BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18858 21. Wahlperiode 08.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 01.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Vorwürfe von Misshandlung in Rückführungseinrichtung Hamburg Zum Zeitpunkt der Anfrage ist in der Abschiebungshaftanstalt in Dresden, Sachsen, ein Mensch russischer Staatsbürgerschaft inhaftiert, der sich bereits mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg am 12. Februar 2019, so geht es aus dem Haftantrag des Referats Rückführungen der ausländerrechtlich zuständigen Behörde für Inneres und Sport vom 12. Februar 2019 hervor, in der Rückführungseinrichtung Hamburg befand. Er wurde wegen „einer Fraktur“ in das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) verlegt. Am 18. Februar floh er von dort. Am 3. Oktober 2019 wurde er, offenbar nach Aufenthalt in Frankreich und Belgien, in Hamburg aufgegriffen und befindet sich, mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 2019, erneut in Sicherungshaft. Der Vollzug findet längstens bis zum 22. November in Dresden statt, obwohl das Gericht die Rückführungseinrichtung Hamburg beschloss. Gegenüber einem Mitglied der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden (https://www.abschiebehaftkontaktgruppe.de/) gab der Betroffene an, erstens , dass er bei seiner Inhaftnahme am 12. Februar 2019 Polizeigewalt erlebt habe, sodass unter anderem sein bereits in 2018 operierter linker Fuß zu schmerzen begann. Nach seinen Angaben begann das durch Osteosynthese implantierte Metall zu verrutschen, deswegen überhaupt der Aufenthalt im UKE. Dass in 2018 eine solche OP durchgeführt wurde, ergibt sich aus der durch das bevollmächtigte Mitglied der Abschiebehaftkontaktgruppe beigezogenen Patientenakte des Betroffenen. Im Haftbeschluss vom 4. Oktober stellt sich die Polizeigewalt so dar, dass der Betroffene „massiven Widerstand “ geleistet habe. Zweitens gab er an, in der Haft von Mitarbeitern/-innen der Einrichtung zusammengeschlagen und gewürgt worden sei, das habe ihn aggressiv werden lassen, dadurch sei er in Isolationshaft gesperrt worden, der Freigang sei nur in Ketten erfolgt. Ich frage den Senat: 1. Kann die Behörde für Inneres und Sport bestätigen, dass der Betroffene zwischen dem 12. Februar und seiner Verlegung ins UKE in der Rückführungseinrichtung Hamburg inhaftiert war? Wenn ja, warum wird diesmal nicht in Hamburg, sondern in Dresden vollzogen, und was zahlt Hamburg dem Freistaat Sachsen dafür? Drucksache 21/18858 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Betroffene war vom 12. bis 15. Februar 2019 in der Rückführungseinrichtung Hamburg und anschließend vom 15. Februar bis zu seiner Flucht am 18. Februar 2019 im Universitätsklinikum Hamburg - Eppendorf (UKE) untergebracht. Die aktuelle Verlegung in die Abschiebungshaftanstalt Dresden erfolgte, um die von dem Betroffenen ausgehende konkrete Fluchtgefahr zu minimieren. Zusätzlich zu seiner erfolgten Flucht am 18. Februar 2019 hatte der Betroffene auch am Tag seiner vorläufigen Ingewahrsamnahme am 3. Oktober 2019 durch die Bundespolizei einen Fluchtversuch unternommen. Zudem äußerte er im Rahmen seiner richterlichen Anhörung vor dem zuständigen Gericht, dass er erneut aus der Rückführungseinrichtung Hamburg flüchten werde. Am 16. Oktober 2019 wurde der ebenfalls im unerlaubten Aufenthalt befindliche Zwillingsbruder vor dem Sicherheitsgelände der Rückführungseinrichtung Hamburg beobachtet. Zur Vereitelung eines erneuten Fluchtversuchs erfolgte daher am 17. Oktober 2019 die Verlegung nach Dresden. Der Freistaat Sachsen berechnet der zuständigen Behörde pro Unterbringungstag in der Abschiebungshaftanstalt Dresden derzeit eine Pauschale in Höhe von 239,59 Euro. 2. Welche Erkenntnisse hat die Behörde für Inneres und Sport über den Vorwurf der Polizeigewalt vom 12. Februar 2019? Welche Einheiten haben die Inhaftierung vollzogen? Das vorläufige Ingewahrsamnahme erfolgte am 11. Februar 2019 durch Vollzugsbedienstete des Einwohner-Zentralamts in den Räumlichkeiten des Einwohner- Zentralamts. Der Betroffene leistete Widerstand und verletzte sich dabei am Fuß. Im Anschluss daran wurde er zur Untersuchung dem UKE zugeführt, bevor die richterliche Anhörung zur beantragten Abschiebungshaft erfolgte. 