BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18634 21. Wahlperiode 18.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 10.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Aus den Ohren, aus dem Sinn? – Zur aktuellen Gefahrenlage für Hamburger Senioren und Sehbehinderte durch „leise“ Elektrofahrzeuge Die Sicherheit aller Betroffenen muss stets Maßstab jeglicher technischen Innovation sein. Dieser Grundsatz muss umso mehr für den Verkehrsbereich gelten, in dem die typischen Gefahren des Straßenverkehrs teils erhebliche Sach- und Personenschäden nach sich ziehen. Der Umstieg auf Elektroantriebe birgt jedoch noch immer die von vielen befürchtete Tendenz zum schwindenden Gefahrensignal. Viele Elektrobusse, E-Autos und E-Tretroller sind noch immer vergleichsweise geräuschlos und damit für jeden einzelnen von uns, vor allem aber für Senioren und Sehbehinderte, schwer beziehungsweise kaum noch wahrnehmbar.1 Die von der Europäischen Union als Reaktion per Verordnung2 statuierte Verpflichtung, ab Juli 2019 neue Typen von Hybridelektro- und reinen Elektrofahrzeugen und ab Juli 2021 alle neu zugelassenen Hybrid- und Elektrofahrzeuge serienmäßig mit Acoustic Vehicle Alerting Systems (AVAS), also Motorengeräuschen ähnelnden Warnsignalen , auszustatten, geht zudem nicht weit genug.3 Denn: Sie gilt bis Juli 2021 ausschließlich für Neutypen und ab diesem Zeitpunkt lediglich für alle neu zugelassenen Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Das heißt: Alle bis Juli 2019 entwickelten Hybridelektro- und Elektrofahrzeugtypen dürfen (auch bei einer Zulassung erst im Jahre 2022) weiterhin geräuschlos auf Hamburgs Straßen fahren und Gefahrenquelle sein. Parlamentarische Kontrolle ist daher geboten . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1 Vergleiche zum Beispiel: NDR.de, Sehbehinderte protestieren gegen leise E-Fahrzeuge, 10.09.2019; erhältlich unter: https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Sehbehinderteprotestieren -gegen-leise-E-Fahrzeuge,protest860.html (Stand: 10.10.2019). 2 Verordnung (EU) Nummer 540/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und von Austauschschalldämpferanlagen sowie zur Änderung der Richtlinie 2007/46/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 70/157/EWG; erhältlich unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014R0540& from=EN (Stand: 10.10.2019); Delegierte Verordnung (EU) Nummer 2017/1576 der Kommission zur Änderung der Verordnung (EU) Nummer 540/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Anforderungen an das Akustische Fahrzeug- Warnsystem (AVAS) für die EU-Typgenehmigung von Fahrzeugen; erhältlich unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R1576&from=DE (Stand: 10.10.2019). 3 Vergleiche zum Beispiel: Erneuerbar-Mobil.de, Informationsblatt zu akustischen Warnsystemen für Elektrofahrzeuge; erhältlich unter: https://www.erneuerbar-mobil.de/sites/default/ files/2018-07/Infoblatt%20AVAS.pdf (Stand: 10.10.2019). Drucksache 21/18634 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Verordnung (EU) Nummer 540/2014 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. April 2014 über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und von Austauschschalldämpferanlagen sowie zur Änderung der Richtlinie 2007/46/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 70/157/EWG richtet sich an die Fahrzeughersteller. Sie sieht in Artikel 8 vor, dass die Hersteller bis spätestens 1. Juli 2019 in neuen Typen und bis zum 1. Juli 2021 in alle Hybridelektro- und reinen Elektrofahrzeuge (Neufahrzeuge) ein Akustisches Fahrzeug-Warnsystem (Acoustic Vehicle Alerting System – AVAS) einbauen, das den Anforderungen des Anhangs VIII der Verordnung entspricht. Alle bis 1. Juli 2019 entwickelten Hybrid- und Elektrofahrzeuge dürfen, sofern sie vor dem 1. Juli 2021 in den Verkehr gebracht wurden, weiterhin auf AVAS verzichten. Alle anderen Hybrid- und Elektrofahrzeuge müssen mit AVAS ausgestattet sein. Was den Zeitpunkt der Fahrzeugzulassung betrifft, gibt es exakte Vorgaben vom Kraftfahrtbundesamt, innerhalb welcher Frist eine Erstzulassung noch möglich ist, wenn ein Neuwagen vor dem 1. Juli 2021 gefertigt wurde. Die Verpflichtung zur Ausstattung mit AVAS kann landesrechtlich