BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18797 21. Wahlperiode 01.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 24.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehr 2017 bis 2019 Die Kräfte der Hamburger Feuerwehr schützen und retten unter Einsatz ihrer Gesundheit und bisweilen ihres Lebens die Hamburger Bevölkerung in Notsituationen . Gleichwohl werden die Einsatzkräfte leider immer häufiger Opfer von gewalttätigen Angriffen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamtinnen und Vollstreckungsbeamten sowie Rettungskräften ist im Jahr 2017 der tätliche Angriff aus dem Straftatbestand § 113 Strafgesetzbuch (StGB) „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ herausgelöst und der neue Straftatbestand § 114 StGB „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte “ geschaffen worden. Die PKS-Erfassung des neuen Straftatbestandes § 114 StGB erfolgt seit dem Jahr 2018 mit dem PKS-Schlüssel 621120. Für den Widerstand gegen Einsatzkräfte der Feuerwehr nahmen die Opferwerdungen im Jahresvergleich 2017/2018 laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zu, was im Wesentlichen auf den im Jahr 2018 neu eingeführten PKS-Schlüssel 621120 „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichgestellte Personen“ (§ 114 StGB) zurückzuführen ist. Bei den Angriffen gegen Einsatzkräfte handelt es sich um Straftaten. Erhält die Polizei Hinweise auf Störungen und/oder Angriffe gegen Einsatzkräfte der Feuerwehr, trifft sie alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Einsatzkräfte sowie zur Identifizierung etwaiger Störerinnen und Störer und/oder Straftäterinnen und Straftäter. Liegen bereits in Kenntnis eines bevorstehenden Einsatzes der Feuerwehr Lageerkenntnisse zu möglichen Störungen und/oder Straftaten vor, erfolgt das beiderseitige taktische Vorgehen in enger Abstimmung unter dem Schutz der Polizei. Beispielhaft sind Einsätze anlässlich besonderer polizeilicher Einsatzlagen zu nennen, wie Brandstiftungen im Zusammenhang mit demonstrativen Ausschreitungen. Im Übrigen erfasst die Polizei Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Daten zu Opfern werden in der PKS nur bei Delikten erfasst, für die im Straftatenkatalog eine Opfererfassung vorgesehen ist. Nach den aktuellen bundeseinheitlich geltenden PKS-Richtlinien betrifft dies grundsätzlich Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung ). Im Gegensatz zur „Echttäterzählung“ der Tatverdächtigen in der PKS handelt es sich bei der Opfererfassung um sogenannte Opferwerdungen, das heißt wenn eine Person im Laufe eines Jahres mehrfach Opfer von Straftaten geworden ist, wird sie auch mehrfach in der PKS erfasst. Opferdaten werden nicht auf Basis der Fälle, sondern auf Basis der Erfassungen der Opferwerdungen ausgewertet, sodass ein Fall mit Drucksache 21/18797 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 mehreren Opfern in der PKS mehrere Treffer generiert. Eine Verknüpfung mit Fallzahlen ist nicht möglich. Die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. Die Auswertung von PKS-Daten in Tabellenform als standardisierte Ergebnistabellen unterliegt einem bundesweit abgestimmten Prozess. Darin wird fachlich beschrieben, wie die PKS-Daten zu erheben sind und wie sie in den jeweiligen Ergebnistabellen ausgewertet werden. Eine standardisierte Auswertung nach Quartalen existiert nicht, sondern findet nur halbjährlich statt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Feuerwehrleute sind 2017, 2018 und in den ersten drei Quartalen 2019 Opfer eines gewaltsamen Angriffs geworden? Bitte nach Quartalen aufschlüsseln. Jahr/Quartal 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal gesamt 2017 16 13 21 27 77 2018 21 25 30 21 97 2019 24 21 24 69* * 2019: Daten des 3. Quartals können möglicherweise noch aufwachsen, da die Frist zur Antragstellung von Strafanträgen drei Monate beträgt, sodass noch Meldungen eingehen könnten, die von der Dienststelle rechtlich verfolgt werden Die in der Tabelle dargestellten Statistikdaten der Feuerwehr enthalten alle Übergriffe gegen Einsatzkräfte, die der Feuerwehr bekannt gegeben wurden. Es wurde in diesen Fällen immer Strafantrag gestellt. Zu den aus der PKS vorliegenden Daten im Sinne der Fragestellung siehe Anlage. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Welche Formen von Angriffen waren das im Einzelnen? Bitte nach Datum, Uhrzeit, Ort, Art des Übergriffes, Motiv, Art der Verletzung und Anlass des Einsatzes aufschlüsseln. 3. Wie viele Strafanzeigen wurden wegen dieser Angriffe 2017, 2018 und in den ersten drei Quartalen 2019 gestellt? Bitte nach Quartalen aufschlüsseln . 4. Wie viele Gegenanzeigen gegen Feuerwehrleute, das heißt Beschuldigungen als Anzeigeerstatter eine gewisse Straftat begangen zu haben, gab es im selben Zeitraum? Bitte ebenso nach Quartalen aufschlüsseln. Siehe Antwort zu 1. Im Übrigen werden statistische Daten im Sinne der Fragestellungen von der Polizei nicht erhoben. Für die Beantwortung wäre eine manuelle Durchsicht sämtlicher Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Kriminalpolizei erforderlich. Die Auswertung von über Hunderttausend Vorgängen pro Jahr ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Welche Schutzvorkehrungen für Einsatzkräfte Feuerwehr gegen Angriffe wurden wann eingeführt? Bitte mit Datum angeben. Die Einsatzkräfte auf allen Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeugen wurden mit neuen Rettungsdienstschutzhelmen mit Visier ausgestattet. Darüber hinaus wird zurzeit ein vereinfachtes Meldeverfahren für Vorfälle von Gewalt im Einsatzdienst realisiert. Im Übrigen erstattet die Dienststelle regelmäßig Anzeige, sobald sie Kenntnis von Übergriffen erhält. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18797 3 6. Inwiefern ist die Finanzierung von Stichschutzwesten geklärt und wie soll sie gegebenenfalls erfolgen? Da Angriffe mit Stichverletzungen in der Praxis keine relevante Rolle spielen, werden Stichschutzwesten nicht als geeignete Schutzmaßnahme betrachtet. Zudem setzt die Feuerwehr auf Gewaltprävention und Deeskalation. 7. Welche Art der Betreuung kommt den Feuerwehrleuten zugute, wenn sie während des Einsatzes Opfer von Gewalttaten wurden? Betroffenen Einsatzkräften stehen durchgehend an allen Tagen des Jahres mehrere Betreuungsangebote offen: Sondereinsatzgruppe Gesprächsnachsorge (SEGG) der Feuerwehr: Ein Team der SEGG sucht die betroffenen Einsatzkräfte vor Ort auf, führt Gespräche, unterstützt und begleitet. Feuerwehrseelsorge: Die Feuerwehrseelsorge kann jederzeit über die Leitstelle erreicht werden. Soziale Ansprechpartner (seit 2018): Die Sozialen Ansprechpartner wurden in einem zweitägigen Seminar geschult, um Kolleginnen und Kollegen gerade nach solchen Angriffen zu begleiten und auch hinsichtlich der Meldung des Ereignisses an die Dienststelle zu beraten. Sie sind an allen Feuer- und Rettungswachen tätig. Einzelfallbezogen wird auch auf individuell besonders geeignete Beratungsstellen hingewiesen, wie zum Beispiel die Opferhilfe Hamburg (Beratung bei Gewalt und Trauma) oder die Trauma-Ambulanz im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Darüber hinaus stehen auch Angehörigen der Feuerwehr grundsätzlich Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zu, wenn diese durch eine Gewalttat eine körperliche, geistige oder seelische Schädigung erlitten haben. 8. Wie viele Kräfte sind seit 2017 nach gewalttätigen Angriffen im Einsatz dienstunfähig und jeweils wie lange jeweils? Bitte nach Quartalen aufschlüsseln . 