BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18810 21. Wahlperiode 05.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 28.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Verwahrlosung der Stadt – Beschmieren von Lärmschutzwänden (II) Wie unter anderem in der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/14462 von 2018 oder der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/3440 von 2016 bemängelt , haben auch in diesem Jahr sogenannte Sprayer in großem Umfang durch Steuergeld finanzierte Infrastruktur mit Graffitis verunstaltet und beschädigt. Gemäß eines Artikels der „Bild“-Zeitung vom 18.10.2019, betrifft dies insbesondere die neu errichteten Lärmschutzwände an der Wilhelmsburger Reichsstraße. Wie schon im Vorjahr bei den neuen Lärmschutzwänden an der A 7, kann man auch in diesem Jahr den täglichen Fortschritt der Schmierereien verfolgen. Besonders ärgerlich ist, dass im Falle der jetzt betroffenen Lärmschutzwände nicht nur deren Erscheinungsbild verschandelt, sondern auch noch ihre Funktion beeinträchtigt wird. Die aufgebrachte Sprühfarbe verstopft, nach Angaben einer Behördensprecherin, die Poren des Betons, aus dem die Lärmschutzwände gefertigt sind und die für die lärmreduzierenden Eigenschaften der Wände essenziell sind. Bereits zwei Wochen nach Eröffnung der Strecke sei bereits ein Drittel der 16 km, welche mit Lärmschutzwänden ausgestattet seien, mit Graffitis beschmiert. Die Kosten für die nun unmittelbar erforderliche Entfernung der Graffitis sind gemäß des Artikels unbekannt. Es bleibt festzustellen, dass sich die Verunstaltung des öffentlichen Raumes weiterhin unbehelligt ausbreiten kann und der Senat, der in dieser Sache völlig konzeptlos ist, wie bisher tatenlos zusieht. Leidtragende sind Geschädigte und weite Teile der Bevölkerung, die diese aufgezwungene Gestaltung unseres Umfeldes hinzunehmen haben. Bereits aus der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/3440 ging hervor, dass die Beseitigung von Graffitis im Jahr 2015 in Hamburg deutlich über 1 Million Euro verschlungen hat. Da diese Beseitigungen sich im Stadtbild kaum bemerkbar gemacht haben, dürfte der tatsächlich angerichtete Schaden um ein Vielfaches höher liegen. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: 1. In wessen Verantwortung fällt die Beseitigung der sogenannten Graffitis an den Lärmschutzwänden der Wilhelmsburger Reichstraße? Die Beseitigung von Graffiti an den Lärmschutzwänden der Wilhelmsburger Reichsstraße obliegt der Autobahnmeisterei Stillhorn, die dem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) zugeordnet ist. Drucksache 21/18810 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Besteht die Absicht, diese sogenannten Graffitis wieder zu entfernen? Wenn ja, bis wann kann damit gerechnet werden? Sexistisch oder rassistisch motivierte Graffitis werden nach Bekanntwerden umgehend entfernt. Eine Entfernung aller sonstigen Graffitis in der Stadt kann nicht regelhaft gewährleistet werden. 3. Wie hoch werden aufgrund bisheriger Erfahrungswerte die Kosten für die Entfernung der Graffitis an den Lärmschutzanlagen der Wilhelmsburger Reichsstraße mindestens ausfallen? Die Kosten für die Entfernung von Graffiti liegen je nach Beschaffenheit der Oberfläche (Beton, Glas et cetera) bei etwa 15 Euro/m2 bis etwa 20 Euro/m2. 4. Wer trägt die Kosten für die Entfernung der Graffitis? Die Kosten für die Entfernung von Graffitis an den Lärmschutzwänden der Wilhelmsburger Reichsstraße werden aus dem Bundeshaushalt finanziert. 