BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18787 21. Wahlperiode 01.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 24.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Sichere Räumlichkeiten für die Liberale Jüdische Gemeinde Hamburg (LJGH) Die staatliche und gesellschaftliche Förderung von jüdischem Leben in der Freien und Hansestadt Hamburg und ganz Deutschland ist aus unserer historischen Verantwortung geboten und unter allen demokratischen Parteien allgemeiner Konsens. In den vergangenen Jahrzehnten haben die verschiedenen Hamburger Senate und Bundesregierungen unbeachtet ihrer parteipolitischen Zusammensetzung viel getan, um diesem Anspruch gerecht zu werden . Dies wird nicht zuletzt durch den Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden manifestiert. Der Anschlag in Halle (Saale) am 9. Oktober auf eine Synagoge hat erschreckend verdeutlicht, dass mehr als 70 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus Antisemitismus noch immer eine tödliche Bedrohung für Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland ist. Allein den Sicherungsmaßnahmen am Gebäude in Halle ist zu verdanken, dass es dem Täter nicht gelungen ist, in die Synagoge einzudringen. Der Anschlag hat Juden in ganz Deutschland und auch in Hamburg verunsichert . Die Freie und Hansestadt Hamburg muss alles daransetzen, die freie und sichere Religionsausübung aller Hamburger Juden zu gewährleisten. Die Liberale Jüdische Gemeinde Hamburg e.V. (LJGH) gründete sich erstmals 1817 und bereichert seit 2004 in ihrer jetzigen Form wieder das jüdische Leben in Hamburg. Seit ihrer Wiedergründung ist die Gemeinde auf der Suche nach eigenen Räumlichkeiten und muss das Gemeindeleben auf drei provisorische Standorte aufteilen. Keiner der drei provisorischen Standorte verfügt über eine ausreichende Sicherheitsausstattung, die Sicherheitstüren, einen Sicherheitsdienst und Videoüberwachung beinhaltet, sodass das Gemeindeleben aufgrund vieler Sicherheitsbedenken leidet. Die Freie und Hansestadt ist hier in der Pflicht, der LJGH unterstützend zur Seite zu stehen . Angst vor antisemitischem Terror darf jüdisches Leben in Hamburg niemals einschränken. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das jüdische Gemeindeleben findet in Hamburg überwiegend in zwei Gemeinden statt: Zum einen in der Jüdischen Gemeinde in Hamburg (JGHH) – Körperschaft des öffentlichen Rechts –, die die Rechtsnachfolgerin der Vorkriegsgemeinde ist und mit der ein Staatsvertrag besteht. Zum anderen in der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg e.V. (LJGH), die 2004 von jüdischen Zuwanderern aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion gründet worden ist. Die JGHH hat als Rechtsnachfolgerin der Drucksache 21/18787 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vorkriegsgemeinde verschiedene Restitutionsleistungen für Enteignungen und Zerstörungen während der Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft erhalten, die LJGH als Neugründung nach der Jahrtausendwende nicht. Daher und aufgrund der erheblich geringeren Mitgliederzahl verfügt die LJGH über keine eigenen Immobilien. Die Zusammenkünfte der LJGH fanden daher nach der Gründung 2004 in verschiedenen Räumlichkeiten statt, unter anderem wurden auch schulische Räume mitgenutzt . Um die LJGH – und auch andere jüdische Gruppen – vor diesem Hintergrund zu unterstützen, hat der Senat das Jüdische Kulturhaus auf dem Gelände der ehemaligen Israelitischen Töchterschule in der Flora-Neumann-Straße eingerichtet. Die Räumlichkeiten wurden denkmalgerecht saniert und um einen Anbau mit Seminarund Verwaltungsräumen erweitert (vergleiche Drs. 20/7352). Damit wurde für die verschiedenen liberalen jüdischen Gruppierungen in Hamburg nicht nur ein Gebetsraum geschaffen, sondern auch die Möglichkeit, Veranstaltungen des Gemeindelebens durchzuführen. Darüber hinaus soll das Kulturhaus auch Raum für andere Veranstaltungen , bevorzugt mit Bezug zum jüdischen Leben in Hamburg, bieten. Seitdem stellt der der Senat jüdischen Gruppen – und dabei vornehmlich der LJGH – den Versammlungsraum sowie die Sitzungsräume zur Verfügung. Die Raumbelegung wird vom Dachverband der liberalen jüdischen Gemeinden in Deutschland, der Union progressiver Juden in Deutschland, K.d.