9. Wie viele der als dienstunfähig gemeldeten Kräfte seit 2017 sind dauerhaft dienstunfähig? Bitte nach Quartalen aufschlüsseln. Im Jahr 2017 kam es bei einer Einsatzkraft im 2. Quartal zu krankheitsbedingten Ausfallzeiten in Höhe von neun Tagen. Im Jahr 2018 kam es bei vier Einsatzkräften im 2. und 3. Quartal insgesamt zu krankheitsbedingten Ausfallzeiten in Höhe von insgesamt 138 Tagen. Eine weitere Einsatzkraft ist seit dem 2. Quartal 2018 bis heute dienstunfähig, sodass für diese Einsatzkraft im Jahr 2018 krankheitsbedingte Ausfallzeiten in Höhe von 230 Tagen und im Jahr 2019 in Höhe von 275 Tagen zu verzeichnen sind. Des Weiteren kam es bis zum Ende des 3. Quartals 2019 bei einer Einsatzkraft zu krankheitsbedingten Ausfallzeiten in Höhe von 59 Tagen. 10. Wie schätzt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Entwicklung der Angriffszahlen seit 2016 ein? Siehe Vorbemerkung. 11. Wie bewertet der Senat die Angriffe und was gedenkt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde gegen die Angriffe auf Einsatzkräfte der Feuerwehr zu tun, um der eigenen Fürsorgepflicht gerecht zu werden ? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/3516, 21/3635 und 21/7662. Im Übrigen bietet der zuständige Fachstab 32 – Kriminalprävention und Opferschutz – im Landeskriminalamt Hamburg allgemeine Informationen zur Gewaltprävention an, so unter anderem durch die bundesweite „Aktion tu-was“ (www.aktion-tu-was.de) des Programms Polizeiliche Kriminalprävention (ProPK) zum Thema „Zivilcourage“ wie auch über den Hamburger Flyer „Verhalten in herausfordernden Situationen“. Diese Drucksache 21/18797 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Tipps und Hinweise gelten für alle Bürgerinnen und Bürger und werden auf Nachfrage als allgemeine Leitlinie auch an Angehörige der Feuerwehr ausgegeben. Bewährte allgemeine Verhaltenstipps werden auch in der Handreichung „Gewalt an Arbeitsplätzen mit Kundenverkehr – Beschäftigte vor Übergriffen schützen“ vorgestellt. Sie richtet sich an Behördenleiterinnen und Behördenleiter, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie Personalverantwortliche. Po liz ei lic he K rim in al st at is tik 1. H j. 20 17 20 17 1. H j. 20 18 20 18 1. H j. 20 19 -- -- -- St ra fta te n ge sa m t 27 55 47 82 40 20 00 00 R oh he its de lik te /S tra fta te n ge ge n di e pe rs ön lic he F re ih ei t 25 53 35 56 25 da vo n 21 00 00 R au b/ rä ub er is ch e Er pr es su ng /rä ub er is ch er A ng rif f a uf K ra ftf ah re r 0 0 0 1 0 22 00 00 Kö rp er ve rle tz un g in sg es am t 19 40 28 40 17 da vo n 22 20 00 G ef äh rli ch e/ sc hw er e Kö rp er ve rle tz un g/ Ve rs tü m m el un g w ei bl ic he r G en ita lie n 5 7 4 8 3 22 40 00 Vo rs ät zl ic he e in fa ch e Kö rp er ve rle tz un g 13 30 23 31 14 22 50 00 Fa hr lä ss ig e Kö rp er ve rle tz un g 1 3 1 1 0 23 20 00 N ac hs te llu ng /F re ih ei ts be ra ub un g/ N öt ig un g/ Be dr oh un g 6 13 7 15 8 da vo n 23 22 00 N öt ig un g 4 4 1 5 4 23 23 00 Be dr oh un g 2 9 6 9 4 62 10 00 W id er st an d ge ge n di e St aa ts ge w al t 2 2 12 26 15 da vo n 62 10 30 W id er st an d ge ge n gl ei ch ge st el lte P er so ne n § 1 14 S tG B 2 2 en tfä llt en tfä llt en tfä llt 62 11 10 W id er st an d ge ge n Vo lls tre ck un gs be am te u nd g le ic hs te he nd e Pe rs on en § § 11 3, 11 5 St G B en tfä llt en tfä llt 1 3 2 62 11 20 Tä tli ch er A ng rif f a uf V ol ls tre ck un gs be am te u nd g le ic hs te he nd e Pe rs on en § § 11 4, 11 5 St G B en tfä llt en tfä llt 11 23 13 O pf er sp ez ifi k B er uf /T ät ig ke it (V ol ls tr ec ku ng sb ea m te u nd R et tu ng sd ie ns te ) hi er : F eu er w eh r O pf er w er du ng en PK S- Sc hl üs se l D el ik t Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18797 5 Anlage 18797ska_Text 18797ska_Anlage