BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18621 21. Wahlperiode 18.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 10.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Inanspruchnahme der „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ – Wie ist der aktuelle Stand? Menschen, die als Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe beziehungsweise in stationären psychiatrischen Einrichtungen Unrecht und Leid erlitten haben, soll geholfen werden. Dazu wurde am 1. Januar 2017 in Hamburg ein Hilfesystem eingerichtet, welches von der „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ den Betroffenen eine pauschale Anerkennungs - und Unterstützungsleistung anbietet.1 Bei der Stiftung handelt es sich um eine nichtrechtsfähige, gemeinnützige Stiftung des Privatrechts in der Sonderform der Verbrauchsstiftung unter der Trägerschaft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BAMS), des Ministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Kirchen.2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Stiftung Anerkennung und Hilfe wurde zum 1. Januar 2017 von Bund, Ländern und Kirchen errichtet. Das Stiftungsvermögen beträgt für die Gesamtlaufzeit 288 Millionen Euro (Bund: 132,2 Millionen Euro, Länder: 99,4 Millionen Euro, Kirchen: 56,4 Millionen Euro). Die vereinbarten Raten werden von den Errichtern in regelhaften Ratenzahlungen an die Stiftung bis zum Ende der Laufzeit überwiesen. Bei der Errichtung der Stiftung wurde geschätzt, dass 244,1 Millionen Euro für die Unterstützungsleistungen und 43,9 Millionen Euro für die Personal- und Sachkosten der Anlauf- und Beratungsstellen, der Geschäftsstelle, für die wissenschaftliche Aufarbeitung und öffentliche Anerkennung sowie für sonstige Aufwendungen veranschlagt werden. Anspruchsberechtigt für die Stiftung Anerkennung und Hilfe sind Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in der Zeit von 1949 bis 1975 (im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) beziehungsweise 1949 bis 1990 (im Gebiet der DDR) in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe beziehungsweise in stationären psychiatrischen Einrichtungen Leid und Unrecht erlitten haben. Menschen, die nach diesem Zeitraum dauerhafte Schädigungen erlitten haben, können Ansprüche auf Entschädigung im Rahmen des Opferentschädigungsrechts geltend machen. Die Stiftung Anerkennung und Hilfe erkennt das Leid und Unrecht öffentlich und individuell an. Die öffentliche Anerkennung erfolgt durch diverse Veranstaltungen und Maßnahmen der Errichter (siehe auch www.stiftung-anerkennung-und-hilfe.de) sowie im Rahmen einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Das Vorgehen der wissenschaftlichen Aufarbeitung und die 1 https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/ 55347/errichtung_der_stiftung_anerkennung_und_hilfe_zur_einrichtung_eines_hilfesystems _fuer_menschen_die_als_kinder_und_jugendliche_in_stationaeren_einricht.pdf. 2 Ebenda. Drucksache 21/18621 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ersten Zwischenergebnisse sind ebenfalls auf der Homepage der Stiftung Anerkennung und Hilfe veröffentlicht (http://www.stiftung-anerkennung-und-hilfe.de/DE/ Aufarbeitung/aufarbeitung.html). Die Abschlussergebnisse sollen voraussichtlich im ersten Halbjahr 2021 vorgestellt werden. Die individuelle Anerkennung erfolgt durch die finanziellen Anerkennungsleistungen und im Rahmen der Beratungsgespräche der Anlauf- und Beratungsstellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anlauf- und Beratungsstellen begleiten Betroffene durch ein persönliches Beratungsgespräch bei der Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte, unterstützen sie bei der Anmeldung der Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen der Stiftung und beraten im Hinblick auf ergänzende Angebote und Leistungen der Regelsysteme beziehungsweise anderer Hilfesysteme. Die Stellen verfügen in der Regel über pädagogisches und verwaltungserfahrenes Personal. Um eine möglichst hohe Zahl an Betroffenen zu erreichen, haben die Errichter Anfang 2019 beschlossen, die Frist zur Antragstellung bis zum 31. Dezember 2020 zu verlängern. Die Gesamtlaufzeit der Stiftung endet zum 31. Dezember 2021, um hierüber zu gewährleisten, dass die eingegangen Anträge bis dahin alle bearbeitet und die Anerkennungsleistungen auch noch in 2021 veranlasst werden können. