BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18820 21. Wahlperiode 05.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 28.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Nachfrage zu: Prüfauftrag Beitritt Hamburgs zur Fast-Track-Cities- Initiative – Was ist das Ergebnis? In der Bürgerschaftssitzung am 13.12.2018 (Drs. 21/90) wurde auf Empfehlung des Gesundheitsausschusses folgendes Bürgerschaftliches Ersuchen beschlossen: „Der Senat wird ersucht, den Beitritt Hamburgs zur „Fast-Track-Cities- Initiative“ unter der Maßgabe zu prüfen, dass hierdurch das gute Präventionsangebot der Stadt, auch im Hinblick auf die vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen, weiter gestärkt wird.“ Im Gesundheitsausschuss wurde durch die GRÜNEN die Zuversicht geäußert , dass es schon im Frühjahr erste Ergebnisse geben könne (Drs. 21/15108). Im April 2019 kündigte der Senat an, dass die Prüfung zum Anfang des 3. Quartals voraussichtlich abgeschlossen sein wird (Drs. 21/16655). Das ist Anlass erneut zu fragen: Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Fast-Track-Cities-Initiative zielt darauf ab, Aids bis 2030 zu besiegen und legt dafür vier Unterziele fest. Nach diesen sollen bis 2020 (2030) - 90 (95) Prozent der HIV-positiven Menschen über ihre Infektion informiert sein, - 90 (95) Prozent dieser Menschen sich in Behandlung (antiretroviraler Therapie) befinden, - 90 (95) Prozent dieser Menschen eine Viruslast unter der Nachweisgrenze haben, - 0 Prozent der HIV-positiven Menschen Diskriminierung/Stigmatisierung erfahren. Die Ziele des Fast-Track werden von der zuständigen Behörde geteilt und sind bereits jetzt im Rahmen der bestehenden Aufgabenwahrnehmung berücksichtigt. In regelmäßigen Gesprächen mit Akteuren und in den Gremien werden zentrale Entwicklungsbedarfe identifiziert. Weitere Möglichkeiten der Prävention werden aktiv genutzt und sind nahezu ausgeschöpft. Das Fast-Track-Ziel für 2020 ist bezogen auf die HIV-positiven Menschen, die über ihre Infektion informiert sind, nahezu erreicht (Ende 2017 waren dies 89 Prozent). Die Ziele – „HIV-positive Menschen unter antiretroviraler Therapie“ sowie „Viruslast unter der Nachweisgrenze“ sind für 2020 bereits übertroffen. Drucksache 21/18820 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Hierbei profitiert Hamburg vom bereits bestehenden Austausch und der Expertise in den zahlreichen regionalen, bundesweiten und europäischen bestehenden Gremien mit anderen Städten und Ländern. Inhaltliche Vorteile sind insofern von einem Beitritt zur Fast-Track-Initiative nicht zu erwarten. Die Fast-Track-Initiative bietet keine neuen Methoden oder Mittel, um aktuelle Herausforderungen zu bewältigen. Ein Beitritt ist mit erheblichem organisatorischem Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden, welche sich sowohl auf konkrete Maßnahmen als auch den zusätzlichen Verwaltungsaufwand beziehen. Mit einem Beitritt würden Ressourcen – auch Personalressourcen bei den Akteuren – über einen langen Zeitraum zulasten des bestehenden Angebots gebunden. Der zusätzliche Input beziehungsweise die Stärkung des bestehenden Systems durch einen Beitritt zur Fast-Track-Initiative würde daher den zusätzlichen Aufwand für die Beteiligung nicht rechtfertigen. Nach eingehender Prüfung wird ein Beitritt daher nicht befürwortet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Verpflichtungen ginge die Stadt Hamburg mit einem Beitritt zur Fast-Track-Cities-Initiative ein? Bitte Verpflichtungen einzeln auflisten mit der Angabe, welche