ö.R., koordiniert. Daneben nutzt die LJGH noch weitere städtische Räume sowie privat zur Verfügung gestellte Räumlichkeiten. Die bestehende Gefährdungseinschätzung der Polizei wurde nach dem Terroranschlag in Halle aktualisiert und es wurden Gespräche mit Verantwortlichen der LJGH geführt. Darin wurden unter anderem die bestehenden Sicherheitsausstattungen und die Frage einer Erweiterung erörtert. Die Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle des Landeskriminalamtes hat an Objekten der LJGH Präventionsberatungen durchgeführt. Die Beratungen umfassten individuell auf den Einzelfall ausgerichtete Empfehlungen zu organisatorischen, technischen und baulichen Sicherungsmöglichkeiten sowie Hinweise zur Verhaltensprävention. Individuelle Sicherungsempfehlungen wurden erstellt; Anpassungen wurden teilweise bereits vorgenommen. In ständiger Praxis gibt der Senat zu Details möglicher Schutzmaßnahmen keine Auskünfte, um die Wirkung dieser Schutzmaßnahmen nicht zu gefährden (siehe auch Drs. 21/18653). Dem Senat ist bekannt, dass es hinsichtlich der Räumlichkeiten im Kulturhaus verschiedentlich zu Nutzungskonflikten gekommen ist, da die Räumlichkeiten insbesondere auch durch die die Reformsynagoge der JGHH in Anspruch genommen werden. Nach der Raumbelegungsplanung für das Kalenderjahr 2019 entfallen auf die LJGH 218 Nutzungen und auf die Reformsynagoge 21 Nutzungen, entsprechend einem Verhältnis von 91,2 Prozent zu 8,8 Prozent. Zu diesen Nutzungskonflikten und den weiteren Rahmenbedingungen der Nutzung stehen die zuständigen Behörden und die LJGH in einem Austausch. Im Übrigen erhält die LJGH einen Anteil an der Landesleistung in Höhe von 83 250 Euro p.a. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche konkreten Bemühungen hat die Freie und Hansestadt seit 2004 unternommen, um der LJGH bei der Suche nach eigenen Räumlichkeiten zu unterstützen? 2. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die aktuelle räumliche Situation der LJGH und welche weiteren Schritte sind geplant, um die Situation für die LJGH zu erleichtern? 3. Welche konkreten Schutzmaßnahmen ergreift der Senat, um trotz der fehlenden Sicherheitsausstattungen der provisorischen Räumlichkeiten der LJGH die freie und sichere Religionsausübung der LJGH zu ermöglichen ? Ist angesichts des Anschlags in Halle eine Ausweitung dieser Maßnahmen durchgeführt worden oder für die Zukunft geplant? Siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18787 3 4. Die LJGH befindet sich seit acht Jahren im Anerkennungsverfahren zum Körperschaftsstatus. Welche Erkenntnisse hat der Senat über den Stand des Verfahrens und wann rechnet er mit welchem Abschluss? Die Liberale Jüdische Gemeinde Hamburg e.V. hat mit Schreiben vom 11. Juni 2015 einen Antrag auf Verleihung der Körperschaftsrechte gestellt. Mit Schreiben vom 23. Juli 2015 hat die Senatskanzlei auf dieses Schreiben reagiert und ergänzende Informationen sowie weitere Unterlagen angefordert. Hintergrund hierfür war, dass zu den Voraussetzungen der Anerkennung auch eine gewisse Mindestgröße und eine Mindestbestandsdauer gehören. Seitdem hat die Gemeinde das Verfahren nicht weiter betrieben. Daher hatte der Senat bislang keine Veranlassung, sich mit den Erfolgsaussichten zu befassen.