BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18790 21. Wahlperiode 01.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carola Ensslen und Deniz Celik (DIE LINKE) vom 24.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Berichterstattung des Senats an die Bürgerschaft In der Drs. 21/18196 hat der Senat die Nachfrage nach einer durch die Hamburgische Bürgerschaft beschlossenen Berichterstattung zu den Modellrechnungen für den Passiv-Aktiv-Transfer mit folgendem Vorwort eingeleitet: „Vor dem Hintergrund des aus dem Rechtsstaatsprinzip des Artikels 3 Absatz 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV) fließenden Grundsatzes der Gewaltenteilung ist der Senat zur Beantwortung bürgerschaftlicher Ersuchen rechtlich nicht verpflichtet (siehe hierzu bereits Drs. 20/14531). Ungeachtet dessen kommt der Senat entsprechend seinem Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung den Ersuchen der Bürgerschaft in aller Regel nach und bemüht sich hierbei im Rahmen der Möglichkeiten auch um die Wahrung etwaiger Fristen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, im Vorhinein festzulegen, wann er eine Beantwortung beabsichtigt.“ Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Staatsgewalt ist im gewaltenteiligen Rechtsstaat (vergleiche Artikel 20 Absatz 1 GG, Artikel 3 Absatz 1 HV) nicht bei einem Staatsorgan zentralisiert, sondern verfassungsmäßig auf drei Gewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) aufgeteilt. Der Senat ist in diesem Gefüge ein selbstständiges Staatsorgan. Aus diesem Grund ist der Senat gegenüber der Bürgerschaft zwar rechenschaftspflichtig, er unterliegt aber nicht ihren Weisungen. Vielmehr steht die Gewaltenteilung einer Mitregierung durch das Parlament entgegen (BVerfG, std. Rspr., vergleiche zuletzt zum Beispiel Beschl. v. 17.06.2009, Az.: 2 BvE 3/07, Rdnr. 123; Beschl. v. 13.10.2016, Az.: 2 BvE 2/15, Rdnr. 120). Insofern ist der Senat vor dem Hintergrund der Organtreue verpflichtet, Ersuchen der Bürgerschaft zu prüfen; er ist aber nicht verpflichtet, ihnen zu entsprechen . Aus dem Grundsatz der Volksherrschaft (Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 HV) ergibt sich nichts anderes, da auch der Senat demokratisch legitimiert ist (David, HV, 2. Auflage 2004, Rdnr. 4 zu Artikel 34). Die parlamentarischen Informationsrechte dienen dazu, in der Regierung vorhandenes Wissen für parlamentarische Zwecke nutzbar zu machen. Sie dienen nicht dazu, die Tätigkeit der Regierung zu lenken oder die Regierung zu bestimmten Entscheidungen oder Tätigkeiten zu veranlassen. In der von den Fragestellern selbst zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2015 (Az.: 2 BvE 7/11) heißt es: „Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben.“ Das Ersuchen aus Drs. 21/16864 hat aber nicht das Ziel, in der Regierung vorhandenes Wissen abzufragen. Vielmehr wird die Regierung in dem Ersuchen aufgefordert, Drucksache 21/18790 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Modellrechnungen durchzuführen und Entlastungspotenziale zu ermitteln. Insofern wird kein vorhandenes Wissen abgefragt, sondern der Senat um eine bestimmte Tätigkeit ersucht. Damit sind die Grenzen des Fragerechts (Artikel 25 HV) und des Auskunftsrechts (Artikel 30 HV) überschritten. Im Übrigen siehe auch die Ausführungen in Drs. 21/18196 und Drs. 20/14531, in denen der Senat darstellt, entsprechend seinem Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung den Ersuchen der Bürgerschaft in aller Regel nachzukommen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Warum lassen Senat beziehungsweise zuständige Behörden in diesem Zusammenhang Artikel 3 Absatz 2 HV, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, unerwähnt? 2. Wie bewerten Senat beziehungsweise zuständige Behörden das Verhältnis von Artikel 3 Absätze 1 und 2 HV? Siehe Vorbemerkung. 3. In Artikel 25 HV ist das Fragerecht der Abgeordneten und in Artikel 30 HV das Auskunftsrecht der Bürgerschaft normiert. Wie ist das Ersuchen um Berichterstattung durch die Bürgerschaft rechtlich einzuordnen? Das bürgerschaftliche Ersuchen aus Drs. 21/16864 unterfällt weder Artikel 25 HV noch Artikel 30 HV, sondern ist als eine an den Senat gerichtete Bitte des Parlamentes zu qualifizieren. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist es unbestritten, dass dem Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten und Parlamente eine grundsätzliche Antwort- und Informationspflicht gegenübersteht (vergleiche nur BVerfG, Urteil vom 02.06.2015, 2 BvE 7/11). Wie bewertet der Senat beziehungsweise bewerten die zuständigen Behörden die bürgerschaftlichen Ersuchen um Berichterstattung vor diesem Hintergrund? 5. In der soeben zitierten Entscheidung führt das BVerfG in Randnummer 104 aus: „Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung , der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine vollständige Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung , zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin , dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 131).“ a. Wie erklärt der Senat beziehungsweise erklären die zuständigen Behörden, dass sie sich im Gegensatz zu den Ausführungen des Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18790 3 BVerfG gerade durch das Gewaltenteilungsprinzip rechtlich nicht zur Beantwortung bürgerschaftlicher Ersuchen verpflichtet sehen? b. Welche Auswirkungen haben diese Ausführungen des BVerfG auf die in der Einleitung zitierte Bewertung des Gewaltenteilungsprinzips im Hinblick auf die Beantwortung bürgerschaftlicher Ersuchen? c. Inwieweit hat dies Einfluss auf die zukünftige Praxis des Senats bei der Berichterstattung? Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts und sieht keinen Widerspruch zu seiner Staatspraxis. Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu 3. wird verwiesen. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.