BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18807 21. Wahlperiode 01.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 25.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Pädagogisches Konzept „Original Play“ – Kindesmissbrauch in einer Hamburger Kita? Am 24. Oktober 2019 berichtete das ARD-Magazin Kontraste über Ermittlungen wegen des Missbrauchsverdachts in Kitas in Berlin und Hamburg im Zusammenhang mit einem pädagogischen Konzept namens „Original Play“. Auch in einer Hamburg Kita soll es zu einem Missbrauchsfall gekommen sein.1 Laut der Zeitung „Der Tagesspiegel“ wird „Original Play“ „seit Jahren in Kindereinrichtungen als pädagogisches Konzept angeboten, ohne dass Behörden oder Träger das „sektenähnlich organisierte Geschäftsmodell“ unter dem Aspekt des Kinderschutzes geprüft hätten.“2 Viele Eltern wissen nicht, dass wildfremde Erwachsene in engem Körperkontakt mit ihren Kindern spielen. In Berlin und Hamburg zeigten Eltern Missbrauchsfälle und sogar Vergewaltigungen an. Laut der Zeitung „Der Tagesspiegel“ erklärte der „Freistaat Bayern (…): Original Play hat in unseren Kindereinrichtungen nichts zu suchen.“3 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die für die Kindertagesbetreuung zuständige Behörde wurde erstmals im Sommer 2017 durch eine Elternbeschwerde auf die Anwendung von „Original Play“ in der Einrichtung „Bewegungskita Eimsbüttel“ aufmerksam. In einem umgehenden Gespräch mit dem Träger wurde die kritische Haltung der Kita-Aufsicht der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde in Bezug auf das „Original Play“-Angebot kommuniziert und durch den Träger geteilt. Es wurde die sofortige Beendigung des Angebots veranlasst . Im Anschluss daran veranstaltete die Kita einen Elternabend um die betroffenen Familien zu informieren. Die Kita-Aufsicht hat daraufhin ein Rundschreiben veröffentlicht und dieses an alle Verbände, Träger und Einrichtungen versandt: https://www.hamburg.de/contentblob/ 9896718/9ca94dade382408dae7865b251433ba1/data/rahmenvereinbarungkinderschutz -hinweis.pdf. In diesem Rundschreiben wird auf die Vertragspartner und Vertragspartnerinnen des Landesrahmenvertrages Kindertagesbetreuung verpflichtende „Rahmenvereinbarung zum Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe gemäß §§ 8a Absatz 4 und 72a 1 Vergleiche Kontraste. Das Magazin aus Berlin, Kindesmissbrauch in deutschen Kitas, 24.10.2019, https://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-vom-24-10-2019/ kindesmissbrauch-an-deutschen-kitas.html, abgerufen am 25.10.19. 2 Vergleiche „Der Tagesspiele“, Warnung vor Kita-Spiel „Original Play“. Einladung zu Übergriffen an Kindern“, 24.10.19, https://www.tagesspiegel.de/berlin/warnung-vor-kita-spieloriginal -play-einladung-zu-uebergriffen-an-kindern/25152732.html, abgerufen am 25.10.19. 3 Vergleiche ebenda. Drucksache 21/18807 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Absatz 2 und 4 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vom 7. September 2006“ hingewiesen . Es wird deutlich gemacht, dass die Träger sich auch bei neben- und ehrenamtlichen Beschäftigten ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen lassen haben. Zudem empfiehlt das Rundschreiben, dass sich die Träger von Kitas von Personen, die die Voraussetzungen für die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses eigentlich nicht erfüllen, ebenfalls im Einzelfall ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen lassen sollen, wenn beispielsweise einmalige Kontakte zu Kindern erfolgen, die geplant und mit engem Körperkontakt verbunden sind. Zudem wird auf das Beratungsangebot der Kita-Aufsicht bei Unsicherheiten zum Schutzauftrag der Einrichtungen hingewiesen. Im Sommer 2018 wurde der Kita-Aufsicht die Durchführung des Konzepts „Original Play“ in der „Evangelisch Lutherischen Integrationskita Bugenhagen“ bekannt. Die Kita-Aufsicht hat ihre ablehnende Haltung bezüglich „Original Play“ gegenüber dem Träger deutlich gemacht. Das Angebot wurde seitens des Trägers umgehend eingestellt . Am 15. Oktober 2018 wurde bei der Staatsanwaltschaft Hamburg ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingetragen, welches zunächst am 14. und später nochmals am 28. September 2018 bei der Polizei Hamburg durch eine Strafanzeige der Eltern des betroffenen Kindes eingeleitet worden war. Das zur Tatzeit drei Jahre alte betroffene Kind hatte seinen Eltern gegenüber angegeben, dass der Beschuldigte externe Mitarbeiter einer Kita im Rahmen des Angebots „Original Play“ es sexuell missbraucht haben soll. Das Verfahren wurde am 27. März 2019 mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt. Die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde hat das pädagogische Konzept von „Original Play“ geprüft. Nach ihrer Auffassung orientiert sich das Konzept an den Bedürfnissen Erwachsener und ergibt keinen pädagogischen Mehrwert für Kinder. Durch intensiven Körperkontakt begünstigt es die Möglichkeit von grenzüberschreitendem Verhalten gegenüber Kindern und orientiert sich nicht an den Bedürfnissen des Kindes nach körperlicher Nähe und Spiel. Darüber hinaus wird das Angebot zuweilen durch Personen, die den Eltern und der Kita nicht bekannt sind, ausgeführt, wodurch die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde nicht ausschließen kann, dass dadurch das Kindeswohl in den Einrichtungen gefährdet