BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18698 21. Wahlperiode 25.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Urs Tabbert und Milan Pein (SPD) vom 17.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Die Äußerungen des Hamburger Generalstaatsanwalts im „Hamburger Abendblatt“ vom 16. Oktober 2019 zur Stellung der Staatsanwaltschaft Im „Hamburger Abendblatt“ vom 16. Oktober 2019 findet sich auf Seite 1 und auf Seite 12 ein Bericht über die Staatsanwaltschaft Hamburg und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit aus Sicht des Hamburger Generalstaatsanwalts Jörg Fröhlich. Kern des Artikels ist die Sorge des Generalstaatsanwalts , dass aus der „Doppelrolle der Staatsanwaltschaft sowohl in der Exekutive als auch in der Judikative“ Reibungen oder Widersprüche entstehen können, die letztlich das Ansehen der Staatsanwaltschaft in der Öffentlichkeit mindern würden. Konkret geht es um die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft beziehungsweise staatsanwaltschaftlichen Beamten gemäß § 147 GGV (für die Bundesländer § 147 Nummer 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG)). Danach haben die Landesjustizverwaltungen aller Bundesländer nicht nur die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft, sondern können auch als Fachaufsichtsbehörde tätig werden und damit Weisungen erteilen und Berichte über Verfahren einfordern. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Staatsanwaltschaften der Länder sind durch die §§ 144 bis 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in einen hierarchischen Behördenaufbau eingegliedert und damit über die Dienst- und Fachaufsicht an ihre Oberbehörden gebunden. Über diese Anbindung an die demokratisch legitimierte Leitung der Landesjustizverwaltung wird das Grundprinzip der parlamentarischen Verantwortung realisiert. Als der Exekutive zugeordnetes Organ der Rechtspflege unterliegen sie dem Legalitätsprinzip in all seinen Auswirkungen (§ 152 Absatz 2 StPO) und der Bindung des Staates an Recht und Gesetz (Artikel 20 Absatz 3 GG). Diese Prinzipien binden die Landesjustizverwaltung in der Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht ebenso. Die Ausübung der Fachaufsicht erfolgt teils im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung durch bundesweit geltende, von den Landesjustizverwaltungen gemeinsam entschiedene Regelungen, so durch die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)1 sowie die Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra)2. Landesspezifisch erfolgt sie insbesondere durch die jeweiligen Anord- 1 http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/ bsvwvbund_01011977_420821R5902002.htm. 2 http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/ bsvwvbund_27032019_RB414313R2122019.htm. Drucksache 21/18698 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nungen über Mitteilungen in Strafsachen (BeStra); in Hamburg gilt insoweit seit dem 1. Juli 2016 die AV der Justizbehörde Nummer 11/2016 vom 23. Mai 20163. Durch die Berichte soll die Justizbehörde in die Lage versetzt werden, zeitnah die Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die ihr von Gesetzes wegen obliegende Aufsicht auszuüben und auf berechtigte Nachfragen von dritter Seite Auskunft zu geben. In Ziffer 1. der AV legt diese fest, dass der Justizbehörde über Strafsachen zu berichten ist, die a) wegen der Persönlichkeit oder der Stellung der Beteiligten, wegen der Art oder des Umfanges der Beschuldigung oder aus anderen Gründen weitere Kreise, vor allem parlamentarische Gremien oder die Medien, beschäftigen oder voraussichtlich beschäftigen werden oder b) von der Justizbehörde allgemein oder im Einzelfall als Berichtssachen bezeichnet wurden. Die Berichtspflicht obliegt der Behördenleitung der Staatsanwaltschaft Hamburg, in Fällen erstinstanzlicher Zuständigkeit des Oberlandesgerichts der Behördenleitung der Generalstaatsanwaltschaft. Der Generalstaatsanwalt oder die Generalstaatsanwältin nimmt, soweit erforderlich, zu den Berichten Stellung. Vor dem 1. Juli 2016 galt die AV der Justizbehörde Nummer 28/2004 vom 22. Dezember 20044. Betreffend die oben genannten aktuellen Inhalte sind die beiden Verfügungen identisch. Um eine sinnvolle Gesetzgebung gewährleisten zu können, bedarf es seitens der Justizverwaltung zudem einer Beteiligung der Staatsanwaltschaften durch Einholung der dortigen fachlichen Expertise und der dort vorhandenen Informationen. Dies erfolgt sowohl über die Beteiligung im Rahmen von Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen der Bundesregierung oder Gesetzesinitiativen aus den Ländern, Initiativen im Rahmen der Justizministerkonferenzen als auch im monatlichen Austausch über fachlich und personell relevante Themen. Aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung zum Europäischen Haftbefehl, dass der entsprechende Rahmenbeschluss die Ausstellung durch eine unabhängige Justizbehörde erfordere, wurde die Diskussion über die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften und die derzeitige bundesrechtliche Regelung des § 147 GVG erneut entfacht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Fälle von Weisungen im Rahmen der Ausübung der Fachaufsicht gab es seit dem Amtsantritt des Generalstaatsanwalts im Januar 2016? In keinem Ermittlungsverfahren seit Amtsantritt des Generalbundesstaatsanwalts wurden seitens der Justizbehörde Weisungen erteilt. Auch in dem Ermittlungsverfahren gegen Dr. Gregor Gysi war dies nicht der Fall. Tatsächlich hatte der damalige leitende Oberstaatsanwalt als Leiter der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen eine Weisung des damaligen Generalstaatsanwalts remonstriert. Nach Übersendung der Akten an die für die Entscheidung über Remonstration zuständige Justizbehörde hat der Generalbundesanwalt Schriftstücke zur Akte übersandt, die weder der Staatsanwaltschaft noch der Generalstaatsanwaltschaft zum Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entscheidung bekannt waren. Der Präses der zuständigen Justizbehörde hat entschieden, die Weisung des Generalstaatsanwalts nicht zu bestätigen; zugleich hat er – lediglich – darauf hingewiesen, dass sich aus diesen Schriftstücken neue Ermittlungsansätze ergeben könnten. 2. Wurde die Fachaufsicht seit Januar 2016 auch auf andere Art ausgeübt? 3 http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/ GetRessource100.svc/75065b8d-36e5-4db9-97e8-da36e583a2a2/Akte_4107_2.pdf. 4 http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/ GetRessource100.svc/4b8da432-c579-4758-9456-3c256cb5bc20/Akte_4107_2.pdf. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18698 3 Siehe Vorbemerkung. 3. Hat die Justizbehörde seit Januar 2016 im Rahmen ihrer Fachaufsicht Berichte zu einzelnen Fällen angefordert? Wenn ja, aus welchen Gründen wurden die Berichte angefordert? Siehe Vorbemerkung. Über die nach Ziffer 1. a) der AV der Justizbehörde Nummer 11/2016 vom 23. Mai 2016 bestehende Berichtspflicht hinaus wurden keine Einzelfallberichte (Ziffer 1. b)) angefordert. 4. Können im Rahmen der Fachaufsicht Berichte zu einzelnen Fällen für justizfremde Zwecke angefordert werden? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Gibt es aktuelle Verfahren, in denen die Staatsanwaltschaft ermittelt oder ermittelte, die Anlass für die Ausführungen des Generalstaatsanwalts im „Hamburger Abendblatt“ geben? Siehe gemeinsame Presseerklärung des Justizsenators und des Generalstaatsanwalts vom 17. Oktober 2019.5 5 https://www.hamburg.de/justizbehoerde/pressemeldungen/13078324/2019-10-16-jbjustizsenator -und-generalstaatsanwalt-zum-abendblatt/.