BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18827 21. Wahlperiode 05.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Wolf und Dirk Nockemann (AfD) vom 29.10.19 und Antwort des Senats Betr.: 100 Tage „Cyber-Nazijäger“ – Was macht Andy Grotes „Spezialeinheit gegen Rechtsextremismus“? Im Rahmen der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2018 verkündete Innensenator Andy Grote (SPD) am 8. Juli 2019 den Aufbau einer „Spezialeinheit gegen Rechtsextremismus“ beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV). Einzelheiten zur Personalstruktur und zu bisherigen Erkenntnissen der Spezialeinheit lagen zum Zeitpunkt der letzten relevanten Drucksachen (Drs. 21/17783 und 21/17880) noch nicht vor. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Gemäß § 4 Absatz 1 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg Bestrebungen gegen Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 3 HmbVerfSchG sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch motivierten ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, einen der in § 5 Absatz 2 HmbVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Hinsichtlich der Einstufung einer Bestrebung als extremistisch kommt es auf die Gesamtschau an. Einzelne Aussagen ohne eine Einbettung in einer Gesamtstrategie reichen für eine entsprechende Einstufung nicht aus. Folgerichtig beobachtet das LfV Hamburg rechtsextremistische Bestrebungen, „Rechtspopulismus“ ist hingegen kein Ordnungskriterium des Verfassungsschutzes. Der Rechtsextremismus findet aber zunehmend Akzeptanz in an ihn angrenzenden politischen Spektren. Dieses Phänomen bezeichnet der Verfassungsschutz als Entgrenzung ; siehe hierzu auch Jahresbericht 2018 https://www.hamburg.de/contentblob/ 12760318/4bb25d02342bb6c10bea7ddbedd2ed18/data/vsb-2018.pdf. Um das Ausmaß der Gefährdung durch den Rechtsextremismus beurteilen zu können , wird die Rezeption rechtsextremistischer Positionen durch Dritte durch den Verfassungsschutz ebenfalls aufmerksam verfolgt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Gibt es zum angekündigten Aufbau der Spezialeinheit gegen Rechtsextremismus inzwischen eine Senatsdrucksache oder ist diese geplant? Wenn ja, wann ist damit zu rechnen? Siehe Drs. 21/18749. 2. Wurden bereits Stellen ausgeschrieben beziehungsweise besetzt? Bitte erläutern. Für die Stellen laufen Ausschreibungs- und Auswahlverfahren. Die Einheit hat ihre Arbeit bereits aufgenommen. Bis zur festen Besetzung werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem aktuellen Personalbestand des LfV Hamburg eingesetzt. Drucksache 21/18827 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Mit welcher Gehalts- beziehungsweise Besoldungsgruppe wurden die Stellen ausgeschrieben beziehungsweise besetzt und welchen Status sollen/haben die Mitarbeiter (erhalten) (Beamtenstatus, Tarifangestellte et cetera)? 4. Sind die Stellen befristet oder unbefristet ausgeschrieben beziehungsweise besetzt worden? 5. Welche jährlichen Kosten werden a) für die fünf Mitarbeiter und b) für die materielle (Erst-)Ausstattung (Büros, Computer et cetera) der Spezialeinheit anfallen? Sofern das noch nicht exakt bestimmt werden kann: Gibt es hierfür ein Budget oder eine Kostenschätzung oder stehen hierfür Mittel in bestimmter oder unbegrenzter Höhe zur Verfügung? Bitte erläutern. Die Stellen wurden für Beamtinnen und Beamte sowie Tarifbeschäftigte ausgeschrieben . Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 6. Welche Erkenntnisse hat die Spezialeinheit bislang über Strukturen/ Aktivitäten rechtsextremistischer Akteure im Internet gewinnen können? Angaben im Sinne der Fragestellungen könnten Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Verfassungsschutzes zulassen, und eine künftige Beobachtung würde dadurch unverhältnismäßig erschwert werden. Detaillierte Angaben können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 HmbVerfSchG für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschusses gemacht werden. 7. Innensenator Andy Grote wird in einem Beitrag des NDR vom 25. Juli 2019 mit folgender Aussage widergegeben: „Die „Cyber-Nazijäger“ sollten Strukturen aufdecken wie Vernetzungen zwischen Rechtsextremen und Rechtspopulisten. Seit längerer Zeit würden Politiker beschimpft und diffamiert, so Grote.