BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18844 21. Wahlperiode 05.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 30.10.19 und Antwort des Senats Betr.: „Original Play“ – balgen sich auch in Hamburg Erwachsene mit Kindern ? Erwachsene und Kinder toben sich auf einer Matte miteinander aus. Das soll Kindern helfen, achtsam miteinander zu spielen, so der Kerngedanke bei einem pädagogischen Konzept namens „Original Play“1. Es wurde vor vielen Jahren von einem US-Amerikaner Fred O. Donaldson erfunden und findet weltweit in vielen Kindertagesstätten Anwendung. Experten warnen, „das Spiel“ rege zu sexuellem Missbrauch an. Nachdem das ARD-Magazin Kontraste am 24.10.2019 über die Methode und die damit in Verbindung stehenden Missbrauchsfälle in Hamburg und Berlin berichtet hatte, reagieren nun diverse Stellen alarmiert. Denn dem Bericht zufolge soll es im vergangenen Jahr in einer evangelischen Kita bei solchen „Spielen“ in Kreuzberg zu sexuellen Übergriffen gekommen sein, berichtete die „Berliner Zeitung“ (BZ) am 29.10.20192. Auch in einer Hamburger Kita stand ein Erzieher im Verdacht, sich beim „Original Play“ an einem dreijährigen Mädchen vergangen zu haben, berichtete die „Berliner Morgenpost“.3 Die Staatsanwaltschaft habe seinerzeit ermittelt , das Verfahren aber eingestellt, weil ein hinreichender Tatverdacht gefehlt habe. Mittlerweile warnen auch Kirche und Diakonie vor dieser Methode.4 Der Kinderschutzbund will Methode und Vorwürfe prüfen und in den kommenden Tagen eine fundierte fachliche Stellungnahme erarbeiten, so die BZ. Dem Bericht zufolge empfehle der Kinderschutzbund, dass sich unmittelbar alle Landesjugendämter von Amts wegen einschalten sollten. Man prüfe die Methode und die Vorfälle und werde in den kommenden Tagen eine fundierte und fachliche Stellungnahme erarbeiten.5 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1 http://www.originalplay.de/ 2 https://www.berliner-zeitung.de/berlin/-original-play--nach-missbrauchsvorwuerfen--berlinersenat -prueft-verbot-in-kitas-33386990 3 https://www.morgenpost.de/berlin/article227497933/Original-Play-Verdacht-von- Kindesmissbrauch-Kirche-und-Diakonie-warnen.html 4 https://www.morgenpost.de/berlin/article227497933/Original-Play-Verdacht-von- Kindesmissbrauch-Kirche-und-Diakonie-warnen.html 5 https://www.berliner-zeitung.de/berlin/-original-play--nach-missbrauchsvorwuerfen--berlinersenat -prueft-verbot-in-kitas-33386990 Drucksache 21/18844 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Senat hat bereits mit Drs. 21/18807 und Drs. 21/18831 zum Konzept „Original Play“ ausführlich Stellung genommen und seine kritische Haltung zu dem Konzept dargelegt. Die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde wird überall da, wo Erkenntnisse vorliegen, dass das Konzept „Original Play“ in Kitas angeboten wird, mit den verantwortlichen Trägern Kontakt aufnehmen. Grundsätzlich rät die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde unter dem Aspekt der Gewährleistung des Kindeswohles allen Kitas ausdrücklich davon ab, das Konzept „Original Play“ anzubieten. Verantwortlich für die Einhaltung des Schutzauftrags gemäß §§ 8a und 72a SGB VIII in den Einrichtungen sind aber in erster Linie die Kita-Träger. Träger erhalten hierzu bei möglichen kindeswohlgefährdenden Situationen oder Vorfällen im Rahmen des § 45 Absatz 6 SGB VIII fachliche Beratung und Unterstützung durch die Kita-Aufsicht der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde. Die Kita-Trägerberatung der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde berät und unterstützt Kita-Träger zur Qualitätssicherung und -entwicklung ihres Betreuungsangebots sowie zu konzeptionellen Fragen des Kinderschutzes gemäß § 8b SGB VIII. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen zum Teil auf Grundlage von Angaben der Bezirksämter, der Träger Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH (Elbkinder) und Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein sowie eines weiteren Trägers wie folgt: 1. In welchen Hamburger Kitas (auch den kirchlichen) findet „Original Play“ Anwendung? a) Über welche Erfahrungen können diese Kitas berichten? b) In welchen dieser Kitas wurden die Eltern vorab auf welche Art und Weise informiert? c) Existiert eine Forschungsstudie zu dieser Methode? Wenn ja, auf welche berufen sich die jeweiligen Kitas? d) Welches fachlich geschulte Team praktiziert „das Spiel“ wie häufig? Der Träger Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein hat mitgeteilt, dass bei den Kitas, die die Methode „Original Play“ angeboten hatten, das Angebot in frei zugänglichen Kita-Räumen stattfand. Eltern, Kinder und Erzieherinnen und Erzieher konnten diesen