3. Welche Erkenntnisse hat die Behörde für Inneres und Sport über die regulären wie besonderen Sicherungsmaßnahmen, die gegen den Betroffenen während seiner Haftzeit verhängt wurden? Bitte aufschlüsseln unter Angabe von Zeit und Dauer, gegebenenfalls richterlicher Anordnung unter Angabe der Zeit, gegebenenfalls Genehmigung und/ oder Besuch durch Arzt/Ärztin unter Angabe von Zeit und Dauer. Während der ersten Haft im Februar 2019 wurden keine besonderen Sicherungsmaßnahmen gegen den Betroffenen verhängt. Während der Unterbringung im UKE erfolgte die Bewachung durch zwei Sicherheitskräfte. Ärztliche Untersuchungen beziehungsweise Besuche erfolgten am 12. Februar 2019 um 20:05 Uhr, am 13. Februar 2019 zwischen 10.00 Uhr und 15.15 Uhr im UKE und am 15. Februar 2019 um 7.35 Uhr. Im Rahmen der zweiten Haft wurden dem Betroffenen mit Haftantritt am 4. Oktober 2019 die Nutzung des eigenen Mobiltelefons und die Nutzung des Sportraumes mit anderen Gefangenen durch die Leitung der Rückführungseinrichtung aus Sicherheitsgründen untersagt. Darüber hinaus durfte er sich im Außenbereich nur ohne Mitgefangene und mit Fußfesselung aufhalten. Während der zweiten Haft erfolgten ärztliche Untersuchungen am 4. Oktober 2019 um 19.45 Uhr und am 11. Oktober 2019 um 15.30 Uhr. Am 15. Oktober 2019 versuchte der Betroffene einen Beschäftigten der Rückführungseinrichtung anzugreifen. Er musste daraufhin von mehreren Beschäftigten zu Boden gebracht werden. Gegen 21.45 Uhr bekam er Hand- und Fußfesseln angelegt und wurde in den besonders gesicherten Haftraum (bgH) verbracht. Bei der anschließenden Haftraumrevision wurden mehrere eigens hergestellte gefährliche Gegenstände, darunter ein stichwaffenähnlicher Gegenstand, sichergestellt. Gegen 23.06 Uhr erfolgte eine ärztliche Untersuchung durch eine russischsprechende Ärztin. In den folgenden Stunden randalierte der Betroffene im bgH, beleidigte Beschäftigte und beschädigte Inventar erheblich. Nachdem er die Kameras unbrauchbar gemacht hatte, wurden zwei Sichtwachen vor der geöffneten Tür des bgH postiert. Am 16. Oktober 2019 hatte sich der Betroffene gegen 7.50 Uhr wieder beruhigt und zeigte sich einsichtig, sodass die Hand- und Fußfesselung beendet werden und er wieder in seinen Haftraum geführt werden konnte. Am 17. Oktober 2019 erfolgte gegen 14.00 Uhr die Verlegung nach Dresden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18858 3 4. Gab es interne Ermittlungen wegen eines oder beider Vorwürfe gegen Beamte/-innen beziehungsweise Mitarbeiter/-innen, welche Behörde führte die Ermittlungen durch, wie ist der Stand der Ermittlungen beziehungsweise zu welchem Ergebnis sind sie gekommen? Wenn es keine Ermittlungen gab, warum nicht? Aufgrund der Vorwürfe des Betroffenen zum Vorfall am 11. Februar 2019 wurde durch das Hamburger Dezernat für Interne Ermittlungen ein Ermittlungsverfahren gegen vier Mitarbeiter der zentralen Ausländerbehörde des Einwohner-Zentralamts eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat das Verfahren nach Abschluss der Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung am 10. September 2019 eingestellt. 5. Bisher, Stand 30. Oktober 2019, ist in Dresden, so geht es aus der beigezogenen Patientenakte hervor, keine weitere Operation des schmerzenden Fußes erfolgt und ist dies ist auch nicht geplant – in welcher juristischen Verantwortung ist die ausländerrechtlich zuständige Behörde für Inneres und Sport für das Recht auf Gesundheit wie auf körperliche Unversehrtheit des Betroffenen, trotz des Vollzugs der Haft in Dresden? Nach den Regelungen der Amtshilfe in den §§ 4 bis 8 der Verwaltungsverfahrensgesetze (VwVfG) des Bundes und der Länder bleibt die ersuchende Behörde, hier die Behörde für Inneres und Sport, die Herrin des Hauptsacheverfahrens, hier der Abschiebung des Betroffenen. Die Durchführung der konkreten Amtshilfehandlung richtet sich dagegen gemäß § 7 Absatz 1 VwVfG nach dem für die ersuchte Behörde, hier der Landesdirektion Sachsen, geltenden Recht, hier dem Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams im Freistaat Sachsen (Sächsisches Abschiebungshaftvollzugsgesetz - SächsAHaftVollzG) vom 28. Juni 2018, SächsGVBl. 2018, 458). Die Verantwortung für die Durchführung der Amtshilfe, hier die Durchführung der Abschiebungshaft, liegt gemäß § 7 Absatz 2 Satz 2 VwVfG bei der Landesdirektion Sachsen. Für die gesundheitliche Versorgung des Betroffenen gelten für die Dauer seiner Inhaftierung in Sachsen die §§ 11 fortfolgende Sächs- AHaftVollzG.