finanziellen und personellen Aufwendungen damit verbunden wären. Nach der sogenannten Pariser Deklaration zu den Fast-Track-Cities verpflichten sich die an der Fast-Track-Cities teilnehmenden Städte, 1. die Fast-Track-Ziele zu erreichen (siehe Vorbemerkung), den Zugang zu Testungen , Behandlung und Prävention inklusive der Präexpositionsprophylaxe bereitzustellen und hierbei einen umfassenden integrativen Ansatz unter Einbeziehung der Tuberkulose, viralen Hepatitis, sexuell übertragbarer Infektionen, psychischer Gesundheit, Komorbiditäten und Suchterkrankungen zu verfolgen, 2. besonders vulnerable Personen zu berücksichtigen und alle von HIV betroffenen Personen in Entscheidungen miteinzubeziehen („no one left behind“), 3. Maßnahmen zu treffen, um Ausgrenzung, Diskriminierung und Stigmatisierung betroffener und gefährdeter Personen zu beenden und gleichberechtigten Zugang Betroffener zu Angeboten herzustellen, 4. Maßnahmen zur Besiegung von Aids zu nutzen, um auf positive soziale Änderungen hinzuwirken, 5. bedarfsorientierte Maßnahmen bereitzustellen, 6. zusätzliche Ressourcen für einen integrativen Public-Health-Ansatz zu mobilisieren , 7. gemeinsam im Austausch mit anderen Beteiligten mindestens jährlich über den Umsetzungsstand und Erfolge zu berichten sowie Daten und Wissen zur Verfügung zu stellen. Es sind folgende Strukturen und Leistungen für zehn Jahre sicherzustellen: Auf Verwaltungsebene - Einrichtung und Begleitung eines Beirats und/oder eines Koordinierungsgremiums auf Umsetzungsebene, - Organisation und Vorbereitung der Vernetzungstreffen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene, - in Kooperation mit anderen Akteuren: Entwicklung von Zielen und Maßnahmen; Bündelung der Ressourcen, um die Angebote im Bereich der HIV-Beratung und Hilfe gezielt auf das Erreichen der Fast-Track-Ziele zu orientieren, - jährliche Berichterstattung gegenüber den verantwortlichen Organisationen, Monitoring und Evaluation, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18820 3 - Bereitstellung von Daten für die Website https://www.fast-trackcities.org/ (zum Beispiel Darstellung des HIV-Hilfesystems), - Begleitende Öffentlichkeitsarbeit (zum Beispiel durch Fachveranstaltungen), - Akquirieren von finanziellen Mitteln Auf Trägerebene - Vorbereitung von und Teilnahme an Vernetzungstreffen/Workshops Auf Grundlage dieser Festlegungen ist von mindestens folgenden Kosten für die organisatorische Rahmung auszugehen: Personalkosten Beschreibung Konkretisierung Kosten pro Jahr Koordination und Umsetzung der Fast-Track-Cities-Strategie auf Verwaltungsebene (Anbindung der Stelle an die Senatskanzlei oder an die Fachbehörde) - Siehe oben unter „Verwaltungsebene“ 0,75 VZÄ EG 13 57 000 € Personalstunden für Vernetzungstreffen /Workshops - Beteiligte Träger 2 Stunden (à 25 €) wöchentlich pro Zuwendungsempfänger (5 Einrichtungen ) EG 9 1 000 € x 12 Monate = 12 000 € Sachkosten Reisekosten für Workshops/ Vernetzungstreffen auf internationaler (europäischer) Ebene - Anfahrt und Übernachtung bei zwei Reisen im Jahr: 2 x 1 000 € = 2 000 € Kosten für lokale Vernetzungstreffen /Workshops - ggf. Raummiete - Catering bei 15 Vernetzungstreffen im Jahr: 15 x 200 € = 3 000 € Externe Moderation der lokalen Vernetzungstreffen/Workshops bei 15 Vernetzungstreffen 1 im Jahr: 15 x 1 200 € = 18 000 € Öffentlichkeitsarbeit Zwei Fachveranstaltungen in der gesamten Laufzeit und eine Kampagne = insgesamt 120 000 € 12 000 € (umgerechnet auf ein Jahr) Geschätzte jährliche Gesamtkosten 104 000 € Geschätzte