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der Bundesgeschäftsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe wie folgt: 1. Es sei sicherzustellen, so der Senat in Drs. 21/6820, „dass es zu einer fairen Lasten- und Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern sowie der Katholischen und Evangelischen Kirche, in deren Trägerschaft sich die Mehrzahl der Einrichtungen befunden hat, kommt“. Welche Gelder fließen aus welchen Töpfen in die „Stiftung Anerkennung und Hilfe“? Der Senat hat diese Aussage in der Drs. 21/6820 nicht getroffen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Der Senat konstatiert in seiner Mitteilung an die Bürgerschaft (Drs. 21/6820) ganz richtig, dass die meisten Betroffenen in kirchlichen Einrichtungen geschädigt wurden. Müssten hier nicht die Kirchen stärker zur Verantwortung gezogen werden, um von einer „fairen Lasten- und Kostenaufteilung “ sprechen zu können? Der Senat nimmt diese Feststellung in der Drs. 21/6820 nicht vor. Im Übrigen hat sich der Senat nicht mit dieser Fragestellung befasst. 3. Wie groß ist das Stiftungsvermögen insgesamt und aktuell? Und für welche Bereiche (Anerkennung, Unterstützungsleistungen, Beratungsstellen , Geschäftsstelle, wissenschaftliche Aufarbeitung und sonstige Aufwendungen ) wurde bisher jeweils wie viel Geld ausgegeben? Bitte tabellarisch darstellen nach Monaten seit dem 1.1.2017. Zum 10. Oktober 2019 lag das aktuelle Stiftungsvermögen bei 82,4 Millionen Euro. Im Übrigen siehe Anlage 1 und Vorbemerkung. 4. Der Hamburger Anteil am Stiftungsvermögen in der Höhe von 1 588 780 Euro ist in fünf Jahresraten anzuweisen. Hat der Senat die Ratenzahlungen bisher fristgemäß angewiesen? Und warum ist die letzte Rate im Jahr 2021 fällig, wenn die Frist zur Anspruchsanmeldung bereits Ende dieses Jahres ausläuft? Ja. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Haben alle sonstigen Beteiligten, Bund und Kirchen, ihren Anteil bisher eingezahlt? Wenn nein, warum nicht? Ja. 6. „Über die Stiftung“, so ist in oben genannter Drucksache festgehalten, „soll das Leid und Unrecht öffentlich benannt und individuell anerkannt werden. Inwiefern ist dies wann konkret geschehen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18621 3 Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen zu den Veranstaltungen und Maßnahmen der öffentlichen Anerkennung in Hamburg siehe Drs. 21/16721. 7. Weiter heißt es, dass die damaligen Geschehnisse wissenschaftlich aufgearbeitet werden sollen. Inwiefern ist dies konkret mit welchem Ergebnis geschehen? Siehe Vorbemerkung. 8. Darüber hinaus soll den Betroffenen „eine pauschale Anerkennungsund Unterstützungsleistung zum selbstbestimmten Einsatz geleistet werden“. Wie viele dieser Anspruchsberechtigten haben bisher Sachleistungen (welche) und/oder monetäre Leistungen (in welcher Höhe) erhalten? Und wie stellt sich das Verhältnis zwischen Sach- und Geldleistungen dar? Handelt es sich um einmalige Leistungen oder kann ein Antragsteller auch mehrfach Leistungen beanspruchen? Bis zum 30. September 2019 wurden an 8 550 Anspruchsberechtigte Anerkennungsleistungen in Höhe von 91,8 Millionen Euro ausgezahlt. Sachleistungen werden nicht erbracht. Im Übrigen siehe Drs. 21/6820. 9. Wie viele Personen sind/waren in Hamburg anspruchsberechtigt? Bitte aufschlüsseln nach jenen, die in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe und jener, die in einer stationären psychiatrischen Einrichtung untergebracht waren, jeweils seit dem 1.1.2017. 10. Wie viele Fälle sind noch in der Bearbeitung, also noch nicht endgültig beschieden worden? 