BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18724 21. Wahlperiode 29.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 21.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Zweiter Bildungsweg, bald viertklassig? Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) verfügt über drei staatliche Schulen für Erwachsene. Diese Schulen bilden das Rückgrat einer Erwachsenenbildung , die auf dem zweiten Bildungsweg über die ersten Berufsabschlüsse hinausführt. An den Schulen können arbeitende Hamburger/-innen eine Perspektive entwickeln, die ihnen berufliche Alternativen schafft. Nun scheint die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) gravierende Änderungen zu planen. Welche Zukunft bereitet sie der Erwachsenenbildung? Ich frage den Senat: Die Angebote des zweiten Bildungswegs eröffnen seit Jahren erwachsenen Menschen die Entwicklung von Kompetenzen und den Erwerb höherer schulischer Bildungsabschlüsse , um dadurch ihre Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt erheblich zu verbessern . In Deutschland kann man über den zweiten Bildungsweg alle Schulabschlüsse, das heißt den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss, den mittleren Schulabschluss , den schulischen Teil der Fachhochschulreife und die allgemeine Hochschulreife erwerben. In Hamburg stehen potenziellen Schülerinnen und Schülern dafür zurzeit die Abendschule Vor dem Holstentor, das Abendgymnasium mit Abendschule St. Georg und das Hansa-Kolleg zur Verfügung. Zugang zum zweiten Bildungsweg suchen neben der traditionellen Zielgruppe der studien- und aufstiegsorientierten, berufserfahrenen Erwachsenen vermehrt Erwachsene , die den ersten Bildungsweg aufgrund besonderer Lebensumstände, wie beispielsweise Krankheit, nicht beenden konnten. Daneben interessieren sich auch zugewanderte Erwachsene für die Angebote des zweiten Bildungswegs sowie Berufstätige , die im Schichtbetrieb oder zeitlich flexibel arbeiten. Die für Bildung zuständige Behörde prüft laufend, ob die Angebote der Hamburger Schulen einer Weiterentwicklung bedürfen. Die Bedarfe bei den Angeboten des zweiten Bildungswegs sind dabei vielschichtig. Zum einen müssen beispielsweise die Interessen und Voraussetzungen der Interessierten individuell berücksichtigt werden. Zum anderen führen beispielsweise die erfreulichen Entwicklungen im ersten Bildungsweg – die Anzahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss ist kontinuierlich rückläufig und die Anzahlen der Absolventinnen und Absolventen mit Abitur steigt – zu einer veränderten Nachfrage der Angebote des zweiten Bildungsganges. So sank beispielsweise an den Abendschulen die Anzahl der Schulentlassenen mit allgemeiner Hochschulreife von 108 Schulentlassenen im Schuljahr 2014/2015 auf 75 Schulentlassene im Schuljahr 2017/2018. Auch Reformen im berufsbildenden System (unter anderem mit der Einführung der Berufsoberschule) und den Möglichkeiten, ohne Abitur ein Studium oder eine qualifizierte berufliche Weiterbildung anzutreten, führen dazu, dass Angebote des zweiten Bildungsweges anders als noch vor Jahren in Anspruch genommen werden. Drucksache 21/18724 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Neben der Nachfrage ist beispielsweise auch die Quote der Abbrecherinnen und Abbrecher in den Blick zu nehmen. Die für Bildung zuständige Behörde wird diese Aspekte bei ihren weiteren Überlegungen berücksichtigen. Das Ziel der Weiterentwicklung der Bildungsangebote im zweiten Bildungsweg ist es, die Leistungsfähigkeit und Attraktivität der Schulen der allgemeinbildenden Erwachsenenbildung zu steigern und veränderte Rahmenbedingungen in der Bildungsganggestaltung zu berücksichtigen. Die Quote der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen soll erhöht und die Verantwortungsübernahme für Begleitung und Unterstützung von Schülerinnen und Schülern, die vom Abbruch des Bildungsgangs bedroht sind, gestärkt werden. Die Angebote der allgemeinbildenden Erwachsenenbildung, wie beispielsweise die Beratung und Unterstützung während des Besuches, sollen vor dem Hintergrund veränderter Bildungsangebote und Lebenswirklichkeiten weiterentwickelt werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Personen besuchten in den jeweiligen Studienstufen die drei Einrichtungen der Erwachsenenbildung in den letzten fünf Jahren? (Bitte nach Studienstufen und Einrichtungen, Abendschule Vor dem Holstentor, Abendschule St. Georg, Hansa-Kolleg, differenzieren sowie die Gesamtzahlen angeben.) Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler der Schulen der Erwachsenenbildung in der Studienstufe der Jahrgangsstufen 11, 12 und 13 in den Schuljahren 2014/2015 bis 2018/2019 sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: Schule Jahrgangs-stufe Schuljahr 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 Abendgymnasium mit Abendschule St. Georg 11 178 144 104 91 91 12 112 113 68 76 56 13 67 66 50 36 36 Abendschule Vor dem Holstentor 11 145 147 134 139 141 12 126 120 129 113 108 13 80 75 67 88 73 Hansa-Kolleg 11 75 87 76 81 79 12 48 47 68 49 57 13 47 41 34 47 38 Insgesamt 878 840 730 720 679 Davon Studienstufe (Jahrgangsstufen 12 und 13) 480 462 416 409 368 Quelle: Schuljahresstatistik 2014 bis 2018 2. Wie viele von ihnen verließen mit welchen Abschlüssen die jeweiligen Einrichtungen? (Bitte in die Tabelle zu Frage 1. einpflegen.) Die erfragte Verknüpfung der Daten aus 1. und 2. liegen der für Bildung zuständigen Behörde nicht vor. Hierfür müsste jede einzelne Akte der Schülerinnen und Schüler manuell ausgewertet werden. Die Schulentlassenen der Schulen der Erwachsenenbildung mit mittlerem Schulabschluss, in der Vorstufe (Jahrgangsstufe 11) und der Studienstufe (Jahrgangsstufe 12 und 13) nach Abschlussart in den Schuljahren 2014/ 2015 bis 2017/2018* können der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: Schulname Abschluss Schuljahr 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 Abendgymnasium mit Abendschule St. Georg mittlerer Schulabschluss 6 5 3 3 schulischer Teil der Fachhochschulreife 31 19 23 Fachhochschulreife 22 Allgemeine Hochschulreife 42 40 36 29 Abendschule Vor dem Holstentor mittlerer Schulabschluss 0 4 0 5 schulischer Teil der Fachhochschulreife 24 23 25 44 Fachhochschulreife 3 Allgemeine Hochschulreife 66 70 48 46 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18724 3 Schulname Abschluss Schuljahr 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 Hansa-Kolleg mittlerer Schulabschluss 0 0 0 0 schulischer Teil der Fachhochschulreife 7 5 6 Fachhochschulreife 9 Allgemeine Hochschulreife 38 37 29 39 Insgesamt 210 217 165 195 Quelle: Schuljahresstatistik 2014 bis 2018 * Die Daten der Schulentlassenen des Schuljahres 2018/19 werden mit der Schuljahresstatistik 2019 erfasst und voraussichtlich im Frühjahr 2020 veröffentlicht. 3. Gibt es Planungen des Senats, die drei Einrichtungen der Erwachsenenbildung – Abendschule Vor dem Holstentor, Abendschule St. Georg, Hansa-Kolleg – zu fusionieren? a. Wenn ja, mit welcher Bedarfslage wird dies begründet? 4. Wenn die Fusionierung angedacht ist, besteht ein schlüssiges Gesamtkonzept für dieses Vorhaben und welche pädagogisch-didaktischen Verbesserungen werden dadurch anvisiert? (Bitte detailliert ausführen. Konzeptpapiere bitte anhängen.) 5. Wie sieht der Zeitplan für eine solche Zusammenlegung aus? Welche Stellen in der BSB sind an den Planungen beteiligt? Die Überlegungen der für Bildung zuständigen Behörde sind noch nicht abgeschlossen . Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Aus welchen fachlichen und sachlichen Gründen wird dieses Vorhaben nicht im Schulentwicklungsplan aufgeführt? 7. Der Senator sprach im Zusammenhang mit dem veröffentlichten Entwurf des Schulentwicklungsplanes von einer demokratischen Schulpolitik in Hamburg, zu welcher auch die Schulgemeinschaften befragt und Einwände berücksichtigt werden würden. Ist es richtig, dass in Bezug auf die angedachten Fusionierungspläne lediglich die drei Schulleitungen in Kenntnis gesetzt wurden und diesen nicht gestattet wurde, das Strategiepapier zur Fusionierung an die Kollegien weiterzuleiten? Wenn dem so ist, teilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Einschätzung, dass die betreffenden Kollegien in die Vorgänge nicht eingebunden sind und keine Möglichkeit zur Partizipation hatten? (Bitte detailliert Stellung beziehen.) Siehe Antwort zu 3. bis 5. 