Gesamtkosten (Laufzeit 10 Jahre) 1 040 000 € Zu den jährlich geschätzten Kosten in Höhe von circa 104 000 Euro kommen Kosten für konkrete umzusetzende Maßnahmen. Die Höhe dieser Kosten ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bezifferbar, da die Maßnahmen erst im Rahmen einer Strategie entwickelt werden. Die Einrichtungen der HIV- und STI-Prävention und -Beratung würden in einem intensiven und langjährigen Prozess beteiligt, der sich mit der Ausrichtung ihrer Tätigkeit an den Fast-Track-Zielen befasst. Auch dies bindet Ressourcen mit den dazugehörigen Kosten. 1 Die Schätzung ist angelehnt an die Berliner Erfahrungen. Dort fanden nach Angaben der Senatsverwaltung 15 bis 20 Treffen allein auf Berliner Ebene statt. Drucksache 21/18820 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 2. Zu welchen Leistungen, zu welchem Wissen, zu welchen Netzwerken und sonstigen Ressourcen hätte Hamburg im Gegenzug Zugang? Bitte einzeln auflisten. Teilnehmende Städte erhalten durch Beitritt zur Initiative praktische Unterstützung, so zum Beispiel durch technischen Support (wie zum Beispiel Vorlagen für Präsentationen , Öffentlichkeitsmaterialien, Webinare, Bereitstellung eines Webportals). Darüber hinaus hätte Hamburg Zugang zum fachlichen Erfahrungs- und Wissensaustausch mit anderen Städten auf nationaler und internationaler Ebene. 3. Welche weiteren Vorteile würden Hamburg aus dem Beitritt erwachsen? Die Vorteile eines Beitritts zur Fast-Track-Initiative liegen aus fachlicher Sicht vor allem in einem gemeinsamen Commitment. Darüber hinaus würde das Thema in der (Fach-)Öffentlichkeit an Aufmerksamkeit gewinnen. 4. Hat der Senat sich über die Erfahrungen von anderen Mitgliedsstädten der Initiative informiert? Falls nein: Warum nicht? Falls ja: Über welche Städte hat sich der Senat informiert, in welcher Form, bei welchen Stellen (Gespräche, Anfragen, Literatur oder Anderes ) und was sind die jeweiligen Erkenntnisse? Ja. Die zuständige Behörde hat sich in Gesprächen mit der zuständigen Senatsverwaltung in Berlin über Erfahrungen der Fast-Track-City Berlin informiert. Darüber hinaus hat eine Internetrecherche und Auswertung von Parlamentarischen Anfragen stattgefunden. Fragen zur Umsetzung der Initiative in Berlin bezogen sich auf die dort konkret umgesetzten Maßnahmen und die mit dem Beitritt zur Initiative verbundenen Kosten (siehe dazu unter anderem Berliner Senatsdrs. 18/16993 und https://www.parlament-berlin.de/adosservice/18/Haupt/vorgang/h18-1228-v.pdf). Die so gewonnenen Erkenntnisse sind in die Schätzung der Kosten eingeflossen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 5. Hat der Senat sich mit den Hamburger Präventionsträgern über die Fast- Track-Cities-Initiative ausgetauscht? Falls ja, mit welchen und wie lauten die Erkenntnisse? Ja. Am 17.4.2019 hat die zuständige Behörde mit den zuwendungsgeförderten Präventionsträgern Struensee-Centrum/AIDS-Hilfe Hamburg e.V., Prävention e.V. Hein & Fiete – Der schwule Checkpoint, VHIVA Kids/Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V., ragazza e.V. sowie BASIS-Projekt/basis & woge e.V. ein Fachgespräch hierzu durchgeführt. Die Präventionsträger befürworten einen Beitritt zur Fast-Track-Initiative. Hierzu seien jedoch zusätzliche finanzielle Ressourcen nötig. 