11. Wie viele Anmeldungen wurden abgelehnt und welches sind die häufigsten Gründe hierfür? Siehe Anlage 2. Im Übrigen siehe Vorbemerkung, Drs. 21/6820 sowie Drs. 21/16721. 12. Warum existiert eine Frist bis Ende 2019 für die Meldung zur Anspruchsgeltendmachung? Und denkt der Senat/die Stiftung über eine Fristverlängerung nach, sodass sich Betroffene auch noch nach dem 31. Dezember 2019 melden können? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 13. In wie vielen Fällen wurde eine Verflechtung von Psychiatrie, Heimaufsicht und praktischer Fürsorge in Form von personellen Netzwerken und durch Personalunionen (Amt in Verwaltung/Senat) festgestellt? Hiermit hat sich der Senat nicht befasst. Im Übrigen zu den Aufgaben der Anlauf- und Beratungsstellen siehe Vorbemerkung. 14. Welche Anlauf- und Beratungsstellen (inklusive der beim Versorgungsamt ) wurden wo mit wie vielen Mitarbeitern eingerichtet. Über welche beruflichen Qualifikationen verfügen diese? Die Adressen der derzeit 21 Anlauf- und Beratungsstellen sind auf der Homepage der Stiftung Anerkennung und Hilfe aufgeführt (http://www.stiftung-anerkennung-undhilfe .de/DE/Infos-fuer-Betroffene/Anlauf-und-Beratungsstellen/anlauf-undberatungsstellen .html). Die Gesamtzahl der Stellen und ihre beruflichen Qualifikationen werden statistisch nicht erfasst und konnte in der zur Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit nicht bei den anderen Bundesländern ermittelt werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/16721. 15. Am 29. August 2019 berichtete das „Hamburger Abendblatt“ von einem Sozialprojekt in Rumänien, in dem deutsche Teenager massiv misshan- Drucksache 21/18621 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 delt worden seien. Sind/waren auch Hamburger Jugendliche in Maramures im rumänischen Viseu de Sus untergebracht? Nein. 16. In welchen ausländischen Sozialprojekten sind Hamburger Kinder und Jugendliche seit 2014 untergebracht (worden)? Es sind seit 2014 keine Hamburger Kinder und Jugendliche in ausländischen Sozialprojekten untergebracht. 17. Welchen/welche Hilfsfonds gibt es, um Hamburger Anspruchsberechtigte , die nach 1975 (BRD) beziehungsweise nach 1990 (DDR) geschädigt wurden, finanziell zu unterstützen? Siehe Vorbemerkung. Za hl un ge n au s de m S tif tu ng sv e r m ög en b is z um 3 0. S ep te m be r 2 01 9 Po si tio n 20 17 20 18 20 19 (b is 3 0. S ep te m be r) 20 17 b is 3 0. S ep te m be r 2 01 9 A ne rk en nu ng s- u nd U nt er st üt zu ng sl ei st un ge n 14 .4 28 .5 00 ,0 0 € 33 .2 11 .2 50 ,0 0 € 44 .1 96 .5 00 ,0 0 € 91 .8 36 .2 50 ,0 0 € K os te n de r A nl au fun d B er at un gs st el le n 2. 14 7. 75 4, 40 € 3. 52 1. 42 0, 00 € 2. 52 3. 35 8, 14 € 8. 19 2. 53 2, 54 € K os te n de r G es ch äf ts st el le 85 0. 30 3, 35 € 66 7. 84 3, 37 € 30 6. 43 4, 91 € 1. 82 4. 58 1, 63 € K os te n fü r d ie w is se ns ch af tli ch e A uf ar be itu ng 21 .3 45 ,9 1 € 21 8. 69 5, 00 € 21 9. 17 6, 02 € 45 9. 21 6, 93 € S on st ig e A uf w en du ng en 11 9. 30 8, 58 € 65 1. 44 5, 68 € 10 5. 41 0, 29 € 87 6. 16 4, 55 € S um m e 17 .5 67 .2 12 ,2 4 € 38 .2 70 .6 54 ,0 5 € 47 .3 50 .8 79 ,3 6 € 10 3. 18 8. 74 5, 65 € Q ue lle : A us w er tu ng d er B un de sg e s ch äf ts st el le d er S tif tu ng A ne rk en nu ng u nd H ilf e Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18621 5 Anlage 1 Ü be rs ic ht d er F al lb ea rb ei tu ng d er H am bu rg er A nl au fun d B er at un gs st el le s ei t 2 01 7 Ve re in ba ru ng en Ve rs ag u n gs gr ün de Le is tu ng en Anträge Beratungen Behindertenhilfe Psychiatrie beides Außerhalb der Laufzeit; fehlende Voraussetzungen u.ä. Andere Zuständigkeit Bereits volle Leistungen aus Fonds Heimerziehung erhalten 9.000 € 3.000 € 5.000 € Abgeschlossene Fälle 16 6 19 2 38 0 25 1 18 7 52 8 5 18 5 16 77 23 7 Q ue lle : A us w er tu ng d er H a m bu rg er A nl au fun d B er at un gs st el le (S ta nd 3 0. 09 .2 01 9) Drucksache 21/18621 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Anlage 2 18621ska_Text 18621ska_Anlage 18621ska_Antwort_Anlage1 18621ska_Antwort_Anlage2