BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18759 21. Wahlperiode 29.10.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 22.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Anspruch und Wirklichkeit – Seniorentreffs für ALLE? Seniorentreffs sind niedrigschwellige Anlaufstellen und Treffpunkte für ALLE Seniorinnen und Senioren in den Stadtteilen beziehungsweise Bezirken. Sie sollen Konzepte und Angebote entwickeln, die sich an den Bedarfen der älteren Menschen orientieren und entsprechende Maßnahmen umsetzen. In einem Einwanderungsland mit einer stetig wachsenden Bevölkerung mit Migrationshintergrund beinhaltet dies auch kultursensible und interkulturelle Konzepte, um Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund nicht aus dem Blick zu verlieren. Leider zeigt die Praxis, dass dies nur punktuell und von einigen Trägern gar nicht berücksichtigt wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Für die Planung und Förderung der bezirklichen offenen Seniorenarbeit sind in Hamburg die Bezirksämter zuständig. Die Ziele und Arbeitsfelder der bezirklichen offenen Seniorenarbeit sowie die Aufgaben der Bezirksämter und die Qualitätssicherung sind in der Globalrichtlinie zur bezirklichen offenen Seniorenarbeit in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 1. Juni 2016 geregelt. Seniorentreffs erfüllen im Rahmen der offenen Seniorenarbeit in Hamburg eine wichtige Aufgabe. Sie schaffen in vielen Stadtteilen Kontaktmöglichkeiten durch ein wohnortnahes und niedrigschwelliges Freizeit- und Begegnungsangebot. Sie tragen dazu bei, Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Autonomie zu stärken und sollen den interkulturellen sowie generationenübergreifenden Austausch unterstützen. Die Förderung der interkulturellen Öffnung von Seniorentreffs ist ein wichtiges Ziel des Senates im Rahmen des Hamburger Integrationskonzeptes. Es handelt sich um einen längerfristigen Entwicklungsprozess, der nicht einseitig verordnet, sondern nur gemeinsam mit den Seniorinnen und Senioren mit und ohne Migrationshintergrund, den Seniorentreffleitungen und Trägern sowie den Interessenvertretungen gestaltet werden kann. Der Senat fördert diesen Prozess insbesondere durch ein Modellprojekt zur interkulturellen Öffnung von Seniorentreffs , durch die verbindliche Mitgliedschaft von Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund in den Seniorenbeiräten sowie durch die Bereitstellung von Fördermitteln für eine quartiersorientierte Weiterentwicklung von Angeboten der offenen Seniorenarbeit, die die älteren Menschen im Quartier aktiv einbezieht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1) Wie bewertet der Senat die Angebotslandschaft für Seniorentreffs in Altona? Im Bezirk Altona gibt es momentan neun Seniorentreffs. Diese stehen allen Senioren und Seniorinnen zur Nutzung offen. In fünf der neun Seniorentreffs gibt es spezielle Angebote für ältere Menschen mit Migrationshintergrund. Zwei Seniorentreffs haben eine Leitung mit Migrationshintergrund. Im Übrigen besteht ein ständiger Austausch über die Angebotslandschaft zwischen dem Bezirksamt Altona, den Trägern der Seni- Drucksache 21/18759 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 orentreffs und mit den älteren Besuchern und Besucherinnen aus den unterschiedlichen kulturellen und sozialen Bereichen. Durch diesen Austausch werden die Angebote kontinuierlich weiterentwickelt. Dies trägt zur Qualität der Angebotslandschaft bei. 2) Ist dem Senat bekannt, dass seit vielen Jahren tagtäglich 70 – 90 Seniorinnen überwiegend mit Migrationshintergrund den Cafeteria-Bereich von IKEA als „Tagesstätte“ nutzen beziehungsweise laut IKEA „okkupieren“, weil sie keine Orte haben, wo sie sich treffen können? Wie erklärt sich der Senat dieses Phänomen? Dem Bezirksamt Altona ist bekannt, dass das Restaurant bei IKEA ein beliebter Treffpunkt ist. Daneben gibt es andere Bäckerei-Shops in Altona, die ebenfalls oft von älteren Menschen aufgesucht werden. Es liegt dem Senat fern, das Freizeitverhalten der Bürgerinnen und Bürger zu erfassen und zu bewerten. 3) Hat es diesbezüglich jemals Gespräche zwischen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde mit den Anbietern von Seniorentreffs in Altona, aber auch mit dem Management von IKEA gegeben? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Nein. 4) Wurden in der Vergangenheit Konzepte zur Erreichung dieser Zielgruppe erarbeitet beziehungsweise welche Bemühungen gab es seitens der in Altona angesiedelten Seniorentreffs diesbezüglich? Im Stadtteil Lurup fand im Frühjahr 2014 ein Bürgerbeteiligungsverfahren zur Konzeptentwicklung für eine moderne Seniorenarbeit in Lurup statt. Als Ergebnis wurde festgestellt , dass in Lurup eine Vielzahl von Angeboten für Seniorinnen und Senioren besteht, diese jedoch bei den unterschiedlichen Zielgruppen der Seniorenarbeit nicht ausreichend bekannt waren und die Vernetzung und Koordination zwischen den einzelnen Angeboten noch verstärkt werden konnte. Als Konsequenz wurde 2017 das Modellprojekt eines stadtteilbezogenen „Seniorennetzwerkes Lurup“ gestartet. Die Laufzeit beträgt drei Jahre. Finanziert wird das Projekt gemeinsam durch die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz und das Bezirksamt Altona. Ziel des Projektes ist es, in Lurup durch professionelle Unterstützung mit den ansässigen Akteuren der Seniorenarbeit ein selbsttragendes Netzwerk zu gründen und zu etablieren. Dieses Netzwerk soll sich auch mit der Angebotsstruktur für Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund in Lurup befassen. Darüber hinaus gibt es im Seniorentreff Osdorf seit 2018 ein Projekt zur interkulturellen Öffnung von Seniorentreffs. Finanziert wird dieses Projekt durch die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz und durchgeführt von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Zielgruppe sind ältere Menschen mit und ohne Migrationshintergrund . Ziel ist, dass die Besucher und Besucherinnen unabhängig von der Herkunft die Angebote des Seniorentreffs auf Dauer nutzen, sodass aus einem Nebeneinander in den Räumen des Treffs ein Miteinander innerhalb von thematischen Gruppen oder bei gemeinsamen Aktivitäten wird. Es soll ein gleichberechtigter Austausch zwischen Senioren und Seniorinnen mit und ohne Migrationshintergrund im Seniorentreff stattfinden. Die neu geschaffenen Angebote sollen im Programm des Seniorentreffs regelhaft verankert werden. Weiterhin soll festgestellt werden, welche Methoden erfolgreich waren und welche Erfahrungen gesammelt worden sind, die dann für andere Seniorentreffs hilfreich bei der interkulturellen Öffnung ihres Seniorentreffs sein können. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. 5) Von Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund ist teilweise zu hören, dass sie punktuell im Seniorentreff MEKAN gewesen seien, aber dort verdrängt würden durch Angebote, die an ihren Bedürfnissen vorbeigehen , wie beispielsweise Yoga und Ähnliches. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18759 3 a) Wird die Angebotsstruktur von Seniorentreffs regelhaft trägerunabhängig überprüft? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, in welcher Form? Die Angebote werden kontinuierlich durch das Bezirksamt im Rahmen des Zuwendungsverfahrens sowie im Dialog mit den verantwortlichen Trägern überprüft und weiterentwickelt . b) Wie und durch wen wird sichergestellt, dass in Seniorentreffs dauerhaft eine offene Kultur für alle Seniorinnen und Senioren unabhängig von ihrer Herkunft gelebt wird? Die Seniorentreffleitungen werden durch Fortbildungs- und Beratungsangebote der Fortbildungs- und Servicestelle für Seniorentreffs bei der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege unterstützt. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. a). c) Sind nach Ansicht des Senats die bestehenden Angebote der Seniorentreffs in Altona niedrigschwellig genug und woran macht der Senat die Niedrigschwelligkeit von Angeboten fest? Bitte begründen . Im Bereich der Sozialen Arbeit wird unter Niedrigschwelligkeit eine Vielzahl von räumlichen und sozialen Aspekten verstanden. Dabei ist die Einschätzung, ob und wann ein Angebot als niedrigschwellig gelten kann, von der Situation, dem Blickwinkel des Nutzers und des Anbieters abhängig. Beispiele für die Niedrigschwelligkeit können sein: Die Öffnungszeiten einer Einrichtung sollten an den zeitlichen Möglichkeiten der Nutzenden ausgerichtet sein. Ein Angebot sollte sich an den tatsächlichen Nutzungsbedürfnissen der Zielgruppe orientieren. Ein Angebot sollte so gestaltet sein, das es den Menschen ermöglicht, dieses ohne soziale Ausgrenzung (niedriges Einkommen) wahrnehmen zu können. Eine Einrichtung sollte räumlich für die Zielgruppe gut nutzbar sein (barrierefreier Zugang, behindertengerechte Toiletten). Diese räumlichen und sozialen Aspekte treffen in unterschiedlicher Ausprägung auf die Seniorentreffs im Bezirk Altona zu. 6) Hat es Auswertungen der Konzepte und Angebote der bestehenden Träger in Altona gegeben, ob die Konzepte, die dort derzeit umgesetzt werden, die Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund im Blick haben? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, durch wen und mit welchem Ergebnis? Beide Projekte haben eine Laufzeit bis 2020 und werden im Anschluss ausgewertet. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 7) Welche Seniorentreffs in Altona haben für Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund ein mehrsprachiges und kultursensibles Angebot etabliert? Welche Maßnahmen und Angebote bietet der Seniorentreff MEKAN konkret an? In welchen Sprachen und welchem Stundenumfang werden diese angeboten? Welche Gruppen nutzen dieser in welcher Anzahl? Der Seniorentreff Louise Schröder, Seniorentreff Osdorf, Seniorentreff MEKAN, Seniorentreff 12 Apostel und der Seniorentreff Fischerhaus halten spezielle Angebote in unterschiedlichen Sprachen vor. Die Sprachvielfalt reicht von Russisch, Türkisch bis Farsi und Dari. Drucksache 21/18759 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Der Seniorentreff MEKAN gehört mit seiner vielfältigen Angebotspalette zu den besucherstarken Einrichtungen im Bezirk Altona. Mit verschiedenen Angeboten werden unterschiedliche Nutzerinteressen angesprochen. Der Wochenplan des Seniorentreffs MEKAN mit der Angebotsübersicht einschließlich Stundenumfang ist als Anlage beigefügt. Die Angebote sollen allen älteren Menschen mit und ohne Migrationshintergrund offen stehen. Über die in den Angeboten im Einzelnen gesprochenen Sprachen liegen keine Erkenntnisse vor. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden statistisch weder namentlich noch hinsichtlich ihrer Herkunft erfasst. Daher kann nicht beantwortet werden, welche Gruppen diese Angebote in welcher Anzahl nutzen. 8) Aktuell ist der türkischsprachigen Presse vom 18.10.2019 zu entnehmen , dass einer großen Gruppe von circa 150 Personen, die seit 15 Jahren ein generationsübergreifendes interkulturelles Musikprojekt im Seniorentreff MEKAN durchführten, von der AWO „gekündigt“ wurde. Was ist der Grund für die Kündigung des Angebots durch den Träger AWO? Welche Gespräche hat die AWO mit den betroffenen geführt, um welche Lösungen anzubieten? Der Seniorentreff MEKAN wird durch das Bezirksamt Altona auf der Grundlage der Globalrichtlinie der bezirklichen offenen Seniorenarbeit gefördert. Das Bezirksamt Altona hat im Rahmen dieser Förderung auch die Räume des Seniorentreffs angemietet . Für die Nutzung öffentlicher Gebäude und Einrichtungen durch Dritte gilt die dienstliche Anweisung Nummer 58 „Nutzungsentgelte der Bezirksämter“. Der Träger des Seniorentreffs ist dazu verpflichtet, diese Vorgaben des Bezirksamtes Altona zu beachten. Das Bezirksamt hatte im Oktober 2019 den Träger darauf aufmerksam gemacht, das die unentgeltliche Nutzung der Räume im Seniorentreff MEKAN durch Dritte, die Kurse gegen Entgelt anbieten, der oben angeführten Dienstanweisung widerspricht. Der Träger hat daraufhin ein persönliches Gespräch mit dem Anbieter geführt und ihm den Sachverhalt erläutert, nämlich dass bei einer gewerblichen Nutzung der Räumlichkeiten im Seniorentreff MEKAN ein Entgelt für diese Nutzung zu entrichten ist. Da keine Einigung zwischen dem gewerblichen Anbieter und dem Träger erreicht werden konnte, musste die unentgeltliche Nutzungsüberlassung für einen gewerblichen Zweck beendet werden. 9) Aus Sicht der betroffenen Senioren mit Migrationshintergrund ist immer wieder zu hören, dass sie sonst keine anderen Orte und Treffs hätten, wo sie ihre Freizeit in Altona verbringen können. Wann wurde zuletzt geprüft, ob die bestehenden Seniorentreffs in Altona, bei der demografischen Entwicklung im Bezirk, ausreichend sind? Welche Planungen bestehen hinsichtlich einer Erweiterung beziehungsweise Anpassung der Angebotsstrukturen? Es gibt in den geförderten Seniorentreffs im Bezirk Altona noch räumliche Kapazitäten , die bei einer Angebotserweiterung genutzt werden können. Bei neuen Baugebieten beziehungsweise der Entstehung neuer Quartiere wird vom Bezirksamt Altona regelhaft geprüft, ob eine Anpassung oder Erweiterung der Angebotsstruktur in diesem Baubereich realisiert werden kann. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18759 5 Anlage 18759ska_ds_mail 18759ska_Anlage_ds_mail_geschwärzt