8. Aus welchen Gründen wurde bis jetzt eine Einbindung der Schulgemeinschaften in diesen Prozess nicht vorgenommen? (Bitte detailliert Stellung beziehen.) 9. Aus welchen Gründen wird eine Einsicht in das existierende Strategiepapier nicht gegeben? (Bitte detailliert ausführen und das Strategiepapier anhängen.) Die Leitungen der Abendschulen und des Hansa-Kollegs haben gemeinsam mit der zuständigen Schulaufsicht der für Bildung zuständigen Behörde in einer Arbeitsgruppe eine Standortbestimmung der Angebote des zweiten Bildungswegs vorgenommen und Ideen für eine Weiterentwicklung vorgeschlagen. Die dabei entstandenen Arbeitspapiere haben nicht den Charakter eines Strategiepapiers der für Bildung zuständigen Behörde. Sie bilden eine erste Grundlage für einen noch aufzulegenden Arbeitsprozess . Die internen Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. 10. Welche Leitungsstellen in den betreffenden Einrichtungen Erwachsenenbildung sind unbesetzt beziehungsweise kommissarisch besetzt? a. Sind diese Stellen in der Ausschreibung? Drucksache 21/18724 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn nein, mit welcher Begründung? Die Stellen der Leitung des Hansa-Kollegs und der Abendschule Vor dem Holstentor sind kommissarisch besetzt und aktuell nicht in der Ausschreibung. Hintergrund sind die nicht abgeschlossenen Überlegungen zur Weiterentwicklung der Bildungsangebote im zweiten Bildungsweg. 11. Welche Einsparungen erwartet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde durch den Fusionierungsprozess? (Bitte die genauen geplanten Einsparungen sowie potenzielle Einsparungsposten angeben. Wegfallende Stellen ebenfalls angeben und alle Posten differenziert nach geplanten und potenziellen Einsparungen mit Summe versehen sowie die Gesamtsummen angeben. Soweit vorhanden einen prospektiven Stellenplan der drei Bildungseinrichtungen beziehungsweise der dann einen Bildungseinrichtung angeben und entsprechende Organigramme anfügen.) 12. Gibt es Pläne des Senats das eingesparte Geld an anderer Stelle im Haushalt der zuständigen Behörde einzusetzen? Siehe Antwort zu 3. bis 5. 13. Im Schulentwicklungsplan ist die Rede davon, dass der Bedarf an Gebäuden wächst. Im Zuge der Fusionierung soll allerdings der Standort Am Holstenglacis 6 aufgegeben werden. Das Gebäude wird bis dato optimal durch das Studienkolleg und die Abendschule Vor dem Holstentor genutzt, wurde als Schule errichtet und hat eine bald 75-jährige Geschichte als Einrichtung der Erwachsenenbildung. Für das Gebäude Am Holstenglacis 6 liegt der Schulbehörde eine Anfrage der Justizbehörde vor. a. Nach welchen Kriterien wird die Schulbehörde darüber entscheiden, dieses Gebäude abzugeben? Aus der Justizbehörde wurde Bedarf an Gebäudefläche, die in unmittelbarer Nähe der Gerichte am Sievekingplatz liegt, angemeldet und begründet. Die für Bildung zuständige Behörde prüft diesen Wunsch. Eine Standortverlagerung der Abendschule Vor dem Holstentor und des Staatlichen Studienkollegs setzt voraus, dass andere Gebäude genutzt werden können, die die Anforderungen an den jeweiligen Schulbetrieb erfüllen. b. Das Gebäude wurde umfangreich 2014 und 2017/2018 auch gerade für schulische Zwecke renoviert. Wie hoch waren die tatsächlichen Kosten dieser Renovierungen? (Bitte die Einzelposten und die Gesamtsumme angeben.) c. Nach welchen Energiestandards wurde die Sanierung jeweils vorgenommen ? (Wenn es Ausnahmeregelungen gab, diese konkret begründen.) Die Sanierung erfolgte nicht explizit für schulische Zwecke, sondern aus Gründen des Verschleißes beziehungsweise der Modernisierung. Saniert wurde das Glasdach über dem Innenhof und es wurden akustische Maßnahmen in den Verkehrsflächen durchgeführt . Die Angebotskosten betrugen 1,27 Millionen Euro. Der Sanierung der restlichen Gebäudeteile, wie beispielsweise Sanierung der Fassade, die Dämmung des Daches, die Brandschutzertüchtigung, lagen Angebotskosten in Höhe von 6 Millionen Euro zugrunde. Die Sanierung erfolgte unter den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes . Der Gebäudestandard entspricht der Energieeinsparverordnung 95.