BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18829 21. Wahlperiode 05.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 29.10.19 und Antwort des Senats Betr.: Vollhöfner Wald oder wie versteht der Umweltsenator das Polizei- und Ordnungsrecht? In Altenwerder haben Umweltaktivisten den Vollhöfner Wald besetzt, um eine geplante Abholzung zu verhindern. Ein Polizeieinsatz zur Räumung der Baumbesetzer begann am Donnerstag und sorgte insbesondere in der rotgrünen Koalition für diametrale öffentlich geäußerte Rechtsauffassungen. Während der SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Dirk Kienscherf den Polizeieinsatz als gesetzeskonform ansah, meinte der Umweltsenator der GRÜNEN Jens Kerstan, dass es weder aus naturschutzfachlichen Gründen noch aus zwingender rechtlicher Notwendigkeit einen Räumungsgrund gäbe. Der Eigentümer des Waldes muss das Betreten, Befahren oder Bereiten seiner Flächen nur dulden, wenn es „zum Zwecke der Erholung“ erfolgt. Organisierte Veranstaltungen, wie unter anderem Mountainbikewettbewerbe, Nordic -Walking-Kurse, Ausritte von Reiterhöfen oder die Anlage von Loipen, muss er vorher genehmigen. Dazu ist er weder verpflichtet noch muss er dies kostenlos dulden. Es ist wohl unstreitig, dass es sich bei dem Grundstück auf dem der besagte Wald steht um ein unbefriedetes Grundstück handelt, das nicht im Eigentum der Umweltaktivisten steht. Durch das Besteigen der Bäume und das Anbringen von Seilen und wenigstens eines Baumhauses wurde gegen § 14 des Bundeswaldgesetztes verstoßen. Denn das Betreten des Waldes diente erkennbar nicht der Erholung, sondern der Festsetzung der Aktivisten in den Bäumen. Spätestens nachdem die Besetzer durch die Polizei aufgefordert wurden den Wald zu räumen, wurde aus der Nichträumung eine Widerstandshandlung im Sinne des § 113 StGB. Daneben könnten auch durch das Anbringen von Seilen und einem Baumhaus Substanzschäden an den Bäumen entstanden sein. Damit steht wenigsten fest, dass die Rechte des Eigentümers des Waldes verletzt worden sind. Darüber hinaus waren die Aktivisten vermummt und haben die eingesetzten Beamten beleidigt sowie die an die dort gespannten Drahtseile angelehnten Polizeileitern umgestoßen. Gerade im Letzteren liegt, abgesehen von der Erfüllung des Störerbegriffes im polizeirechtlichen Sinne, auch die Erfüllung strafrechtlicher Tatbestände wie unter anderem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und versuchte Körperverletzung. Folglich liegt eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor. Der Fachbegriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“, den der Umweltsenator ignoriert, beschreibt die Summe sämtlicher geschriebener und unge- Drucksache 21/18829 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 schriebener Regeln, welche als Grundlage für ein gedeihliches Miteinander anzusehen sind. Unter dem Schutz der öffentlichen Sicherheit versteht man den Schutz der geschriebenen Rechtsordnung, den Schutz des Staates, den Schutz der individuellen Rechtsgüter der Bürger. Es ist Aufgabe der Polizei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten . Besteht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, darf die Polizei Maßnahmen treffen, welche zur Abwehr dieser Gefahr dienen. Die Arbeit der Polizei beschränkt sich aber nicht nur darauf, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern, sondern besteht auch darin, einzugreifen, wenn diese offensichtlich bereits eingetreten ist. So ist es, wie oben dargelegt, bei der Besetzung des Waldes gewesen, da bereits durch die Verletzung des Waldrechtes und der Verletzung fremder Rechte, die öffentliche Sicherheit und Ordnung ebenfalls verletzt worden ist. Der Einsatz der Polizeikräfte war demgemäß rechtmäßig. Im Hinblick auf die Tatsache, dass die rot-grüne Regierung ohnehin bis 2023 nicht vorhat, die avisierten 30 000 Bäume zu fällen, hat die Innenexpertin der GRÜNEN Antje Möller es ja auch auf den Punkt gebracht: „Ich hätte mir gewünscht, wir hätten eine politische Lösung gefunden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in den kommenden Jahren keine Bedrohung des Waldes gibt“. Eben! Damit war eine Besetzung des Waldes und gleichsam fremden Eigentumes – abgesehen von der rechtlichen Problematik – signifikant obsolet. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Sind die Aktivisten erkennungsdienstlich behandelt worden? Ja. Von acht Aktivisten konnte dabei die Identität abschließend festgestellt werden. 2. Befinden sich unter den festgestellten Aktivisten bereits vorbestrafte Täter? Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes sieht der Senat davon ab, etwaige Ermittlungsverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind. Dasselbe gilt für Ermittlungsverfahren, die zu einem Abschluss geführt haben, der entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 8. Oktober 2019 zu einer der betroffenen Personen enthält keine mitteilungsfähigen Eintragungen. Für die weiteren sieben Personen liegen keine aktuellen Auskünfte des Bundeszentralregisters vor. 3. Befinden sich unter den festgestellten Aktivisten Mitglieder der „Antifa“? Nach Erkenntnissen der zuständigen Behörde sind die festgestellten Personen nicht der Antifa zuzuordnen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18829 3 4. Beabsichtigt der Senat von den beteiligten Aktivisten die Kosten des Polizeieinsatzes einzuziehen? Eine mögliche Auferlegung von Kosten des Polizeieinsatzes befindet sich derzeit in der Prüfung durch die zuständige Behörde. 5. Sind die Namen der festgestellten Aktivisten der Staatsanwaltschaft zugeführt worden? Ja. 6. Welche Rechtsauffassung vertritt der Senat hinsichtlich der Besetzung des Waldes? Nach Auffassung des Senates konnten sich die handelnden Personen nicht auf den Schutz des Versammlungsrechtes berufen. Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist für die Durchführung von Versammlungen an solchen Orten gegeben, an denen ein kommunikativer Verkehr eröffnet ist. Diese Bedingung ist im Vollhöfner Wald nicht erfüllt. Darüber hinaus verstießen die Aktionen vor Ort gegen das Waldgesetz. 7. Hält es der Senat für vertretbar, dass ein Mitglied des Hamburger Senats und damit führender Repräsentant der Hamburger Verwaltung einen Polizeieinsatz für unnötig erklärt, insbesondere diesen Polizeieinsatz? Der Senat nimmt zu Äußerungen seiner Mitglieder und deren Wiedergabe in den Medien grundsätzlich nicht Stellung.