BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18856 21. Wahlperiode 08.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 01.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Fachkräftemangel effektiv bekämpfen – Wie fördert der Senat die Annahme des Qualifizierungschancengesetzes? Seit Anfang 2019 ist das Qualifizierungschancengesetz in Kraft. Mit ihm wurde die Rolle der Bundesagentur für Arbeit bei der Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung gestärkt. Ziel sind die Fachkräftesicherung und die Prävention vor Arbeitslosigkeit. Es sieht vor, dass Beschäftigte „unabhängig von ihrer Qualifikation, ihrem Lebensalter und der Größe des Unternehmens, in dem sie angestellt sind, durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden können“ (Drs. 21/16553). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Mit dem Qualifizierungschancengesetz sind die Möglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit, berufliche Weiterbildungen von Beschäftigten zu fördern, deutlich erweitert worden. Der Bund hat hierfür entsprechende Mittel im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellt. Der Senat unterstützt die in der Verantwortung des Bundes liegende Umsetzung des Gesetzes in Hamburg zusätzlich mit einem Pilotprojekt, in dessen Rahmen Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und das im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte Projekt „Hamburger Weiterbildungsbonus“ (Träger: zwei P PLAN:PERSONAL gGmbH (Zwei P)) miteinander kooperieren. Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur für Arbeit), Jobcenter, der Handwerkskammer Hamburg und des Trägers zwei P PLAN:PERSONAL gGmbH wie folgt: 1. „Das Jobcenter werde in einem Pilotvorhaben eine zielführende quantitative und qualitative Ausgestaltung der Qualifizierungsberatung für die Zielgruppe erproben, evaluieren und gegebenenfalls optimieren“, heißt es in der Drs. 21/16553. Was ist diesbezüglich geschehen? 2. Konkret sollten Beschäftigte in Verkehrs- und Logistikberufen angesprochen werden. a) Wann ist das in welcher Form erfolgt? b) Wie viele Personen wurden kontaktiert? c) Was wurde ihnen konkret angeboten? d) Wie viele haben das Angebot angenommen? Um die Umsetzung des Qualifizierungschancengesetzes in Hamburg zu unterstützen, hat die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) mit Jobcenter seit dem 15.04.2019 ein Pilotprojekt aufgelegt, in dessen Rahmen Jobcenter mit dem ESF-Projekt „Hamburger Weiterbildungsbonus“ kooperiert. Im Rahmen des Pilotprojekts werden gezielt Ergänzerinnen und Ergänzer in sozialversicherungspflichtiger Drucksache 21/18856 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Beschäftigung in den Branchen Einzelhandel sowie Verkehr und Logistik, für den Einzelhandel zusätzlich Beschäftigte im Minijob, durch das Jobcenter angeschrieben und telefonisch kontaktiert, um über die Vorteile einer Weiterbildung zu informieren und ein konkretes Beratungsangebot zu unterbreiten. Für die Beratungstermine werden die fachlichen Kompetenzen des Trägers Zwei P bei der Durchführung von Qualifizierungsberatungen genutzt. Am 15.04.2019 startete die Umsetzungsphase des Projektes für die Verkehrs- und Logistikbranche, am 11.06.2019 für den Einzelhandel. Es wurden 832 Personen in Verkehrs- und Logistikberufen und 1 189 Personen in Einzelhandelsberufen kontaktiert . Dabei wurde ein Beratungsangebot zu individuellen Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung und auf Wunsch Unterstützung bei der Absprache mit den Arbeitgebern vorgehalten. Mit Stichtag 04.11.2019 werden 72 Personen im Pilotprojekt gefördert. Die Teilnehmenden werden in berufliche Qualifizierungsmaßnahmen vermittelt . Nach Aussage des Trägers sind rund 80 Prozent der Teilnehmenden geringqualifiziert . Dem Träger steht in 2019 ein zusätzliches Budget von 72 000 Euro für das Pilotprojekt zur Verfügung. Eine abschließende Auswertung der Inanspruchnahme liegt noch nicht vor. 3. Welches Budget ist in Hamburg für die Umsetzung des Qualifizierungschancengesetzes im Jahr 2019 und 2020 vorgesehen? Die Agentur für Arbeit hat für Weiterbildungen Beschäftigter und Entgeltzuschüsse im Jahr 2019 Mittel in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro eingeplant. Die Mittelzuteilung für 2020 ist noch nicht erfolgt, daher kann über die Budgetansätze noch keine Aussage getroffen werden. Auskömmlichkeit wird jedoch auch bei einem steigenden Mittelbedarf gewährleistet sein. