BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18676 21. Wahlperiode 22.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dennis Thering und Birgit Stöver (CDU) vom 16.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Ist die Kontrolle der Tierversuche im Laboratorium für Pharmakologie und Toxikologie (LPT) in Neugraben durch den Senat ausreichend? (II) Das Laboratorium für Pharmakologie und Toxikologie (LPT) in Hamburg- Neugraben ist eines der größten Tierversuchslabore in Deutschland. Ein sorgfältiger und gewissenhafter Umgang mit Versuchen und Versuchstieren, die Einhaltung der seitens des Tierschutzgesetzes vorgegebenen Regeln und eine strikte und regelmäßige Überprüfung durch den Senat sind dabei zugleich Voraussetzung als auch Mindeststandards der zugrunde liegenden Erlaubnis. Denn: Trotz ihrer medizinischen Notwendigkeit zur Entwicklung und Erprobung neuer Therapiemöglichkeiten für Menschen sind Tierversuche für die betroffenen Versuchstiere teils gravierende Eingriffe. Die seitens des MDR1 und der „Süddeutschen Zeitung“2 nun aufgedeckten Zustände am Mienenbütteler Standort des LPT in Niedersachsen sind – sollten sich die beschriebenen Missstände bewahrheiten – zutiefst erschütternd und zurecht Fokuspunkt öffentlicher Empörung! Die in diesem Zusammenhang veröffentlichte Erklärung der tierschutzpolitischen Sprecherin der Hamburger „GRÜNEN“, die Freie und Hansestadt Hamburg nehme ihre Verantwortung für den LPT-Standort Hamburg-Neugraben wahr, da jährlich Kontrollen stattfänden,3 ist daher angesichts der befremdlichen Umstände am Mienenbütteler LPT-Partnerstandort und aufgrund des generellen Charakters der Aussage eingehend parlamentarisch zu kontrollieren. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Tierversuche der Firma Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) finden an verschiedenen Standorten in mehreren Ländern statt. Die aktuell in Rede stehenden Tierversuche werden im Labor der Firma LPT mit Sitz in Mienenbüttel, Niedersachsen durchgeführt. Die Zuständigkeit für Antragsverfahren von Tierversuchen obliegt dem Land in dem der Tierversuch durchgeführt wird. Somit werden die nachfolgenden Fragen nur in Bezug auf die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) beantwortet. 1 MDR.de, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz - Ermittlungen nach „FAKT“-Recherchen gegen Tierversuchslabor in Niedersachsen, 11.10.2019; erhältlich unter: https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/ermittlungen-nach-fakt-recherchen-gegentierversuchslabor -in-niederhessen-100.html (Stand: 14.10.2019). 2 Sueddeutsche.de, Tierversuche – Wo Affen nicht einmal einen Kubikmeter Platz haben, 11.10.2019; erhältlich unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tierversuchetierschutz -affen-1.4637976 (Stand: 14.10.2019). 3 Christiane Blömeke, TIERVERSUCHE IM LPT: SITUATION DER TIERE UMGEHEND VERBESSERN!, 14.10.2019; erhältlich unter: https://www.gruene-hamburg.de/tierschutz/ tierversuche-im-lpt-situation-der-tiere-umgehend-verbessern/ (Stand: 14.10.2019). Drucksache 21/18676 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für Tierversuchsvorhaben gab es in Hamburg seit dem 1. Januar 2017 insgesamt? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Jahr Anzahl beantragter und angezeigter Tierversuchsvorhaben 2017 498 2018 430 2019 243 (Stand 30.09.2019) 2. Wie viele Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für Tierversuchsvorhaben wurden in Hamburg seitens der zuständigen Behörde seit dem 1. Januar 2017 insgesamt und aus jeweils welchen konkreten Gründen abgelehnt? Bitte jahresweise aufschlüsseln und detailliert erläutern. Jahr Abgelehnte Anträge /Anzeigen Gründe 2017 1 Die Einhaltung der für die Durchführung von Tierversuchen geltenden Vorschriften des Tierschutzgesetzes und der darauf erlassenen Rechtsverordnungen konnte nicht sichergestellt werden. 