BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18809 21. Wahlperiode 01.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jörg Hamann (CDU) vom 25.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Enteignungen in Hamburg? Der Senat propagiert in der jüngsten Vergangenheit immer wieder Enteignungen von Grundbesitz als probates Mittel zur Durchsetzung oder Erreichung politischer Ziele. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat zieht die Enteignung von Grundeigentum ausschließlich in den gesetzlich vorgesehenen Fällen und zu den gesetzlich vorgesehenen Zwecken in Betracht, wenn ein freihändiger Erwerb des benötigten Grundeigentums scheitert, das Wohl der Allgemeinheit die Enteignung erfordert und der Enteignungszweck nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann. Gesetzliche Grundlagen für die Enteignung finden sich in folgenden Bundesgesetzen: Baugesetzbuch (§§ 85 bis 122 BauGB), Allgemeines Eisenbahngesetz (§ 22 AEG), Bundesfernstraßengesetz (§ 19 FStrG), Bundeskleingartengesetz (§ 15 BKleingG), Bundeswasserstraßengesetz (§ 44 WaStrG), Energiewirtschaftsgesetz (§ 45 EnWG), Luftverkehrsgesetz (§ 28 LuftVG), Magnetschwebebahnplanungsgesetz (§ 7 MBPlG), Personenbeförderungsgesetz (§ 30 PBefG) sowie in folgenden Landesgesetzen: Hamburgisches Enteignungsgesetz (HEG), Hafenentwicklungsgesetz (§ 15), Hamburgisches Abfallwirtschaftsgesetz (§ 12 HmbAbfG), Hamburgisches Denkmalschutzgesetz (§ 20 fortfolgende), Hamburgisches Wassergesetz (§ 74 HWaG), Hamburgisches Wegegesetz (§ 15b HWG). Neben der Enteignung, die auf den dauerhaften Entzug und die Übertragung von Grundeigentum gerichtet ist, eröffnet das Enteignungsrecht auch die Besitzeinweisung Drucksache 21/18809 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 als Unterfall der Enteignung, die auf die vorübergehende Verschaffung des Besitzes an dem betroffenen Grundstück gerichtet ist. Hintergrund von Enteignungs- und Besitzeinweisungsverfahren sind stets Infrastrukturmaßnahmen . Dementsprechend beabsichtigt der Senat keine Enteignung von leerstehenden Wohngebäuden mit dem Ziel, diese der Wohnnutzung zuzuführen. Probate Mittel hierfür sind die Ausübung eines Vorkaufsrechts oder die Instrumente gemäß dem Wohnraumschutzgesetz. Im Übrigen siehe Drs. 21/17503. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In welchen Fällen sieht der Senat grundsätzlich den Bedarf beziehungsweise die Notwendigkeit zur Enteignung von Grundbesitz? Siehe Vorbemerkung. 2. In welchen Fällen sieht der Senat konkret einen aktuellen Bedarf beziehungsweise die Notwendigkeit zur Enteignung von Grundbesitz? Derzeit laufen verschiedene fachplanungsrechtliche Zulassungsverfahren (zum Beispiel Planfeststellungsverfahren), nach deren Plänen privates Grundeigentum in Anspruch genommen werden muss. Diese Verfahren bedeuten allerdings nicht zwangsläufig die Notwendigkeit einer Enteignung. Der Senat strebt prinzipiell den einvernehmlichen Übergang des Eigentums an. 3. Gibt es zurzeit laufende Verfahren zur Enteignung von Grundbesitz? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche sind das? Bitte exakt benennen und die Gründe darstellen . Zurzeit bearbeitet die Finanzbehörde als Enteignungsbehörde 16 Enteignungsverfahren und 18 eigenständige Besitzeinweisungsverfahren. Hintergrund der Verfahren sind die Infrastrukturmaßnahmen der Umgehungsstraße Finkenwerder, der Airbus- Werkserweiterung, des DESY-Röntgenlaser-Tunnels (XFEL), der Deutschen Bahn (Elektrifizierung der Strecke Hamburg-Lübeck, sowie einzelne Brückenbauwerke), der Deicherhöhung (Wilhelmsburg) und des A-7-Deckels (Stellingen) sowie Straßenerweiterungsmaßnahmen in Schnelsen. Zum Inhalt einzelner Verwaltungsverfahren nimmt der Senat aus Datenschutzgründen grundsätzlich nicht Stellung. 4. Welche Fälle von Enteignungen gab es seit dem Jahr 2011? Bitte exakt benennen und die jeweiligen Gründe darstellen. Siehe Drs. 21/17503. 5. Wie lange dauerten die abgeschlossenen Enteignungsverfahren jeweils? Die seit 2011 abgeschlossenen Enteignungs- und Besitzeinweisungsverfahren dauerten zwischen sechs Monaten und in einem Einzelfall 16,5 Jahren. 6. Welche Entschädigungen wurden jeweils gezahlt? Zur Höhe von Entschädigungszahlungen in einzelnen Enteignungsverfahren äußert sich der Senat aus Datenschutzgründen nicht. 7. Gab es Enteignungsverfahren, die im laufenden Prozess abgebrochen wurden? Wenn ja, welche Verfahren waren dies und aus welchen Gründen wurden sie abgebrochen? Verfahren vor der Enteignungsbehörde können eingestellt werden, wenn der entsprechende Antrag zurückgenommen wird, die Beteiligten sich vor der Enteignungsbehörde einigen oder wenn der/die Antragsteller/in das Verfahren erkennbar nicht weiter betreibt. Seit 2011 wurden drei Enteignungsverfahren wegen Rücknahme des Antrags und ein Enteignungsverfahren wegen Einigung der Beteiligten sowie 18 Besitzeinweisungs- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18809 3 verfahren wegen Rücknahme des Antrags und zwei Besitzeinweisungsverfahren wegen Einigung der Beteiligten eingestellt. 8. Gab es Fälle von Enteignungen, die sich im Nachhinein als grund- und nutzlos herausgestellt haben? Etwa für geplante aber nicht umgesetzte Straßenbaumaßnahmen? Wenn ja, welche sind dies? Bitte exakt benennen und die jeweiligen Gründe darstellen. Nein. In dem hier betrachteten Zeitraum der Sachentscheidungen der Enteignungsbehörde seit 2011 sind alle zugrunde liegenden Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt worden.