BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18585 21. Wahlperiode 15.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus und Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 08.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Unterbringung und Zwangsbehandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger oder seelischer Behinderung Die Unterbringung von Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger oder seelischer Behinderung erfolgt in Hamburg nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG). Freiheitsentziehende Unterbringungen psychisch kranker Menschen sind im Falle akuter Selbst- oder Fremdgefährdung möglich. Auch Jugendliche, die gemäß § 35a SGB VIII betreut werden, sind betroffen. Über diese Gruppe der psychisch beeinträchtigten Kinder und Jugendlichen wird selten gesprochen , es gibt kaum Informationen, was mit ihnen passiert und ob sie adäquat untergebracht sind. Wir fragen den Senat: Für die Gewährung von Maßnahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem sechsten Kapitel des SGB XII ist das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung nicht maßgeblich. Stattdessen ist für eine Leistungsgewährung ausschlaggebend , ob ein Mensch dem Personenkreis nach § 53 SGB XII zugehörig ist, also ob eine (seelische) Behinderung vorliegt. Grundsätzlich ist zwischen zwei rechtlichen Arten der Unterbringung zu unterscheiden : 1. die zivilrechtliche nach § 1906 BGB sowie bei Minderjährigen nach § 1631b BGB zum Wohl eines Betreuten oder Minderjährigen; 2. die öffentlich-rechtliche wegen einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nach den Gesetzen für psychisch Kranke der einzelnen Bundesländer, in Hamburg dem Hamburgischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG). Betreuungsrechtliche beziehungsweise zivilrechtliche Unterbringungen nach § 1906 Absatz 1 und 2 BGB können Zwangseinweisungen bewirken, wenn eine rechtliche Betreuung zugrunde liegt. Der Betroffene wird dann mit Genehmigung des Betreuungsgerichts von seinem Betreuer untergebracht. Zudem ist in § 1906 Absatz 4 BGB Entsprechendes geregelt, wenn der betreuten Person, die sich in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, durch mechanische Vorrichtungen , Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. Freiheitsentziehende Maßnahmen liegen somit nicht im Ermessen der Beschäftigten in den Einrichtungen, sondern werden richterlich angeordnet. Die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaß- Drucksache 21/18585 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nahme nach § 1906a BGB Absatz 1 bedarf ebenfalls der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 1906a Absatz 2 BGB). Sofort wirksame Zwangseinweisungen erfolgen fast immer öffentlich-rechtlich nach dem im jeweiligen Bundesland bestehenden Landesgesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke, in Hamburg dem Hamburgischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG). Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung sind an die im HmbPsychKG formulierten Voraussetzungen und Bestimmungen gebunden. Unterbringungen nach BGB werden in Hamburg je nach Hilfe- und Behandlungsbedarf sowie unter Berücksichtigung des Alters der betroffenen Person entweder in Krankenhäusern oder Einrichtungen der Pflege, Eingliederungshilfe oder Jugendhilfe durchgeführt. Unterbringungen nach HmbPsychKG werden in Hamburg ausschließlich in zu diesem Zweck beliehenen Krankenhäusern sowie dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) durchgeführt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Krankenhäuser mit Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie wie folgt: 1. Wie viele stationäre oder teilstationäre Einrichtungen zur Behandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 des BGB beziehungsweise nach Unterbringungsgesetz ) gibt es in Hamburg? (Bitte aufgeschlüsselt nach Bezirken darstellen.) Die Anzahl der Krankenhäuser und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für (seelisch ) behinderte Menschen beziehungsweise Pflege, in denen Personen mittels richterlichem Beschluss untergebracht sind, ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen: Bezirk Krankenhäuser mit (bei Bedarf zeitweise ) geschlossen