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 2. d). 4. Mittel in welcher Höhe wurden davon bisher im Jahr 2019 abgerufen? Bei der Agentur für Arbeit wurden mit Stand 31.10.2019 Mittel in Höhe von 2,45 Millionen Euro ausgegeben, weitere 146 000 Euro sind gebunden. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 2. d). 5. Wie viele Personen könnten damit im Jahr 2019 und 2020 gefördert werden? 6. Wie viele Personen wurden bisher im Jahr 2019 gefördert? 7. Welche Art der Förderung erfuhren diese Personen? Durch die Agentur für Arbeit werden Weiterbildungskosten und Zuschüsse zum Arbeitsentgelt gefördert. Die Übernahme der Weiterbildungskosten und die Zuschüsse zum Arbeitsentgelt setzen grundsätzlich eine Kofinanzierung durch die Arbeitgeber voraus. Art und Umfang der Förderung orientieren sich maßgeblich an der Betriebsgröße. Es stehen sowohl in 2019 als auch in 2020 ausreichende Mittel zur Verfügung. Mit Stand 31.10.2019 wurde für 200 Personen eine Förderung bewilligt. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 2. d). 8. Wie viele der geförderten Personen gelten als geringqualifiziert? Nach Auskunft der Agentur für Arbeit gelten 155 geförderte Personen als geringqualifiziert . Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 2. d). 9. Welchen Branchen entstammen die Personen? Eine statistische Auswertung zur Branchenherkunft ist bei der Agentur für Arbeit nicht möglich, da die Maßnahmen nach Zielberuf gefördert werden. Hier liegt der Schwerpunkt in 2019 in den Bereichen Pflege, Lager und Logistik. 10. Wie erfuhren diese Personen von den Möglichkeiten im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes? Im Rahmen der Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung berät die Agentur für Arbeit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber. Ganz bewusst richtet sich das Angebot Weiterbildungsberatung auch an Erwerbstätige, insbesondere an Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18856 3 Personen ohne oder mit geringer Qualifikation in oft wechselnden oder kurzfristigen Arbeitsverhältnissen, Wiedereinsteigende oder vom Wandel besonders Betroffene. Darüber hinaus werden Arbeitgeber im Rahmen der Qualifizierungsberatung für die Notwendigkeit systematischer, betrieblicher Weiterbildungsaktivitäten sensibilisiert und bei der Planung und Umsetzung betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt . Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 2. d). 11. Welche Angebote im Rahmen der Umsetzung des Qualifizierungschancengesetzes sind aktuell vorhanden? Alle zugelassenen Maßnahmen und Träger sind im Internet unter KURSNET zu finden , siehe https://kursnet-finden.arbeitsagentur.de/kurs/. 12. Welche Voraussetzungen müssen die Angebote erfüllen (unter anderem Dauer, Inhalte, Prüfung)? Die Maßnahmen und die Träger der Maßnahmen müssen nach der Akkreditierungsund Zulassungsverordnung (AZAV) zugelassen sein. Die gesetzlich vorgegebene Mindestdauer von mehr als 160 Stunden pro Maßnahme wurde bereits bei der Zertifizierung berücksichtigt. 13. Wie viele Anbieter von Angeboten im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes haben einen Antrag auf Förderung ihres Angebotes gestellt? Wie viele davon wurden aus jeweils welchen Gründen abgelehnt ? Informationen zu Antragszahlen und Ablehnungen liegen nicht vor. Die Zulassung von Trägern und Maßnahmen erfolgt durch unabhängige fachkundige Stellen (FKS). Eine Übersicht ist unter dem Link https://www.dakks.de/content/datenbank-akkreditierterstellen zu finden. 14. Welche Kosten pro Platz dürfen sie verursachen und wer trägt diese? Die Kosten der Bildungsmaßnahmen variieren nach Bildungsziel und der Dauer der Maßnahme. Zur Höhe der Übernahme und weitere Informationen siehe https://www.arbeitsagentur.de/weiterbildung-qualifizierungsoffensive. 