2018 1 Teilablehnung Teilversuche wurden abgelehnt, da eine detaillierte Darstellung der geplanten Eingriffe und Behandlungen, auch auf Nachfrage, nicht vorgelegt wurde. 2019 0 (Stand 30.09.2019) 3. Wie viele Genehmigungen für jeweils welche Tierversuchsvorhaben mit jeweils wie vielen und jeweils welchen betroffenen Versuchstieren hat die zuständige Behörde dem LPT-Standort Hamburg-Neugraben seit dem 1. Januar 2017 jeweils erteilt? Bitte jahresweise aufschlüsseln. 4. Wie viele und jeweils welche weiteren Hamburger Laboratorien beziehungsweise Unternehmen haben seit dem 1. Januar 2017 jeweils welche Tierversuchsvorhaben durchgeführt? Bitte nach Jahr und jeweiligem Hamburger Laboratorium/Unternehmen gesondert darstellen. 5. Wie viele Genehmigungen für jeweils welche Tierversuchsvorhaben mit jeweils wie vielen und jeweils welchen betroffenen Versuchstieren hat die zuständige Behörde den unter Ziffer 4. fallenden Hamburger Laboratorien und Unternehmen seit dem 1. Januar 2017 jeweils erteilt? Bitte nach Jahr und jeweiligem Hamburger Laboratorium/Unternehmen gesondert darstellen. Zur Beantwortung dieser Fragen wäre die Durchsicht eines jeden einzelnen Versuchsvorhabens für den abgefragten Zeitraum erforderlich. Dies würde eine Betrachtung von nahezu 1 200 Vorgängen bedeuten. Eine Einzelfallauswertung ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit deshalb nicht möglich. 6. Falls eine differenzierte statistische Erfassung in Bezug auf Ziffern 3. und 5. auch nach Ablauf von mehr als zweieinhalb Jahren seit unserer Schriftlichen Kleinen Anfrage vom 2. Februar 2017, Drs. 21/7809, noch immer nicht eingerichtet sein sollte: Aus jeweils welchen konkreten Gründen erfolgt eine solche statistische Erfassung noch immer nicht? Bitte unter Erörterung der grundsätzlichen Machbarkeit detailliert erläutern . Die statistische Erfassung von Daten zur Verwendung von Versuchstieren erfolgt weiterhin nach den Vorgaben der Versuchstiermeldeverordnung des Bundes. Diese beinhalten insbesondere die Zahl der in Tierversuchen verwendeten Tiere, einschließlich der Tierarten und des Zwecks des Versuchsvorhabens. Entsprechende Daten für Hamburg werden jährlich der Öffentlichkeit über das Transparenzportal Hamburg zugänglich gemacht. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18676 3 Die statistische Dokumentation der in der Anfrage erbetenen Details zu der Zahl der für Tierversuche beantragten oder angezeigten Tiere ist rechtlich nicht vorgesehen. 7. Wie viele Kontrollen bezüglich jeweils welcher Forschungsprojekte hat die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz seit dem 1. Januar 2017 am LPT-Standort Hamburg-Neugraben durchgeführt? Bitte nach Jahr und jeweiligem Forschungsprojekt gesondert darstellen. Das nach § 16 Absatz 1 S. 2 TierSchG festgelegte Kontrollintervall für Tierversuchseinrichtungen beträgt drei Jahre. Bei Bedarf werden die Kontrollen risikoorientiert häufiger durchgeführt. In den Jahren 2016 und 2018 umfasste jeweils eine Kontrolle die gesamte Versuchstierhaltung . Zusätzlich erfolgte bei der Einrichtung Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co.KG 2016 und 2019 jeweils eine Kontrolle nach Vorgaben der Good Laboratory Practice (GLP). 2019 erfolgte eine weitere Kontrolle mit dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. 8. Welche Ergebnisse haben die unter Ziffer 7. fallenden Kontrollen jeweils erbracht? Bitte nach Jahr und jeweiligem Forschungsprojekt gesondert darstellen. 