ist. Die für Kindertagebetreuung zuständige Behörde wird überall da, wo Erkenntnisse vorliegen, dass das Konzept „Original Play“ in Kitas angeboten wird, mit den verantwortlichen Trägern Kontakt aufnehmen. Grundsätzlich rät die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde unter dem Aspekt der Gewährleistung des Kindeswohles allen Kitas ausdrücklich davon ab, das Konzept „Original Play“ anzubieten. Träger erhalten hierzu im Rahmen des § 8b SGB VIII fachliche Beratung und Unterstützung durch die Kita-Aufsicht. Verantwortlich für die Einhaltung des Schutzauftrags gemäß §§ 8a und 72a SGB VIII in den Einrichtungen sind aber in erster Linie die Kita-Träger. Die Kita-Trägerberatung der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde berät und unterstützt Kita-Träger zur Qualitätssicherung und -entwicklung ihres Betreuungsangebots sowie zu konzeptionellen Fragen des Kinderschutzes. Im Übrigen siehe auch https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/13111898/2019-10- 25-basfi-kita-original-play/. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen zum Teil auf Grundlage von Auskünften der Vertragspartner des Landesrahmenvertrages „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen“ (Arbeiterwohlfahrt Landesverband Hamburg e.V.; Caritasverband für Hamburg e.V.; Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Hamburg e.V.; Der PARI- TÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg e.V.; Diakonisches Werk Hamburg e.V., Kindermitte e.V. – Bündnis für soziales Unternehmertum und Qualität in der Kindertagesbetreuung e.V.; SOAL – Alternativer Wohlfahrtsverband e.V. Landesverband Hamburg, Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH) und der nicht verbandlich organisierten Träger von Kindertageseinrichtungen, wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse beziehungsweise Hintergründe liegen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde über den genannten Miss- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18807 3 brauchsfall in einer Hamburger Kita im Zusammenhang mit dem pädagogischen Konzept „Original Play“ vor? 2. Welche Maßnahmen hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde nach Bekanntwerden der Vorwürfe ergriffen? 3. Wann hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde von einzelnen Missbrauchsvorwürfen jeweils Kenntnis erhalten? 4. Welche Ermittlungen gab es? Was ist jeweils aktueller Stand der Ermittlungen ? 5. Wann und in welcher Form wurden die Eltern betroffener Kitas informiert ? 6. Hat der der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde das pädagogische Konzept „Original Play“ unter dem Aspekt des Kinderschutzes geprüft? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 7. Hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde Kenntnis, dass das pädagogische Konzept „Original Play“ in Hamburger Kitas eingesetzt wird? a) Wenn ja, in welchen Kitas? Bitte nach Stadtteilen und Bezirken aufschlüsseln . b) Wenn nein, wird sich der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde mit dem pädagogischen Konzept „Original Play“ befassen? 8. Plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde das pädagogische Konzept „Original Play“ zu verbieten? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? Der zuständigen Behörde sind seit dem 28. Oktober 2019 drei Kitas des Trägers evangelisch-lutherischer Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein und der Kinderladen Chamäleon bekannt, die das Konzept „Original Play“ anbieten. Alle Einrichtungen befinden sich im Bezirk Altona, die zuletzt genannte im Stadtteil Altona-Nord. Zudem hat eine weitere Kita am 28. Oktober 2019 der Kita-Aufsicht der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde mitgeteilt, das pädagogische Konzept „Original Play“ in der Kita anzubieten. Grundsätzlich handelt es sich bei den erfragten Informationen gemäß §§ 35 Absatz 1 SGB I, 61 fortfolgende SGB VIII, 67 fortfolgende SGB X um geschützte Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Träger gemäß §§ 35 Absatz 4 SGB I, 67 Absatz 2 S. 2 SGB X, die der Senat gemäß § 67 b Absatz 1 SGB X nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Übermittlungsbefugnis im SGB oder gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a DS-GVO mit Einwilligung der Betroffenen weitergeben darf. Das SGB enthält keine Übermittlungsbefugnis zugunsten der Beantwortung Parlamentarischer Anfragen. Eine Einwilligung der betroffenen Träger zur Datenübermittlung liegt nur teilweise vor. Der Senat ist daher aus Gründen des Sozialdatenschutzes nach § 35 SGB I, §§ 61 fortfolgende SGB VIII, §§ 67 fortfolgende SGB X an der weitergehenden Beantwortung der Fragen gehindert. Darüber hinaus wurde das Konzept „Original Play“ in keiner weiteren Kita eingesetzt beziehungsweise durchgeführt. Die Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH haben mitgeteilt, dass keine Kitas des Trägers das Programm „Original Play“ einkaufen oder anbieten dürfen. Fachlich hat sich die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde zu dem Konzept von „Original Play“ klar positioniert. Sie kann den Einsatz von bestimmten Konzepten Drucksache 21/18807 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 nur dann untersagen, wenn sich daraus Anhaltspunkte für eine konkrete Kindeswohlgefährdung ergeben. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.