6. Müssten durch einen Beitritt zur Fast-Track-Cities-Initiative Präventionsangebote eingeschränkt werden? Gegebenenfalls warum? In welchem Umfang und was müsste eingeschränkt werden? Die Fast-Track-Initiative sieht keine Bereitstellung von finanziellen Mitteln vor. Mit bestehenden finanziellen Ressourcen ist die Umsetzung der Fast-Track-Initiative jedoch nur leistbar, wenn ein Teil der bestehenden Ressourcen bei den Zuwendungsempfängern in die Umsetzung der Fast-Track-Initiative fließt. Dies hätte unweigerlich Leistungseinbußen in deren Präventionsangeboten zur Folge. Der Umfang und die genauen Einschränkungen können zum jetzigen Zeitpunkt nicht benannt werden. 7. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch die Fast-Track-Cities-Initiative, auch HIV-positiven Menschen ohne Krankenversicherungsschutz medizinische Versorgung – zum Beispiel antiretrovirale Therapie und Prä- Expositionsprophylaxe (Prep) – zugänglich zu machen und so die Zahl der Erkrankungen und Neuinfektionen zu senken? Die Fast-Track-Cities-Initiative benennt den Zugang zur medizinischen Versorgung und zur Präexpositionsprophylaxe zwar als zentrales Ziel, stellt jedoch selbst keine Möglichkeit zur Verfügung, um diese Ziele auch umsetzen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18820 5 8. Hat der Senat geprüft, welche übergreifenden städtischen Präventionsstrukturen Koordinierungsaufgaben übernehmen könnten und organisatorische Expertise bereitstellen könnten? Gegebenenfalls könnte dies kostenneutral geschehen oder welche Kosten würden dafür anfallen? Die Fast-Track-Initiative sieht vor, dass die zentrale Koordinierung an die zuständige Behörde oder eine übergeordnete Behörde angebunden ist. Daher hat keine Prüfung stattgefunden, welche übergreifenden städtischen Präventionsstrukturen Koordinierungsaufgaben übernehmen könnten. 9. Hat der Senat geprüft welche Aufgaben von der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAG) übernommen werden könnten? Falls ja: Was ist das Ergebnis? Falls nein: Warum wurde das nicht geprüft? Die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung ist mit dem Thema HIV/Aids nicht befasst. Aufgaben werden von den auf HIV/Aids spezialisierten Einrichtungen und der zuständigen Behörde übernommen. Diese sind in der Landesarbeitsgemeinschaft AIDS und dem Hamburger Arbeitskreis gegen AIDS organisiert. 10. Hat der Senat geprüft, inwiefern die Fast-Track-Cities-Initiative auch Gegenstand des „Pakts für Prävention“ sein kann? Falls ja: Was ist das Ergebnis? Falls nein: Warum kommt das Thema für die den „Pakt für Prävention“ nicht infrage? Die relevanten Träger der HIV- und Aids-Prävention und Beratung sind nicht im Pakt für Prävention organisiert. 11. Hat der Senat noch weitere Aspekte eines Beitritts zur Fast-Track-Cities- Initiative geprüft? Falls ja, was wurde geprüft und wie lautet jeweils das Ergebnis? Nein. 12. Wie wird ein Beitritt zur Fast-Track-Cities-Initiative im Sinne des Prüfauftrags bewertet? Falls die Prüfung noch nicht abgeschlossen ist: Die Prüfung eines Beitritts zur Fast-Track-Initiative ist abgeschlossen. Ein Beitritt wird nicht befürwortet. Den genannten Vorteilen eines Beitritts zur Initiative steht eine Reihe von formalen und inhaltlichen Verpflichtungen gegenüber, welche Hamburg in der Ausrichtung der HIV/Aids-Prävention sowie die Ressourcen über zehn Jahre binden. Vor dem Hintergrund , dass die Rahmenbedingungen im Bereich der HIV/Aids-Prävention einem permanenten Wandel unterliegen – insbesondere hinsichtlich des medizinischen Fortschrittes –, sind flexible Reaktionen erforderlich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. a. Warum konnte die Prüfung nicht wie geplant abgeschlossen werden ? b. Wann wird die Prüfung voraussichtlich abgeschlossen sein? Entfällt.