geführten Stationen bzw. Stationsbereichen Stationäre Einrichtungen mit geschützten (geschlossenen) Wohnbereichen der Eingliederungshilfe der Pflege Hamburg-Mitte 0 0 0 Altona 1 0 0 Eimsbüttel 1 0 0 Hamburg-Nord 5 1 2 Wandsbek 2 0 2 Bergedorf 1 0 0 Harburg 2 0 0 Eine Einrichtung der Eingliederungshilfe eines Hamburger Trägers mit geschlossenen Plätzen befindet sich in Schleswig-Holstein. Darüber hinaus können auch in anderen Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege geschlossene Settings eingerichtet werden, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt. Diese Einrichtungen werden aber nicht gesondert erfasst. Für den Personenkreis der geistig behinderten Menschen gibt es in Hamburg keine geschlossenen Einrichtungen. Kommt es bei Menschen dieses Personenkreises, die in einer offen geführten stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe leben und betreut werden, zu einem Unterbringungsbeschluss, so wird dieser üblicherweise in der Eingliederungshilfeeinrichtung, in der der Mensch lebt, vollzogen, indem (einzelfallbezogen ) für den Zeitraum des Unterbringungsbeschlusses entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Diese Fälle werden statistisch nicht gesondert erfasst. In Hamburg gibt es keine Einrichtungen der Jugendhilfe, in denen Kinder und Jugendliche in Verbindung mit einem Beschluss nach § 1631b BGB untergebracht werden können. Teilstationäre Bereiche werden ausschließlich offen geführt. 2. Wie viele Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger oder seelischer Behinderung sind in Hamburg untergebracht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18585 3 3. Wie viele davon sind unter 18 Jahre und wie viele sind zwischen 18 und 21 Jahren? Am Stichtag 14.10.2019 waren in Hamburger Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen 364 Personen untergebracht. Davon waren 12 Personen unter 18 Jahre und 9 Personen 18 bis 21 Jahre alt. Für den Bereich der Eingliederungshilfe (seelisch) behinderter Menschen liegen derzeit ausschließlich Daten zum Stichtag 30. Juni 2019 vor. Zu diesem Stichtag waren in Hamburg zehn (seelisch) behinderte Menschen auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses in einer Eingliederungshilfeeinrichtung unter Kostenträgerschaft der Stadt Hamburg untergebracht. Zuzüglich der unter der Antwort zu 1. aufgeführten Einrichtung eines Hamburger Trägers in Schleswig Holstein waren es zum genannten Stichtag 17 Menschen unter Hamburger Kostenträgerschaft. Alle diese Leistungsberechtigten waren am 30. Juni 2019 älter als 21 Jahre. 4. Wie viele dieser Einrichtungen sind geschlossene Einrichtungen? 5. Welche dieser Einrichtungen führen freiheitsentziehende Maßnahmen welcher Art durch? (Bitte aufgeschlüsselt nach Art der Maßnahmen darstellen .) Siehe Antwort zu 1. Die nach § 13a HmbPsychKG beliehenen Krankenhäuser sowie das UKE führen freiheitsentziehende Unterbringungen nach HmbPsychKG und BGB durch. Im Einzelfall kommen dort darüber hinaus in indizierten Einzelfällen gemäß den gesetzlichen Vorgaben in HmbPsychKG und BGB freiheitsentziehende Maßnahmen (insbesondere Isolierung, Fixierung, Videobeobachtung) und auch Maßnahmen nach § 16 Absatz 3 HmbPsychKG beziehungsweise § 1906a BGB zur Anwendung. Auch in den in der Antwort zu 1. aufgeführten Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege können mit entsprechender richterlicher Genehmigung freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1906 Absatz 4 BGB eingesetzt werden. 6. An wie vielen Patienten dieser Einrichtungen werden freiheitsentziehende Maßnahmen vorgenommen? Wie viele Patienten/-innen waren davon unter 18 Jahren und wie viele zwischen 18 und 21 Jahren? Die Gesamtzahl der Patientinnen und Patienten, an denen freiheitsentziehende Maßnahmen auf Grundlage von BGB beziehungsweise HmbPsychKG vorgenommen werden , wird statistisch nicht erfasst. Erfasst wird die Zahl der Fälle freiheitsentziehender Maßnahmen nach HmbPsychKG. In den nach § 13a HmbPsychKG beliehenen Krankenhäusern sowie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf kam es im Jahr 2018 in 441 Fällen zur Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen. Davon waren in fünf Fällen der Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen Personen im Alter unter 18 Jahren betroffen. Die Altersgruppe 18 bis 21 Jahre wird statistisch nicht gesondert erfasst. 