BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18812 21. Wahlperiode 05.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 28.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Straftaten durch die Verabreichung von K.o.-Tropfen (III) Immer wieder berichten die Medien über die bundesweit auftretende Gefahr der (unbemerkten) Verabreichung von K.o.-Tropfen, die oftmals im Bereich der Sexualdelikte zum Einsatz kommen. Zuletzt anlässlich meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage vom 16. Oktober 2017 (Drs. 21/10674) berichtete der Senat, dass weiterhin kaum Daten und Statistiken zu dieser Thematik vorliegen , obwohl es sich um ernstzunehmende Straftaten handelt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche neuen Erkenntnisse aus Sicht der (Rechts-)Medizin oder Ermittlungsbehörden sind seit der Antwort zur Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/10674 aus 2017 gewonnen worden oder bekannt geworden (zum Beispiel neu aufgetretene Substanzen)? In der Toxikologie des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg- Eppendorf (UKE) wurde aktuell eine neue Untersuchungsmethode etabliert, die mittels LC-MS (Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie-Koppelung) die sensitive Analyse von 143 verschiedenen möglichen „K.-o-Substanzen“ beziehungsweise deren Abbauprodukte im Urin ermöglicht (siehe auch Drs. 21/18386). Darüber hinaus liegen den zuständigen Behörden keine neuen wissenschaftlich gesicherten Auswertungen oder Erkenntnisse vor. 2. Wie viele Personen welchen Geschlechts haben sich jeweils in den Jahren 2017, 2018 sowie 2019 (bis zum Ende des 3. Quartals 2019) in den Hamburger Krankenhäusern wegen des Verdachts auf die Verabreichung von K.o.-Tropfen gemeldet? Bitte nach Krankenhäusern und Bezirken aufschlüsseln. Als K.o.-Tropfen werden verschiedene narkotisierend wirkende Stoffe bezeichnet. Eine eindeutige Spezifikation für K.-o.-Tropfen, die den nachgefragten Sachverhalt konkret und statistisch ablesbar/auswertbar abbilden würde, liegt nicht vor, siehe auch Antwort zu 1. Je nachdem, mit welchen Symptomen die Patientin/der Patient aufgenommen wird, werden die Diagnosen gewählt und systematisch erfasst. Vor diesem Hintergrund werden in den Hamburger Plankrankenhäusern derartige Fälle statistisch nicht erfasst. In den Zentralen Notaufnahmen (ZNA) wird grundsätzlich keine gesonderte Statistik der Fragestellung entsprechender potenzieller Verdachtsfälle geführt. Bei einem Verdacht auf K.o.-Tropfen oder Ähnliches besteht gleichzeitig der Verdacht auf eine Straftat . Insofern ist es in den ZNA der Hamburger Plankrankenhäuser allgemein üblich, eine entsprechende Laborprobe an das Institut für Rechtsmedizin im UKE weiterzuleiten , damit Betroffene gegebenenfalls Anzeige erstatten können beziehungsweise der Fall weiterverfolgt werden kann. Drucksache 21/18812 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das Institut für Rechtsmedizin des UKE bearbeitete − im Jahr 2017 insgesamt 75 Verdachtsfälle: P-Fall (Aufträge der Polizei HH): 13 (männlich); 45 (weiblich) C-Fall (Privataufträge): zwei (männlich); 15 (weiblich), − im Jahr 2018 insgesamt 71 Verdachtsfälle: P-Fall: 10 (männlich); 34 (weiblich) C-Fall: acht (männlich); 19 (weiblich), − im Jahr 2019 bislang 66 Verdachtsfälle: P-Fall: fünf (männlich); 39 (weiblich) C-Fall: sechs (männlich); 16 (weiblich). Bei den untersuchten Fällen handelt es sich um Verdachtsfälle. Die Zahlen geben keinen Aufschluss darüber, ob tatsächlich K.o.