9. Mit jeweils welchen konkreten Maßnahmen und jeweils wann haben der Senat und die zuständige Behörde auf die unter Ziffer 8. fallenden Ergebnisse im Einzelnen jeweils reagiert? Bitte detailliert erläutern. Siehe Drs. 21/7809. Dies ist auch für die Jahre 2017 bis 2019 zutreffend. 10. Wie viele Kontrollen bezüglich jeweils welcher Forschungsprojekte hat die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz seit dem 1. Januar 2017 bei den unter Ziffer 4. fallenden Hamburger Laboratorien und Unternehmen durchgeführt? Bitte nach Jahr, jeweiligem Hamburger Laboratorium/Unternehmen und jeweiligem Forschungsprojekt gesondert darstellen. Das nach § 16 Absatz 1 S. 2 TierSchG festgelegte Kontrollintervall für Tierversuchseinrichtungen beträgt drei Jahre. Bei Bedarf werden die Kontrollen risikoorientiert häufiger durchgeführt. Die durchgeführten Kontrollen umfassten die Versuchstierhaltungen und erfolgten somit unabhängig von konkreten Versuchsvorhaben. Im Jahr 2016 wurden vier tierschutzfachliche Kontrollen in den Einrichtungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, in Einrichtungen der Universität Hamburg (Biozentrum Grindel und Hydrobiologisches Institut), und bei Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co.KG durchgeführt. Zusätzlich erfolgte bei der Einrichtung Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co.KG eine Kontrolle nach Vorgaben der Good Laboratory Practice (GLP). Im Jahr 2017 wurden zwei tierschutzfachliche Kontrollen in den Einrichtungen Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der Universität Hamburg (Biozentrum Grindel) durchgeführt. Im Jahr 2018 wurden zehn tierschutzfachliche Kontrollen in den Einrichtungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (drei Kontrollen), in Einrichtungen der Universität Hamburg (Biozentrum Grindel und Institut für marine Ökosystem- und Fischereiwissenschaften ), Heinrich-Pette-Institut – Leibniz Institut für experimentelle Virologie (zwei Kontrollen), Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Evotec SE und bei Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co.KG durchgeführt. Im Jahr 2019 erfolgte bei der Einrichtung Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co.KG eine zusätzliche Kontrolle nach Vorgaben der GLP sowie eine weitere Kontrolle mit dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Drucksache 21/18676 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 11. Welche Ergebnisse haben die unter Ziffer 10. fallenden Kontrollen jeweils erbracht? Bitte nach Jahr, jeweiligem Hamburger Laboratorium/ Unternehmen und jeweiligem Forschungsprojekt gesondert darstellen. 12. Mit jeweils welchen konkreten Maßnahmen und jeweils wann haben der Senat und die zuständige Behörde auf die unter Ziffer 11. fallenden Ergebnisse im Einzelnen jeweils reagiert? Bitte nach Jahr, jeweiligem Hamburger Laboratorium/Unternehmen und jeweiligem Forschungsprojekt gesondert detailliert erläutern. Siehe Drs. 21/7809. Dies ist auch für die Jahre 2017 bis 2019 zutreffend. 13. In seiner Antwort auf unsere Schriftliche Kleine Anfrage vom 2. Februar 2017, Drs. 21/7809, schreibt der Senat: „Gemäß § 16 Absatz 1 Nummer 3 des Tierschutzgesetztes sollen Tierversuchseinrichtungen mindestens alle drei Jahre besichtigt werden. Die Häufigkeit der Kontrollen der Tierversuchseinrichtungen in Hamburg erfolgt risikoorientiert.