nicht geregelt werden und entzieht sich damit auch einer entsprechenden Einflussnahme im Sinne landesrechtlicher Regelungen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Hybridelektro- und reine Elektrofahrzeuge jeweils welcher Typenart und jeweils welchen Baujahres sind in Hamburg aktuell insgesamt zugelassen? Bitte insgesamt und nach Hybridelektro- beziehungsweise Elektrofahrzeug, der jeweiligen Typenart und dem jeweiligen Baujahr gesondert darstellen. Übersicht der in Hamburg zugelassenen Kfz nach Antriebsart Reine Batterieelektrofahrzeuge Von außen aufladbare Hybridelektrofahrzeuge Pkw 3 366 2 040 Lkw 282 0 Kraftrad 68 3 (Stichtag: 01.10.2019; Quelle: LBV) Angaben zum Fahrzeugtypen und zum Baujahr werden statistisch nicht erfasst. Eine händische Auswertung zur Ermittlung von Fahrzeugtyp und Baujahr ist nur aufgrund konkreter Kfz-Kennzeichen oder Fahrgestellnummern möglich. 2. Wie viele Elektrotretroller sind in Hamburg aktuell insgesamt zugelassen ? Elektrotretroller bedürfen keiner Zulassung. Die zuständige Behörde führt Statistiken nur für zulassungspflichtige Fahrzeuge. 3. Wie viele der nach Ziffer 1. in Hamburg zugelassenen Hybridelektro- und Elektrofahrzeuge unterfallen der Verordnungsverpflichtung zur Ausstattung mit Acoustic Vehicle Alerting Systems aktuell insgesamt nicht? Bitte insgesamt und nach Hybridelektro- und Elektrofahrzeug gesondert darstellen . 4. Wie viele der Ziffer 3. unterfallenden Hybridelektro- und Elektrofahrzeuge können – rein technisch – mit Acoustic Vehicle Alerting Systems insgesamt nachgerüstet werden? Bitte insgesamt und nach Hybridelektround Elektrofahrzeug gesondert darstellen. 5. Haben der Senat oder die zuständige Behörde Erkenntnisse darüber, ob und inwiefern die nach Ziffer 3. nicht der Verordnungsverpflichtung unterfallenden Hybridelektro- und Elektrofahrzeuge seit ihrer jeweiligen Zulassung mit Acoustic Vehicle Alerting Systems nachgerüstet wurden? a) Wenn ja, jeweils wie viele, jeweils wann und mit jeweils welchem System? Bitte nach Jahr gesondert angeben. Bitte insgesamt und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18634 3 nach Hybridelektro- beziehungsweise Elektrofahrzeug und jeweiligem System gesondert darstellen. b) Wenn nein, aus jeweils welchen Gründen nicht? Informationen zu Acoustic Vehicle Alerting Systems (AVAS) sind nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen kein Zulassungsmerkmal und werden daher bei der Zulassung von Fahrzeugen oder auch im Nachgang zur Zulassung nicht erfasst. Auch technische Merkmale, die Aufschluss über eine Nachrüstung mit AVAS geben könnten , sind vom Zulassungsverfahren nicht erfasst und können von daher nicht ausgewertet werden. 6. Welche Kosten fallen im Rahmen der Nachrüstung eines Ziffer 3. unterfallenden Hybridelektro- beziehungsweise Elektrofahrzeugs mit Acoustic Vehicle Alerting Systems für einen Halter üblicherweise an? Bitte bei Unterschieden nach System und Kategorie Hybridelektro- beziehungsweise Elektrofahrzeug gesondert darstellen. Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. 7. Welche staatlichen Anreize gibt es für eine Nachrüstung mit Acoustic Vehicle Alerting Systems? Bitte detailliert und bei Unterschieden nach Hybridelektro- und Elektrofahrzeug gesondert erläutern. Siehe: https://www.bafa.de/DE/Energie/Energieeffizienz/Elektromobilitaet/ elektromobilitaet_node.html. 8. Sind die nach Ziffer 2. in Hamburg zugelassenen Elektrotretroller mit Acoustic Vehicle Alerting Systems ausgestattet? a) Wenn ja, wie viele, seit jeweils wann und mit jeweils welchem System ? b) Wenn nein, aus jeweils welchen Gründen nicht? Siehe Antwort zu 2. 9. Wie viele Unfälle mit Beteiligung von Hybridelektro- und/oder Elektrofahrzeugen , die Ziffer 3. unterfallen, beziehungsweise Elektrotretrollern, die Ziffer 2., jedoch nicht Ziffer 8. unterfallen, gab es seit dem 1. Januar 2017 in Hamburg jeweils insgesamt? Bitte nach Jahr (bezüglich 2019 zum Stichtag 10. Oktober 2019) und jeweiliger Kategorie gesondert darstellen . Die Polizei erfasst Verkehrsunfälle in der Datenbank „Elektronische Unfalltypensteckkarte “ (EUSka). Antriebsarten im Sinne der Fragestellung zu Ziffer 3. werden in EUSka nicht statistisch erfasst; zu Fahrzeugen im Sinne der Ziffer 2. siehe Drs. 21/18296.