-Mittel nachgewiesen wurden. Die Anzahl der in den Traumaambulanzen der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE gesehenen Verdachtsfälle ist nach dortiger Einschätzung im Vergleich zu den in der Drs. 21/10674 mitgeteilten Schätzzahlen ohne signifikante Änderung geblieben. In der Zentralen Notaufnahme des UKE wie auch in der Notfallaufnahme der Werner und Michael Otto Universitätskinderklinik des UKE werden Statistiken über derartige Verdachtsfälle nicht geführt. Sollten dort entsprechende Verdachtsfälle auftreten, werden – neben einer gegebenenfalls medizinisch erforderlichen Akutbehandlung – auf Wunsch der Patientinnen/Patienten beziehungsweise Personensorgeberechtigten Urin- und gegebenenfalls Blutproben entnommen und an das Institut für Rechtsmedizin übergeben, sie wären somit in den oben angeführten aus dem Institut für Rechtsmedizin mitgeteilten Zahlen enthalten. 3. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2017, 2018 sowie 2019 (bis zum Ende des 3. Quartals 2019) K.o.-Tropfen oder vergleichbare Substanzen als Tatmittel bei Straftaten jeweils festgestellt? Bitte nach Tatorten bezirksweise aufschlüsseln. 4. In wie vielen dieser Fälle konnten die Täter festgestellt werden? 5. In wie vielen dieser Fälle ist es zu Verurteilungen welchen Strafmaßes gekommen? 6. Sind in der Zwischenzeit Lokalitäten, Veranstaltungsorte oder Plätze im Hamburger Stadtgebiet bekannt, in beziehungsweise an denen vermehrt Straftaten mithilfe von K.o.-Tropfen verübt wurden? Bitte nach Bezirken aufschlüsseln. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden bei den zuständigen Behörden nicht geführt. Zur Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei den zuständigen Behörden erforderlich. Die Auswertung von mehreren Tausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Darüber hinaus liegen den zuständigen Behörden keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Im Übrigen siehe Drs. 21/1836 und 21/10674. 7. Warum wird bezüglich der Fragen 2. bis 6. gegebenenfalls weiterhin keine Statistik geführt, obwohl es sich um eine hochsensible Thematik handelt ? Alle im Zusammenhang mit einer Krankenbehandlung erforderlichen Daten werden nach den gesetzlichen (§ 630f BGB) und berufsrechtlichen (§ 10 Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen) Vorgaben in den Patientenakten gespeichert. Einer gesonderten Statistik über die – im Verhältnis aller Behandlungsfälle ohnehin recht Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18812 3 seltenen – Behandlungen von Verdachtsfällen auf Intoxikation mit sogenannten K.o.-Tropfen bedarf es für die Aufgabenwahrnehmung des UKE (vergleiche § 2 UKEG) nicht. Hinzu kommt, dass die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD) keine Verschlüsselung konkret für Verdachtsfälle auf Intoxikation mit sogenannten K.o.-Tropfen ermöglicht. Die ICD enthält nur Verschlüsselungen für Vergiftungen mit benannten Stoffen/Stoffgruppen, zum Beispiel in den ICD-Diagnosegruppen F10 – F19, F55, T36 – T50. Die Führung einer Statistik im Sinne der Fragestellung ist für die Wahrnehmung der Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden nicht erforderlich. Im Übrigen siehe auch Antwort zu 1. und Drs. 21/18386. 8. Welche neuen Erkenntnisse gibt es zu nicht gemeldeten Fällen (Dunkelziffer )? Aktuell keine. Im Übrigen siehe Drs. 21/18386, Drs. 20/6997 und Drs. 21/10674. 9. Welche (neuen) Maßnahmen sollen von den zuständigen Behörden künftig ergriffen werden, um Straftaten mithilfe von K.o.-Tropfen vorzubeugen oder aufzuklären? Siehe Drs. 21/18386 und Drs. 21/5580. 10. Welche neuen Angebote der Information, Prävention und Unterstützung Betroffener sind in der Zwischenzeit geschaffen worden? Die von der für Gesundheit zuständigen Behörde geförderte Fachstelle „Sucht.Hamburg“ verweist auf ihrer Internetseite auf die folgende URL der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: https://www.drugcom.de/drogenlexikon/ buchstabe-g/ghb/. Des Weiteren gibt es gegenüber den in Drs. 21/5580 und Drs. 21/10674 dargestellten Maßnahmen keine neuen Angebote im Sinne der Fragestellung.