“4 a) Inwiefern erachten der Senat und/oder die zuständige Behörde die in § 16 Absatz 1 Nummer 3 TSchG enthaltene Sollüberprüfung mindestens alle drei Jahre angesichts der aktuellen Rechercheergebnisse zum Mienenbütteler Standort des LPT als noch schutz- beziehungsweise zeitangemessen? Bitte detailliert erläutern. Das Kontrollintervall von drei Jahren ist die gesetzliche Mindestvorgabe. Risikoorientiert prüft die zuständige Behörde bei Bedarf häufiger. b) Anhand jeweils welcher Kriterien und jeweils wann erfolgt die einer Kontrolle der jeweiligen Tierversuchseinrichtungen in Hamburg zugrunde liegende Risikoeinschätzung? Bitte detailliert erläutern. Nachfolgende Kriterien werden bei einer Risikobewertung für eine Kontrolle in Tierversuchseinrichtungen berücksichtigt: Management und Betriebsführung, Art und Größe der Einrichtungen, Zustand der Haltungseinrichtung, Art und Zahl der dort gehaltenen Tiere, Erfahrung mit der Tierart, absehbare Beeinträchtigungen für diese Tiere sowie bisherige Erfahrungen, Art, Anzahl sowie Zeitpunkt von Verstößen gegen tierschutzrechtliche Vorschriften in der Vergangenheit, Anzahl und Sachkunde der Betreuungspersonen, Zeitpunkt und Ergebnis der letzten Kontrolle. Die Kriterien beruhen auf den Vorgaben der Kontrollverordnung (EG) Nummer 882/2004 und werden analog angewendet. Die Risikobewertung erfolgt nach der letzten durchgeführten Kontrolle zur Festlegung des Intervalls. Sollten in diesem Intervall neue Feststellungen zu einem Kriterium auftreten , erfolgt eine Aktualisierung. c) Jeweils wie, durch jeweils wen und mit jeweils welchen einzelnen Verfahrensschritten erfolgt die auf der Risikoeinschätzung beruhende risikoorientierte Kontrolle der Hamburger Tierversuchseinrichtungen ? Bei Unterschieden bitte nach jeweiligem Hamburger Laboratorium /Unternehmen und jeweiligem Forschungsprojekt gesondert detailliert erläutern. 4 Drs. 21/7809, Antwort zu Frage 7., Seite 3. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18676 5 Die Kontrolle erfolgt unter Zuhilfenahme eines tierartspezifischen Prüfprotokolls und in Abhängigkeit des geplanten Kontrollumfangs durch einen Tierarzt oder eine Tierärztin der zuständigen Behörde. Alle Einrichtungen werden nach den gleichen Kriterien beurteilt. Diese umfassen Prüfpunkte zu den Tieren selbst (wie zum Beispiel Tierart, Tierzahl und Herkunft der Tiere), Angaben zur Unterbringung und Pflege (wie zum Beispiel Kennzeichnung, Käfiggröße, Enrichment) sowie zu den Bedingungen in den Räumlichkeiten (wie zum Beispiel Licht, Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Lärmpegel). 14. Sind das LPT Hamburg-Neugraben und die weiteren Hamburger Laboratorien und Unternehmen, die Tierversuchsvorhaben durchführen, seit dem 1. Januar 2017 ausreichend mit dem notwendigen Fachpersonal besetzt gewesen? a) Wenn ja, inwiefern? Bitte unter Angabe der jeweiligen Stellenzahl des Fachpersonals nach jeweiligem Hamburger Laboratorium/ Unternehmen gesondert monatlich (für Oktober 2019 zum Stichtag 15.10.2019) darstellen. b) Wenn nein, inwiefern und aus jeweils welchen Gründen nicht? Bitte unter Angabe der jeweiligen Stellenzahl des Fachpersonals nach jeweiligem Hamburger Laboratorium/Unternehmen gesondert monatlich (für Oktober 2019 zum Stichtag 15.10.2019) darstellen. Die Prüfung der Sachkunde der Personen, die einen Tierversuch leiten, planen oder durchführen sowie derjenigen, die mit der Haltung und Pflege der Tiere betreut sind, erfolgt versuchsbezogen im Rahmen der Bewilligung für jedes einzelne Versuchsvorhaben . Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass ausreichend Personal zur Durchführung des Versuchs zur Verfügung steht. Nur wenn die rechtlichen Voraussetzungen vollumfänglich erfüllt sind, kann das Versuchsvorhaben genehmigt werden. Zur genauen personellen Struktur der Hamburger Einrichtungen kann keine Auskunft gegeben werden. 15. Sollte Frage 14. (teilweise) zu verneinen sein: Haben der Senat und die zuständige Behörde auf die unzureichende Anzahl an Fachpersonal reagiert? a) Wenn ja, inwiefern, durch jeweils wen und jeweils wann? Bitte detailliert erläutern. b) Wenn nein, aus jeweils welchen konkreten Gründen nicht? Bitte detailliert erläutern. Entfällt.