7. Nach welchen Kriterien entschieden die jeweiligen Beschäftigten der Einrichtungen, ob die Voraussetzungen für eine freiheitsentziehende Maßnahme vorliegen? 8. Was für Richtlinien gibt es hierfür? Die Kriterien sind durch den Landesgesetzgeber im HmbPsychKG beziehungsweise durch den Bundesgesetzgeber im BGB vorgegeben. Die diesbezüglichen verfahrensrechtlichen Regelungen sind in den Abschnitten 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgelegt. Für die Anordnung freiheitsentziehender Unterbringung beziehungsweise den Einsatz freiheitsentziehender Maßnahmen sind fachliche Kriterien ausschlaggebend, wobei die Entscheidung zur Einleitung freiheitsentziehender Maßnahmen stets unter Einhaltung des Facharztstandards nach ärztlicher Untersuchung und Anordnung erfolgt. Freiheitsentziehende Maßnahmen kommen bei einer durch eine psychische Erkrankung bedingte akute Selbst- oder Fremdgefährdung, die nicht anderweitig abwendbar Drucksache 21/18585 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 ist (§ 9 HmbPsychKG) oder zur Abwehr eines gesundheitlichen Schadens zur Heilbehandlung nach Unterbringung durch den gesetzlichen Betreuer und richterlicher Genehmigung zur Anwendung (§1906 BGB). Bei Patientinnen und Patienten unter 18 Jahren kommen bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung, die nicht anderweitig abwendbar ist, freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Form von Auszeiten im Auszeitraum oder Festhalten über kurze Zeit (15 bis 30 Minuten) zur Anwendung, für die bei Wiederholung oder längerer Dauer durch die begleitenden Eltern eine Genehmigung beim zuständigen Familiengericht (§1631b BGB) eingeholt wird. Zur Entscheidungsfindung kommen in den Krankenhäusern die einschlägigen Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften sowie darauf beruhende hausinterne Verfahrensrichtlinien zur Anwendung. Danach ist es eine zentrale Aufgabe aller an der Behandlung von Patientinnen und Patienten beteiligten Personen, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Selbstbestimmungsfähigkeit der Betroffenen zu fördern beziehungsweise wiederherzustellen. Fachliche Orientierung geben hier unter anderem die S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ (DGPPN), die S3-Leitlinie „Schizophrenie“ (DGPPN), die S2k-Leitlinie „Suizidalität im Kindes- und Jugendalter“ (AWMF) sowie die S3-Leitlinie „Störungen des Sozialverhaltens: Empfehlungen zur Versorgung und Behandlung“ (AWMF). Neben regelmäßigen klinikinternen Fortbildungen finden auch klinikinterne Deeskalations - und Fixierungsschulungen der Mitarbeiter statt, wobei das tägliche klinische Handeln auf Reduktion und Vermeidung von Zwang ausgerichtet ist. Letzteres gilt auch für die Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege, die in Hamburg dabei fachlich durch die Beratungsstelle „Pflege ohne Zwang“ des Fachamtes für Hilfen nach dem Betreuungsgesetz unterstützt werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Wie wird die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen dokumentiert ? Die Krankenhäuser dokumentieren die in jedem Einzelfall zur Anwendung gekommenen Zwangsmaßnahmen gemäß den Vorgaben des Gesetzgebers. Fixierungen, Isolierungen und Videobeobachtung werden minutengenau auf gesonderten Anordnungsbögen beziehungsweise gesonderten Protokollen dokumentiert. Jegliche Dokumente, die in Zusammenhang mit den freiheitsentziehenden Maßnahmen stehen , sind Teil der Patientenakte. Bei Wohn- und Betreuungsformen im Sinne des § 2 Hamburgischen Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetzes (HmbWBG) erfolgt die Dokumentation gemäß den Vorgaben der §§ 17, 19a, 24 und 28 HmbWBG. 10. Wie werden die Qualitätsstandards der Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger oder seelischer Behinderung in Hamburg überprüft? 11. Wie oft werden diese Qualitätsstandards angepasst? Und wann wurden sie das letzte Mal angepasst? „Qualitätsstandards der Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger oder seelischer Behinderung“ sind dem Senat nicht bekannt. Für Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden Qualitätsstandards vereinbart. Diese werden mit Hilfe von jährlich vorzulegenden Qualitätssicherungsberichten überprüft. 