BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18602 21. Wahlperiode 15.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 09.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Antisemitismusprävention – Was tut der Senat? Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist im Jahr 2018 deutlich angestiegen . Es wurden 74 Taten verzeichnet, im Vorjahr waren es noch 44 Taten.1 2016 wurden 35 antisemitischen Straftaten gezählt, 2013 waren es 28 Taten. Mit 51 der 74 Straftaten wurden im vergangenen Jahr die mit Abstand meisten einem rechten Täterspektrum zugeordnet. Zwei Fälle wurden als linksmotiviert , zwei weitere im Bereich „ausländische Ideologie“ eingestuft. Die Kriterien „ausländische und religiöse Ideologie“ werden erst seit 2017 gesondert in der Statistik erfasst. Nicht erfasst wird hingegen die Religionszugehörigkeit der Täter und der Senat weiß auch nicht, welche Orte von jüdischen Bürgern aus Furcht vor Übergriffen gemieden werden. Nach einer Antisemitismus- Umfrage der EU-Agentur meide bereits jeder zweite Jude in Deutschland bestimmte Gegenden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat verurteilt jeden Angriff auf jüdisches Leben auf das Schärfste und positioniert sich ausdrücklich gegen jede Form menschenverachtender Einstellungen und damit auch gegen die Abwertung von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern – unabhängig von der Person oder Personengruppe, von der der Antisemitismus ausgeht. Den Opfern des Anschlages auf die Synagoge in Halle und ihren Angehörigen gegenüber drückt der Senat sein tiefstes Bedauern aus. Die Prävention von Antisemitismus ist bereits im Landesprogramm zur Förderung demokratischer Kultur, Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus „Hamburg – Stadt mit Courage“ (Drs. 20/9849 vom 5.11.2013) verankert. Auch im weiterentwickelten Senatskonzept „Hamburg – Stadt mit Courage“ – Landesprogramm zur Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus 2019 (siehe Drs. 21/18643) wird die Prävention von Antisemitismus aufgegriffen. So hat der Senat am 17. Juni 2019 der Fachtag „Antisemitismus – erkennen und begegnen!“ mit 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wissenschaft, Praxis, Verwaltung und Politik veranstaltet. Aufgrund der aktuellen Entwicklung einer deutlich zunehmenden Bedeutung des Phänomens Antisemitismus, entwickelt der Senat zudem im Dialog mit den jüdischen Gemeinden und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen eine eigenständige Landesstrategie zur Prävention von Antisemitismus. Analog zu den anderen Präventionsstrategien des Senats wird auch hier die fachliche Verantwortung der unterschiedlichen Ressorts (unter anderem frühkindliche Bildung, Schule, Hochschule) dargestellt werden. Die Planungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe auch Drs. 21/15617. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/15617 vom 08.01.2019. Drucksache 21/18602 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie oft und an welchen Orten wurden jüdische Bürger in Hamburg seit Januar 2017 bis Oktober 2019 belästigt oder angegriffen? Aus welchen Quellen hat der Senat diese Erkenntnisse? 2. Inwieweit hat der Senat Kenntnisse über Orte, Plätze oder Gegenden, die von Bürgern mit jüdischem Glauben in Hamburg gemieden werden? a. Wenn ja, an welchen Orten, Plätzen und Gegenden in Hamburg ist dies in der Regel der Fall? Bitte nach Stadtteilen und Bezirken darstellen . b. Wenn ja, aus welchen Untersuchungen ergeben sich diese Erkenntnisse? c. Wenn nein, was unternimmt der Senat, um zukünftig an entsprechende Erkenntnisse zu gelangen? Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Gesamtzahl der antisemitischen Straftaten in Hamburg im Zeitraum 2017 bis Oktober 2019. Antisemitische Straftaten 2017 2018 2019* gesamt 44 77 26 davon PMK -links- - 1 0 davon PMK -rechts- 41 54 25 davon PMK -sonstige/nicht zuzuordnen- - 1 1 davon Politisch motivierte Ausländerkriminalität (PMAK) entfällt davon PMK -ausländische Ideologie- - 3 0 davon PMK -religiöse Ideologie- 3 18 0 * Stand 10.10.2019 – vorläufige Zahlen Dabei ist den Sicherheitsbehörden bewusst, dass die Zahl registrierter Straftaten regelmäßig nur einen Ausschnitt der tatsächlichen oder empfundenen Situation abbildet. Insbesondere werden das Dunkelfeld nicht angezeigter Straftaten sowie Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, die das Sicherheitsgefühl gleichwohl erheblich beeinflussen können, nicht abgebildet. Im Übrigen siehe Drs. 21/15617 und Vorbemerkung. 3. Wie plant der Senat bessere Daten zur Auswertung antisemitischer Angriffe zu erhalten? Sollen konkrete Angaben zu Ort und Zeit in die Kriminaltaktische Anfrage (KTA) aufgenommen werden? Warum ist bisher die Religionszugehörigkeit der Täter nicht erfasst? Die erfragte Kriminalstatische Anfrage (KTA) ist Bestandteil der bundeseinheitlichen Regelungen und Dokumente des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch Motivierte Kriminalität (KPMD PMK) und kann daher nur in Abstimmung des Bundes und der Länder in den zuständigen Gremien der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren geändert werden. Neue Entwicklungen in den Phänomenbereichen der PMK und der Hasskriminalität führen regelmäßig zu einer Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Erfassungskriterien des KPMD-PMK. Die KTA enthält bereits jetzt ein Datenfeld für Religionszugehörigkeit, doch sind Tatverdächtige zu der Angabe nicht verpflichtet und Eintragungen erfolgen daher nur unregelmäßig. Ungeachtet dessen beträfe angesichts des oben genannten Dunkelfeldes nicht angezeigter Straftaten und der Vielfalt möglicher antisemitischer Szenarien auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle jede weitere Änderung im KPMD PMK immer nur einen Ausschnitt der Lage. 4. Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um antisemitische Übergriffen und Belästigungen gegenüber jüdischen Bürgern an bestimmten Orten, Plätzen und Gegenden entgegenzuwirken? Welche weiteren Maßnahmen sollen in welchem Zeitraum umgesetzt werden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18602 3 Die Polizei bewertet fortlaufend die Gefährdung von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern , Einrichtungen und Veranstaltungen mit jüdischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern . Sollte es aufgrund von aktuellen Entwicklungen oder anderweitigen Erkenntnissen Hinweise auf eine Gefährdung geben, werden entsprechende polizeiliche Maßnahmen veranlasst. Zum Schutz jüdischer Einrichtungen in Hamburg hat der Senat zuletzt unter anderem mit Drs. 21/14021 und 21/15978 berichtet. Im Übrigen betrifft die Fragestellung die Einsatztaktik der Polizei zu der aus grundsätzlichen Erwägungen keine Angaben gemacht werden. 5. Welche konkreten Präventivprogramme gibt es und welche Erfolge hat der Senat seit Bestehen der Programme vorzuweisen? An welchen Stellen muss es Verbesserungsbedarfe geben und wie sehen dazu die Planungen bis 2020 aus? 6. Wie und in welchem Umfang wird Antisemitismusprävention im Rahmen des Fachunterrichts an Hamburgs Schulen vermittelt? Wie und in welchem Umfang wird Antisemitismusprävention über den Fachunterricht im engeren Sinne, zum Beispiel durch den Besuch von außerschulischen Lernorten, vermittelt? 7. Wie und in welchem Umfang wird Antisemitismusprävention an Hamburgs Hochschulen vermittelt? Wie und in welchem Umfang wird Antisemitismusprävention über die Vorlesungen hinaus, zum Beispiel durch den Besuch von Lernorten, vermittelt? Siehe Vorbemerkung.