5. Gibt es irgendeinen Ansatz einer Strategie seitens des Senats, Sachbeschädigungen in dieser Form irgendwie einzudämmen, insbesondere in dem vorliegenden Fall? Die Polizei greift aktuell mit der am 30. September 2019 eröffnete Kampagne „In Hamburg schaut man hin“ das Thema Graffiti auf. Mit dem Slogan „Rubens oder Rowdy“ wird die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf Sachbeschädigungen durch Graffiti gelenkt, um so verstärkt Hinweise auf Täter zu erlangen. Unabhängig von der aktuellen Kampagne gehören Präventionsinformationen zum dauerhaften Medienangebot (Print) des Programms „Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK)“. Sie sind feste inhaltliche Bestandteile der vom ProPK getragenen Webseiten polizei-beratung.de (Informationen für Jedermann) und polizeifürdich.de (Informationen speziell für Jugendliche). Das themenbezogene Informationsblatt „Sprühende Fantasie kann teuer werden“ mit weiteren Erläuterungen kann über jede Polizeidienststelle bezogen werden. An allgemeinbildenden Schulen findet verbindlich der durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte durchgeführte Präventionsunterricht statt. In der 7. Klasse werden dabei unter dem Komplex „Gewalt gegen Sachen“ regelmäßig auch das Thema Graffiti und mögliche straf- und zivilrechtliche Folgen für Täterinnen und Täter sowie Tatbeteiligte thematisiert. Darüber hinaus gehört das Thema „Bauliche beziehungsweise technische Vorkehrungen gegen Vandalismus/Graffiti“ zum Beratungsangebot der Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle des Landeskriminalamtes (LKA FSt 33). Diese Expertise wird auch im Rahmen der städtebaulichen Kriminalprävention genutzt. So wird beispielsweise im Zuge von Bauprojektberatungen auf die Möglichkeit der Anbringung sogenannter Opferschichten, das heißt Schichten, die eine schnelle Entfernung von Graffitis ermöglichen, hingewiesen. Die Anbringung solcher Opferschichten ist freiwillig und obliegt dem Projektträger. Im Übrigen siehe Drs. 21/18664. 6. Um wie viel Dezibel ist die durchschnittliche Lärmbelastung hinter den beschmierten Abschnitten der benannten Lärmschutzanlagen höher als hinter den nicht beschmierten? Wurden dadurch bereits gesetzliche Grenzwerte für die Anwohner überschritten? 7. Wenn der Senat dazu keine Aussage treffen kann aufgrund nicht vorhandener Messdaten, besteht die Absicht, solche mittels eigener Messungen in Erfahrung zu bringen? Wenn nein, warum nicht? 8. Werden durch die Graffitientfernung die lärmschluckende Funktion der Lärmschutzwände wiederhergestellt und die ursprünglichen Lärmdämmwerte der Anlagen vollumfänglich wieder erreicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18810 3 Um Schall absorbieren zu können, müssen Lärmschutzwände eine „poröse“ Oberfläche aufweisen in die der Schall eindringen kann. Dies kann beispielsweise über Lochbleche mit Mineralwollfüllung oder Porenbeton erreicht werden. Das Aufbringen von Farben kann die Struktur der Oberfläche verändern. Eine aktuelle Messung an verschiedenen Proben auf Lärmschutzwänden zeigt jedoch, dass dies lediglich zur sehr geringen Änderungen der Absorptionsfähigkeit, aber keiner funktionalen Schädigung der Lärmschutzelemente, führt. Die gesetzlichen Grenzwerte werden aufgrund von Graffiti im Allgemeinen nicht überschritten. Durch die Entfernung der Graffitis wird die Funktion der Lärmschutzwände dementsprechend nur unwesentlich beeinträchtigt. 9. Wie viel Prozent der notwendigen Reinigungskosten werden bei erfolgreicher Verurteilung von ermittelten Tätern durchschnittlich durch verhängte Strafen beziehungsweise Bußgelder et cetera beglichen? Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA wird nicht erfasst, ob Verfahren, die wegen des Verdachts einer Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB geführt werden, im Zusammenhang mit Graffitis stehen. Für eine Beantwortung der Frage müssten daher sämtliche Verfahrensakten, die unter dem vorgenannten Tatvorwurf notiert wurden, beigezogen und händisch ausgewertet werden. Hierbei handelt es sich jährlich um deutlich mehr als 10 000 Unbekannt- und rund 4 000 Bekanntverfahren. Die Anzahl der rechtskräftigen Verurteilungen wegen des genannten Tatvorwurfs liegt seit dem Jahr 2015 bei insgesamt über 1 500. Die Beiziehung und Auswertung dieser Verfahren ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 10. Wie hat sich die Ermittlungsquote bei Graffitischmierereien seit 2015 entwickelt? Bitte geben Sie pro Jahr die Anzahl der Delikte, der ermittelten Täter der eingeleiteten Strafverfahren, die Anzahl der Verurteilungen und die durchschnittlich eingenommen Strafen beziehungsweise Bußgelder et cetera an. Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Zu den in der PKS erfassten Fällen im Sinne der Fragestellung und den Aufklärungsquoten siehe Drs. 21/11899 (für die Jahre 2015 bis 2017) und Drs. 21/18664 (für die Jahr 2018 und 2019). Die Anzahl der im Sinne der Fragestellung jeweils in den einzelnen Jahren in der PKS erfassten Tatverdächtigen ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt : Jahr Tatverdächtige 2015 509 2016 492 2017 440 2018 440 01.01. - 30.09.2019 330 11. Wie hat sich die Situation an den Lärmschutzanlagen der A 7 seit der Anfrage Drs. 21/14462 entwickelt? Ist die Anzahl der beschmierten Streckenmeter hier zurückgegangen oder größer geworden? Welche Maßnahmen wurden hier mit welchem Erfolg zur Prävention weiterer Sachbeschädigungen durch Graffitis umgesetzt? Sämtliche neu errichteten Brückenbauwerke und Lärmschutzwände zwischen dem Autobahndreieck HH-Nordwest und der Anschlussstelle Neumünster Nord wurden mit einer Anti-Graffiti-Beschichtung imprägniert. Dies gilt auch für die errichteten Lärmschutzwände auf Hamburger Gebiet im Bauabschnitt Stellingen. Durch diese Maßnahmen haftet die Graffiti-Farbe schlechter an den Bauwerken und diese lassen sich erheblich leichter reinigen. 12. In der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/14462 äußert der Senat in Bezug auf die Graffitis an den Lärmschutzwänden der A 7: „Insbesondere sind Bemalungen im Sichtbereich des Nutzers laut Vertrag einmal jährlich zu entfernen, Bemalungen mit strafbarem Inhalt sind unverzüglich zu entfernen.“ Behauptet der Senat, dass der Vertrag eingehalten Drucksache 21/18810 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 wurde und die besagten Graffitis, die zu dem damaligen Zeitpunkt der Schriftlichen Kleinen Anfrage im September 2018 bereits bestanden, tatsächlich entfernt wurden? Die Baumaßnahmen an der A 7 sind noch nicht abgeschlossen und auch noch nicht an den jeweiligen Autobahnbetreiber übergeben worden. Im ersten bald fertiggestellten Abschnitt in Hamburg, dem Bereich von der Landesgrenze Hamburg-Schleswig- Holstein bis zum Autobahndreieck HH-Nordwest, wird die Strecke nach Fertigstellung vom privaten Betreiber für 30 Jahre betrieben. Die Übergabe vom Errichter an den Betreiber wird voraussichtlich im 1. Quartal des Jahres 2020 erfolgen. Laut Vertrag muss der Betreiber nach Übernahme der genannten Strecke etwaige Graffitis an Bauwerken und Lärmschutzwänden einmal pro Jahr entfernen und Graffitis mit strafbarem Inhalt müssen unverzüglich entfernt werden. 13. Aufgrund der gemachten Erfahrungen mit Graffitis in Hamburg ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, dass es zu derartigem Vandalismus an der Wilhelmsburger Reichsstraße kommen würde. Wie gelangte der Senat zu der Annahme, dass es trotzdem eine gute Idee sei, die Lärmschutzwände nicht nur ohne die notwendigen Überwachungseinrichtungen zu errichten, sondern auch noch in einer Bauweise, die durch Graffitis funktional geschädigt wird? Wie erklärt sich der Senat, dass seine Annahme nicht eingetroffen ist? Graffitis sind in einer Großstadt wie Hamburg nicht zu vermeiden, ihre Bekämpfung ist eine Daueraufgabe der zuständigen Dienststellen. Für großflächige, über viele Kilometer laufende Infrastrukturen wie Lärmschutzwände ist eine kontinuierliche Überwachung finanziell nicht leistbar, zumal die Wirkung der Lärmschutzwände nicht eingeschränkt wird. Der Einsatz spezieller Beschichtungen auf Lärmschutzkonstruktionen ist inzwischen gängige Praxis und hat gezeigt, dass zumindest das Entfernen der Graffitis dadurch erleichtert wird. Entsprechende Beschichtungen wurden auf die Lärmschutzwände entlang der verlegten Wilhelmsburger Reichsstraße, B 75 präventiv aufgebracht. Eine funktionale Schädigung der Lärmschutzelemente durch Graffitis liegt nicht vor. Im Übrigen siehe Drs. 20/1961 und 21/14368.