12. Wie oft beziehungsweise in welchen Zeitabständen werden die Einrichtungen zur Behandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger und seelischer Behinderung von den Aufsichtsbehörden kontrolliert ? 13. Gibt es hier Vorgaben? Falls ja, wie gestalten sich diese? Falls nein, warum nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18585 5 Im Rahmen der Aufsicht nach § 13a Absatz 3 HmbPsychKG besucht die für die Aufsicht über die beliehenen Krankenhäuser zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz einmal jährlich die Krankenhäuser, in denen Unterbringungen durchgeführt werden. Darüber hinaus erfolgen bei Bedarf anlassbezogene Besuche. Die Aufsichtskommission nach § 23 HmbPsychKG besucht jährlich mindestens einmal , in der Regel unangemeldet, Krankenhäuser oder sonstige Einrichtungen, in denen Personen nach diesem Gesetz oder wegen einer psychischen Krankheit durch ihren gesetzlichen Vertreter untergebracht sind und überprüft, ob die mit der Unterbringung von psychisch Kranken verbundenen besonderen Aufgaben erfüllt und die Rechte der untergebrachten Personen gewahrt werden. Darüber hinaus erfolgen bei Bedarf anlassbezogene Besuche. Die Vorgaben des HmbPsychKG werden durch den Beleihungsvertrag nach § 13a Absatz 2 HmbPsychKG konkretisiert. Danach unterliegen der Träger und das in dem beliehenen Krankenhaus für die Wahrnehmung dieser Aufgaben eingesetzte Personal der Fach- und Rechtsaufsicht der zuständigen Behörde. Die näheren Befugnisse der Rechts- und Fachaufsicht ergeben sich aus § 13a Absatz 3 HmbPsychKG; der Träger unterliegt demnach insbesondere dem unbeschränkten Weisungsrecht der Aufsichtsbehörde und hat sicherzustellen, dass das im Krankenhaus eingesetzte Personal etwaige Weisungen der Aufsichtsbehörde befolgt. Einrichtungen zur Betreuung von Minderjährigen bedürfen einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII. Für diese Einrichtungen ist eine örtliche Prüfung gemäß § 46 SGB VIII nach den Erfordernissen des Einzelfalls vorgesehen. Bezüglich der Einrichtungen zur Betreuung von Minderjährigen ist gemäß § 46 SGB VIII das örtliche Jugendamt an der Überprüfung zu beteiligen. Im Rahmen der Überprüfung ist die von der Behörde beauftragte Person berechtigt, die für die Einrichtung benutzten Grundstücke und Räume, soweit diese nicht einem Hausrecht der Bewohner unterliegen, während der Tageszeit zu betreten, dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen, sich mit den Kindern und Jugendlichen in Verbindung zu setzen und die Beschäftigten zu befragen. Darüber hinaus hat sich die Überprüfung auf alle Bereiche zu erstrecken, die für das Wohl der Minderjährigen in der Einrichtung relevant sind. Wohn- und Betreuungsformen im Sinne des § 2 HmbWBG unterliegen der bezirklichen Aufsicht nach HmbWBG. Die Häufigkeit der Prüfung richtet sich nach § 30 HmbWBG. 14. Wird die Indikation für die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen überprüft? Wenn ja, wie oft beziehungsweise in welchen Zeitabständen und mit welchen Ergebnissen? Gelten für Kinder, Jugendliche und Jungerwachsene die gleichen Überprüfungsrahmen? Die Überprüfung der Indikation für die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen erfolgt sowohl für volljährige als auch für minderjährige Personen gemäß den gesetzlichen Vorgaben. Für Fixierungen und Zwangsbehandlungen hat der Landesgesetzgeber Richtervorbehalte formuliert. Das BGB stellt freiheitsentziehende Unterbringung , freiheitsentziehende Maßnahmen und ärztliche Zwangsmaßnahmen unter die Voraussetzung einer richterlichen Genehmigung. 15. Besteht nach Auffassung der Regierung politischer Handlungsbedarf mit dem Ziel, den Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen für Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger oder seelischer Behinderung zu reduzieren? Wenn ja, in welcher Art und Weise plant der Senat beziehungsweise die Fachbehörde dies umzusetzen? Selbstbestimmung, Menschenwürde, Teilhabe und gleichberechtigtes Miteinander bestimmen Haltung und Aufgabenwahrnehmung in der Psychiatrie. Allein aus dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung folgt nicht, dass eine Patientin beziehungsweise ein Patient nicht selbstbestimmt entscheiden kann und darf. Bei einem kleinen Drucksache 21/18585 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Teil von psychisch schwer erkrankten Patientinnen beziehungsweise Patienten kann diese Fähigkeit jedoch zeitweilig oder langfristig eingeschränkt beziehungsweise aufgehoben sein. Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen sind nur dann ethisch vertretbar, wenn selbstbestimmungsunfähige Personen ihre eigene Gesundheit und ihr Leben (Selbstgefährdung) oder die Gesundheit und das Leben anderer Personen (Fremdgefährdung) konkret und erheblich gefährden und dies durch keine anderen Maßnahmen – wie insbesondere durch ernsthafte Versuche, die Patientin beziehungsweise den Patienten von der Gefährlichkeit ihres/seines Verhaltens und ihrer/seiner Behandlungsbedürftigkeit zu überzeugen – abgewendet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat es dementsprechend vom Vorhandensein oder Fehlen der Selbstbestimmungsfähigkeit abhängig gemacht, ob bei einer Person Maßnahmen oder Behandlungen zur Abwehr erheblichen gesundheitlichen Schadens gegen ihren „natürlichen Willen“ grundsätzlich durchgeführt werden dürfen. Es hat in seinem Beschluss vom 26. Juli 2016 (1BvL 8/15) festgestellt, dass sich aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) die Schutzpflicht des Staates ergibt, für nicht einsichtsfähige Personen bei drohenden erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter strengen Voraussetzungen eine ärztliche Zwangsbehandlung als letztes Mittel vorzusehen. Danach ist ein uneingeschränktes Verbot von Zwangsmaßnahmen in Fällen, in denen die betreffende Person im Zustand fehlender Einsichtsfähigkeit in erheblicher Weise sich selbst oder andere gefährdet, nicht mit der Schutzpflicht des Staates aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG vereinbar. Entsprechende Regelungen sind in Hamburg nach Änderung des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten – HmbPsychKG – (Drs. 20/7964) am 01.10.2013 in Kraft getreten und bewähren sich in der klinischen Praxis. Bezüglich eines weiteren Teilaspektes von Zwang entschied das Bundesverfassungsgericht zuletzt mit Urteil vom 24.07.2018 (2 BvR 309/15; 2 BvR 502/16), dass sowohl 5-Punkt- als auch 7-Punkt-Fixierungen von nicht nur kurzfristiger Dauer richterlich genehmigt und dokumentiert werden müssen. Dem höchstrichterlichen Hinweis auf den sich aus Artikel 104 Absatz 2 Satz 4 GG ergebenden Regelungsauftrag, der den Gesetzgeber verpflichtet, den Richtervorbehalt verfahrensrechtlich auszugestalten, um den Besonderheiten der unterschiedlichen Anwendungszusammenhänge gerecht zu werden, haben Senat und Bürgerschaft mit dem Gesetz zur Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an Fixierungen sowie zur Änderung weiterer gesundheitsrechtlicher Vorschriften vom 17.12.2018 (Drs. 21/14828) entsprochen. Mit den dadurch vorgenommenen Änderungen unter anderem im HmbPsychKG erfüllt Hamburg als eines der ersten Bundesländer die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts . Rechtliche Vorgaben und gesicherte Verfahren mindern nicht die Erheblichkeit von Zwangsmaßnahmen als Eingriffe in die körperliche und seelische Unversehrtheit sowie in die Freiheit und Autonomie des Menschen. Ziel eines jeden psychiatrischen Versorgungsangebotes muss somit sein, möglichst ohne Zwangsmaßnahmen auszukommen . Angesichts dieser Maßgabe begrüßt der Senat die Einführung des sogenannten Safewards-Modells in Hamburger Krankenhäusern, welches einen evidenzbasierten und praxisorientierten Ansatz zur Reduktion von Konflikten in deren Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie bietet. Zudem verlangen alle Hamburger Plankrankenhäuser mit Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die verbindliche und regelhafte Teilnahme an Schulungen und Trainings in Deeskalationsverfahren . In der Erkenntnis, dass auch die räumliche Situation Einfluss auf das Entstehen beziehungsweise Vermeiden von Krisen und Konflikten in der Psychiatrie hat, unterstützt und fördert der Senat zudem die strukturelle und bauliche Weiterentwicklung der psychiatrischen Fachabteilungen Hamburger Krankenhäuser. Im Übrigen siehe Vorbemerkung, Antwort zu 7. und zu 8. sowie Drs. 21/16437.