“ Wie definieren die Behörde für Inneres und Sport sowie das LfV „Rechtspopulisten“ beziehungsweise „Rechtspopulismus“? a) Bitte hierzu die (politik-)wissenschaftlichen Quellen, Studien oder Gutachten angeben, auf die man sich stützt. b) Sind der Behörde für Inneres und Sport und dem LfV bekannt, dass der Begriff/die Konzeption des „Rechtspopulismus“ höchst umstritten und unbestimmt ist und von renommierten Politikwissenschaftlern und Historikern (unter anderem Oliver Marchart, Michael Wolffsohn , Dirk Jörke, Veith Selk) in erster Linie als Kritik an jeder Form der Alternative zum Status quo sowie als politischer Diffamierungsund Kampfbegriff beschrieben wird? (Vergleiche hierzu umfassend Drs. 21/14041, Einleitung.) 8. Den Fragestellern ist bekannt, dass das LfV gemäß HmbVerfSchG selbstverständlich rechtsextremistische Strukturen beobachten darf sowie auch Vorfeldbeobachtungen in einem gewissen Rahmen zulässig sind. Aber schließt diese Rechtsgrundlage auch das systematische und mit hohem Personaleinsatz ausgeführte Sammeln und Auswerten von Informationen über Aktivitäten von „Rechtspopulisten“ im Internet ein – wie es vom Innensenator gegenüber dem NDR angekündigt wurde? Bitte darlegen, in welchen Grenzen, mit welchen Ressourcen und für welche Zeitdauer das HmbVerfSchG die Beobachtung sogenannter „rechtspopulistischer “ – also nicht extremistischer – Strukturen legitimiert. Der Senat äußert sich in ständiger Praxis nicht zu Medienberichten sowie zu Äußerungen von Senatsmitgliedern. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18827 3 9. Wie viele Hamburger Politiker werden durch Rechtsextremisten welcher Gruppierungen „seit längerer Zeit“ „beschimpft und diffamiert“, wie der Innensenator feststellt? Soweit derartige Äußerungen durch Rechtsextremisten bekannt werden und die Schwelle strafbaren Handelns überschritten wird, werden derartige Informationen an die Polizei weitergeleitet. Im Übrigen siehe Drs. 21/18643 und 21/18688 sowie Vorbemerkung . 10. Der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxx beschimpft bereits seit längerer Zeit regelmäßig in der Öffentlichkeit Vertreter der Alternative für Deutschland auf unflätige Weise, zum Beispiel als „rechtsradikale A….löcher“1; ebenso verhält sich das xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, zum Beispiel mit der Bezeichnung „rechte Drecks….“ für AfD-Vertreter2; der xxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx fordert, die AfD „bis aufs Blut“ zu „bekämpfen“3; der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx will die AfD „bis aufs Messer“ „bekämpfen“ und „vertreiben“4. a) Fallen solche Aussagen auch unter die Kategorie „Beschimpfungen“ und „Diffamierungen“ von Politikern, wie sie Innensenator Grote gegenüber Vertretern des linken Spektrums beklagt? b) Sehen die Innenbehörde und das LfV in solchen Äußerungen eine Gefahr, politisch-motivierte Straftaten gegenüber AfD-Vertretern zu rechtfertigen oder auszuführen? Der Senat äußert sich in ständiger Praxis weder zu Medienberichten noch zu Angelegenheiten der Verfassungsorgane des Bundes oder anderer Länder. 11. Beobachtet das LfV eigentlich auch Vernetzungen zwischen den in Hamburg quantitativ im Verhältnis zu Rechtsextremisten weitaus stärker verbreiteten Linksextremisten und „Linkspopulisten“ und existieren hierzu mindestens vergleichbare Strukturen, wie sie in der Spezialeinheit gegen Rechtsextremismus aufgebaut werden? Bitte erläutern. Das Phänomen der Entgrenzung ist für alle Phänomenbereiche des politischen Extremismus zu beobachten. Im Übrigen siehe Drs. 21/17880 und 21/17783 sowie Vorbemerkung . 12. Welche Erkenntnisse haben die Behörde für Inneres und Sport sowie das LfV hinsichtlich „Beschimpfungen“ und „Diffamierungen“ sowie hinsichtlich politisch motivierter Straftaten gegenüber Vertretern der aktuell in der Bürgerschaft vertretenen Parteien und ihrer Einrichtungen? a) Bitte Anzahl und Art der „Beschimpfungen“ und „Diffamierungen“ gegenüber den einzelnen Parteivertretern für den Zeitraum der vergangenen zwei Jahre angeben. Sofern es hierzu keine auswertbaren Statistiken gibt: Wie ist hierzu das (allgemeine) Lagebild und welche Quellen hat man dazu ausgewertet? b) Bitte Anzahl und Art der politisch motivierten Straftaten gegenüber einzelnen Parteivertretern, Parteieinrichtungen oder Werbeträgern einzelner Parteien für den Zeitraum der vergangenen zwei Jahre angeben. Siehe Antwort zu 9. 1 xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx. 2 xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx. 3 xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx. 4 xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.