15. Sind Prüfungen zum Nachweis der erlangten Weiterbildung vorgesehen? Wenn ja, wer nimmt diese jeweils anhand welcher Vorgaben ab? Wie viele Personen wurden bisher im Jahr 2019 geprüft und wie viele von denen haben die Prüfungen bestanden? Dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin wird nach Prüfung der Fördervoraussetzungen ein Bildungsgutschein für das angestrebte Bildungsziel ausgehändigt. Dieser wird bei einem zu wählenden Bildungsträger eingelöst. Der für diese Maßnahmen zugelassene Träger rechnet den Gutschein bei der Bundesagentur für Arbeit ab. Für die Prüfungen von abschlussorientierten Maßnahmen sind die jeweiligen Kammern zuständig. Bei allen anderen Maßnahmen erfolgt die Erfolgskontrolle durch den jeweiligen Träger. In 2019 wurden 200 Bildungsgutscheine im Bereich Beschäftigtenförderung im SGB III eingelöst, davon waren 142 abschlussorientiert. Mit Auswertungsstand 31.10.2019 erfolgten bei den 142 abschlussorientierten Maßnahmen vier Maßnahmeabbrüche . Die Gründe für die Abbrüche können unter anderem Umzug, Krankheit , Pflege von Angehörigen, oder persönliche Gründe sein. Sie werden statistisch nicht erfasst. Bei den 58 Bildungsgutscheinen, die für Fortbildungen ausgegeben wurden und nicht durch eine Abschlussprüfung sondern mit einer Teilnahmebescheinigung enden, sind mit Stand 31.10.2019 keine Maßnahmeabbrüche zu verzeichnen. Darüber hinaus erfolgt keine statistische Erfassung zum Bestehen von Weiterbildungsprüfungen . 16. Wie werben Agentur für Arbeit und Jobcenter für die Annahme der Möglichkeiten aus dem Qualifizierungschancengesetz und welche Maßnahmen zur konkreten Ansprache von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind bereits erfolgt? Drucksache 21/18856 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Siehe Antwort zu 10. Darüber hinaus wird das Thema im Rahmen von Arbeitsmarktberatungen bei Arbeitgebern und in Beratungsgesprächen mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beworben. 17. Gibt es bei der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter und der BASFI konkrete Ansprechpartner, eine Projektgruppe oder eine Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Möglichkeiten im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes ? Wenn ja, wie viele VZÄ sind jeweils wo mit dem Thema befasst? Die zuständigen Stellen tauschen sich regelmäßig über die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben in der Arbeitsmarktpolitik aus, zum Beispiel im Rahmen des Fachkräftenetzwerks . In diesem Zusammenhang ist die Konzeption des unter 1. und 2. beschriebenen Pilotprojektes entstanden. Die Umsetzung des Qualifizierungschancengesetzes erfolgt im Rahmen der vorhandenen Personalkapazitäten. Eine Bezifferung in VZÄ-Anteilen ist nicht möglich. Im Bereich der Agentur für Arbeit und Jobcenter gibt es in jedem gemeinsamen Arbeitgeberservice (gAGS)-Team zwei Ansprechpersonen. Sie beraten Arbeitgeber zum Qualifizierungschancengesetz und zu den verschiedenen Fördermöglichkeiten. Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreichen die Ansprechpartner unter der kostenlosen Service-Hotline des gAGS oder über das Kontaktformular (siehe https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/arbeitgeber-service). Für die Beratung von Leistungsbezieherinnen und -beziehern sind im SGB II im ersten Schritt die jeweiligen Integrationsfachkräfte zuständig, siehe https://www.team-arbeit-hamburg.de/site/ kontakt_jobpoint/. 18. Entspricht die Annahme des neuen Förderangebots den Erwartungen des Senats? Wenn nein, warum nicht? Gibt es beispielsweise Branchen, die das Angebot bisher noch gar nicht nutzen? Die zuständige Behörde begrüßt die neuen Fördermöglichkeiten des Qualifizierungschancengesetzes und flankiert die Umsetzung mit einem Pilotprojekt. Die Umsetzung des Gesetzes ist vor dem Hintergrund der sehr guten Arbeitsmarktlage in Hamburg und des relativ kurzen Umsetzungszeitraums seit dem Inkrafttreten am 1. Januar 2019 zu bewerten. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst. Aus Gesprächen mit der Wirtschaft ist der zuständigen Behörde bekannt, dass viele Betriebe aufgrund der aktuell sehr guten Auftragslage teilweise wenig Handlungsspielraum sehen, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Qualifizierungen freizustellen . Im Übrigen siehe Antwort zu 9. 19. Nehmen kleine, mittlere und große Unternehmen das Angebot gleichermaßen an? Wenn nein, warum nicht und wie gedenkt der Senat darauf zu reagieren ? Eine statistische Auswertung nach Unternehmensgröße liegt nicht vor. 20. Welche Schwierigkeiten sieht der Senat bei der Umsetzung des Qualifizierungschancengesetzes ? Welche Vorgaben erschweren die Nutzung? Die Mindestanzahl von 160 Stunden für eine Qualifizierung erschwert aus Sicht der zuständigen Behörde die Nutzung. Hamburg versucht auf Bundesebene, auf eine Flexibilisierung hinzuwirken. 21. Durch welche Maßnahmen gedenkt der Senat die Nutzung der Möglichkeiten im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes auszuweiten? Siehe Antwort zu 18.