränkt ist, zum Beispiel durch einen mitgeführten Kinderwagen oder schweres Gepäck? b) Wenn ja zu 4. a): Teilt der Senat meine Einschätzung, dass unter solchen Umständen die zuständige Fachbehörde und die Hamburger Verkehrsverbund GmbH keine fundierte Aussage des Inhalts treffen können, von einer Einstellung des SchnellBusses 35 seien nur „wenige“ mobilitätseingeschränkte Menschen nachteilig betroffen ? Wenn nein: warum nicht? Die in den Bussen der HOCHBAHN eingesetzten automatischen Fahrgastzählsysteme sollen in erster Linie Erkenntnisse zur Auslastung der Busse ermöglichen. Sie registrieren nur Fahrgäste ab einer Größe von 1 m. Rollstühle, Rollatoren, Krücken, Stöcke sowie gelbe Armbinden mit Punkten oder Blindenbrillen werden nicht erkannt. Ebenso können Kinderwagen und schweres Gepäck nicht als solches erkannt werden . Das Zählpersonal des HVV kann beauftragt werden, Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen zu erfassen. Davon wird Gebrauch gemacht, wenn die hohe Zahl mitgeführter Gegenstände und Mobilitätshilfen einen bestimmenden Faktor für die Fahrzeugkapazität darstellt. Durch die Befragungen des HVV sowie die gesetzliche Schwerbehindertenerhebung wird regelmäßig festgestellt, welcher Anteil der Fahrgäste einen Schwerbehindertenausweis als Fahrkarte nutzt. Auch wenn dadurch nicht alle körperlichen Einschränkungen erfasst werden, gibt dieser Anteil an Fahrgästen, die einen Schwerbehindertenausweis als Fahrkarte nutzen, einen hinreichenden Hinweis zur Beurteilung der Betroffenheiten mobilitätseingeschränkter Fahrgäste durch bestimmte Angebote. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/12397. 5. a) Gibt es im Senat/in der zuständigen Fachbehörde Befürchtungen, die Hamburger Hochbahn AG verfüge nicht über genügend Fahrpersonal , um neben der ExpressBus-Linie X35 auch weiterhin den SchnellBus 35 zu betreiben? b) Wenn ja zu 5. a): Welche konkreten Anhaltspunkte hat der Senat/ die zuständige Fachbehörde für die Annahme, die Nachfrage nach der neuen X35 werde vom ersten Tag an so groß sein, dass der für montags bis freitags geplante ganztägige Zehn-Minuten-Takt mit Gelenkbussen unerlässlich sei mit der Folge, dass eine vermittelnde Lösung – etwa ein 15-Minuten-Takt auf der X35, der genügend Fahrpersonal freisetzen würde, um den SchnellBus 35 wenigstens alle 30 Minuten verkehren zu lassen – auf keinen Fall in Betracht komme? Die HOCHBAHN orientiert sich bei der Planung des Personalbedarfs wie auch des Fahrzeugbestandes und der weiteren betrieblichen Ressourcen, wie beispielsweise Betriebshof- und Werkstattkapazitäten, an dem gemeinsam mit Aufgabenträger und HVV entwickelten Verkehrsangebot. Entsprechend sind bisher keine Ressourcen für einen Weiterbetrieb des SchnellBusses 35 über den 14. Dezember 2019 hinaus vorgesehen . Insofern stünden hierfür weder Fahrpersonal, Busse noch genügend Platz an den Endhaltestellen zur Verfügung. Kurzfristig ließen sich diese Ressourcen nur durch Verzicht auf Verkehrsleistung auf anderen Linien schaffen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.