jederzeit einsehen. In einer Kita des Trägers sei das Angebot auf Wunsch der Eltern nach einer Pause wieder eingeführt worden. Das Angebot sei bei den Kindern sehr beliebt gewesen und hätte in Gruppengrößen von zehn bis zwölf Kindern stattgefunden. Die Rückmeldungen der Eltern seien bis auf eine Ausnahme durchweg positiv. Die Eltern seien vor Einführung des Angebots „Original Play“ und bei der Aufnahme von neuen Kindern/Eltern in der Regel bei den ersten Elternabenden über das Konzept und die Durchführung informiert worden. Darüber hinaus hat ein weiterer Träger mitgeteilt, dass er über keine negativen Erfahrungswerte in Bezug auf die Methode „Original Play“ verfüge. Die Eltern seien über Aushänge, Elterngespräche und durch einen Vortrag von Fred Donaldson, einem Lehrenden der Methode „Original Play“, über das Angebot informiert worden. Es hätte eine zweitägige Fortbildung und einen dreitägigen Workshop zum Thema „Original Play“ gegeben. Im zweiwöchigen Rhythmus hätten Betreuungskräfte mit einer in der Methode „Original Play“ ausgebildeten Fachkraft das Angebot durchgeführt. Die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde hat keine Kenntnis über wissenschaftliche Studien zur Methode „Original Play“. Im Übrigen siehe Drs. 21/18807 und Drs. 21/18831. 2. In den Medien heißt es, die Elbkindertagesstätten lehnten diese Methode ab.6 Welche Begründung wird hierfür genannt? 6 https://www.abendblatt.de/hamburg/article227495777/Original-Play-Missbrauchsverdacht- Kita-Hamburg-Paedagogik-Sozialbehoerde-Elbkinder-EKD-Diakonie.html Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18844 3 Die Methode „Original Play“ setzt auf einen engen körperlichen Kontakt, wie zum Beispiel Ringen und Kuscheln mit Kindern, der von Erwachsenen durchgeführt wird, die den Kindern zum Teil fremd sein können. Eine Methode, bei der ohne gewachsene Beziehungen ein vom Kind selbstbestimmtes Nähe-Distanz-Verhältnis außer Acht gelassen wird und bei dem im Weiteren auch sehr körperintime Berührungen möglich sind, widerspricht nach Auffassung der Elbkinder dem Kinderschutz und deckt sich nicht mit einem respektvollen und grenzachtenden Umgang mit Kindern, so wie er bei den Elbkindern konzeptionell verankert ist. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/18807. 3. Liegen dem Hamburger Jugendamt oder einer sonstigen Behördenstelle Beschwerden vor, die im Zusammenhang mit „Original Play“ geäußert wurden? Wenn ja, wie viele und welcher Art? Die Bezirksämter haben mitgeteilt, dass ihnen keine Beschwerden im Zusammenhang mit der Methode „Original Play“ vorliegen. Im Übrigen siehe Drs. 21/18807 und Drs. 21/18831. 4. Sind dem Jugendamt oder einer sonstigen Behördenstelle in Hamburg Missbrauchs- und/oder Verdachtsfälle bekannt? Wenn ja, diese bitte explizit benennen. Den bei der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde eingehenden Verdachtsfällen wird durch die zuständige Kita-Aufsicht nachgegangen. Eine statistische Erfassung der sehr vielschichtig ausgeprägten Einzelfälle erfolgt nicht. Eine manuelle Auswertung von über tausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Bezirksämter haben mitgeteilt, dass ihnen keine Informationen zu Missbrauchsund /oder entsprechenden Verdachtsfällen vorliegen. Im Übrigen siehe Drs. 21/18807. 5. Wie wird in Hamburg die verdachtsunabhängige, unangekündigte Qualitätsprüfung der Kindertagesstätten praktiziert? Und wie häufig wurde sie seit 1.1.2017 in welchen Kitas mit welchen Ergebnissen durchgeführt? Der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde stehen mit der Kita-Aufsicht gemäß §§ 45 fortfolgende Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) und der Vertragsprüfung gemäß § 22 Landesrahmenvertrag „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen “ (LRV) Instrumente für anlassbezogene Prüfungen zur Verfügung, die abhängig vom Anlass gegebenenfalls unangekündigt durchgeführt werden. Mit dem Kita-Prüfverfahren (siehe Drs. 21/17029) ist die zuständige Behörde künftig berechtigt, anlassunabhängig die Einhaltung des LRV zu überprüfen. Diese Prüfungen werden ab 2020 angekündigt stattfinden. In 2019 finden im Rahmen einer Pilotphase entsprechende Pretests statt. Der Senat hat im Übrigen zum Stand des Verfahrens in der Sitzung des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses am 22.10.2019 ausführlich berichtet. 6. Wird in Hamburg ein Verbot von „Original Play“ geprüft? a) Wenn ja, durch welche Stelle beziehungsweise Stellen und wann ist mit einer behördlichen Stellungnahme zu rechnen? b) Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung und Drs. 21/18807. 7. Wie weit sind die Vorbereitungen zur Einrichtung des Hamburger Kita- TÜVs gediehen? Siehe Antwort zu 5.