BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18880 21. Wahlperiode 12.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 05.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Beschlüsse des Senats und der Bürgerschaft zum Ersatz des HKW Wedel Senator Kerstan hat bei einer öffentlichen Veranstaltung am 16. September 2019 in der Volkshochschule West laut einem Videomitschnitt gesagt (A): „Im Grunde genommen liefen bis zum Frühjahr letzten Jahres parallel zwei Planungen, die Dradenau und der Standort Stellingen und im April letzten Jahres haben wir dann entschieden im Senat, den Stellinger Standort zu verwerfen.“ Senator Kerstan begann seinen Vortrag mit der folgenden Feststellung (B): „Ich möchte Ihnen heute nicht unsere Planung, sondern ein laufendes Projekt vorstellen, das der Senat beschlossen hat, die Bürgerschaft beschlossen hat und die betroffenen Unternehmen jetzt in der Durchführung sind.“ Aus Protokollen des Energienetzbeirats und aus Dokumenten, die dieser veröffentlicht hat, geht allerdings eindeutig hervor, dass es parallel zur Planung für den Standort Dradenau keine Planung für eine Nordvariante am Standort Stellinger Moor gab, sondern für eine Nordvariante am Haferweg und in Wedel (Berichte über das Projekt EEWH durch Dr. Beckereit am 02.11.2017 und am 23.11.2017). Seit Ende 2017 hat sich das Ersatzkonzept in Dradenau drastisch geändert (keine „MVR-Rochade“ mehr für die volle Nutzung der MVR verbunden mit einer Auskoppelung von Fernwärme aus Moorburg; stattdessen ein leistungsstarkes GuD-Heizkraftwerk in Dradenau). Die verglichene Nordvariante am Haferweg und in Wedel stellte sich schnell als wenig geeignet heraus, allein schon mangels Flächen am Haferweg sowie wegen ökonomischer und ökologischer Mängel. Aus diesen Gründen empfahl der Energienetzbeirat der Behörde für Umwelt und Energie (BUE), unverzüglich eine Ersatzlösung für das Heizkraftwerk Wedel zu prüfen, die keine Elbquerung benötigt und die auf dem vom Beratungsbüro BET im Jahr 2015 vorgeschlagenen modularen Ansatz mit Schwerpunkt am Energiestandort Stellinger Moor aufbaut. Gleichzeitig setzte der ENB mit großer Mehrheit eine Arbeitsgruppe zur „Ausgestaltung der Ersatzlösung für das HKW Wedel“ ein, die im April 2019 einen Bericht lieferte . Drucksache 21/18880 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dieser Bericht kam zum Ergebnis, dass die Alternativen-Prüfung vom 23.11.2017 als obsolet betrachtet werden muss. Aufgrund eines von der AG ausgearbeiteten Variantenvergleichs zwischen einer Südvariante in Dradenau und einer Nordvariante im Stellinger Moor unterstützte dieser Bericht die Empfehlung des ENB zu einer unverzüglichen Prüfung einer Ersatzlösung für das HKW Wedel, die keine Elbquerung benötigt und die auf dem vom Beratungsbüro BET im Jahr 2015 vorgeschlagenen modularen Ansatz mit Schwerpunkt am Energiestandort Stellinger Moor aufbaut. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wurde Ende 2017 beim Vergleich einer Südvariante und einer Nordvariante für den Ersatz des HKW Wedel eine Nordvariante an den Standorten Haferweg und Wedel oder eine Nordvariante am Standort Stellinger Moor mit einer Südvariante in Dradenau verglichen? Es wurde eine Nordvariante mit den Standorten Haferweg, Stellinger Moor und Wedel mit einer Südvariante mit den Standorten Stellinger Moor und Dradenau verglichen. Folgende Varianten wurden am 23. November 2017 im Energienetzbeirat präsentiert: Aus der Südvariante hat sich das heutige Wedel-Ersatzkonzept rund um den Energiepark Hafen weiterentwickelt. Das Grundkonzept rund um Wärme aus Müllverbrennung , eine Abwasser-Wärmepumpe und industrielle Abwärme, welche durch eine Gas-Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)-Anlage aufgeheizt und bereichert durch eine Elbleitung erschlossen werden müssen, besteht auch heute noch. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18880 3 2. Hat der Senat aufgrund von zwei parallelen Planungen für die Standorte Dradenau und Stellinger Moor im April 2018 entschieden, den Standort Stellinger Moor zu verwerfen? 3. Wann hat eine entsprechende Sitzung des Senats stattgefunden? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? 4. Gibt es Protokolle einer Senatssitzung, die die oben zitierte Feststellung (A) von Senator Kerstan stützen? 5. Wann ist das „laufende Projekt“ nach der Feststellung (B), das mit dem „Energiepark Hafen“ übereinstimmen dürfte und zu dem unter anderem Genehmigungsanträge für eine Fernwärmetrasse unter der Elbe und ein Gas-KWK-Heizkraftwerk eingereicht worden sind, vom Senat beschlossen worden? Der Standort Stellinger Moor spielt bei dem Ersatz des Heizkraftwerks (HKW) Wedel weiterhin eine wichtige Rolle. Dort soll das Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) der Stadtreinigung Hamburg AöR entstehen und rund 30 Megawatt Wärmeleistung aus der thermischen Behandlung von Abfällen beziehungsweise Ersatzbrennstoffen sowie nochmals rund 30 Megawatt aus der Verbrennung von Biomasse für die Fernwärme bereitstellen. Darüber hinaus wurden im Rahmen des Projektes „Erneuerbare Wärme Hamburg“ für die Konzeptionierung eines Multifuel-Heizwerks (Biomasse) mehrere Standorte geprüft. Bei der Südvariante wurde eine Fläche an der Dradenau identifiziert und bei der Nordvariante wurde der Standort Wedel gegenüber dem Standort Stellinger Moor bevorzugt. In diesem Sinne wurde der Standort Stellinger Moor für den Bau einer (weiteren) Biomasseanlage verworfen. Das Multifuel-Heizwerk kam in den Simulationen auf nur wenige Einsatzstunden (aufgrund hoher Wärmegestehungskosten) und wurde daher letztendlich sowohl in der Nord- als auch in der Südvariante aus wirtschaftlichen Gründen verworfen. Die Entscheidungen zur Ausgestaltung verschiedener Varianten wurden innerhalb des Projektes „Erneuerbare Wärme Hamburg“ von den Beteiligten (BUE, HAMBURG ENERGIE, HAMBURG WASSER und der Stadtreinigung Hamburg) getroffen. Die Ergebnisse des Projekts wurden dokumentiert und im Energienetzbeirat und im Ausschuss für Umwelt und Energie vorgestellt. Im Sommer 2018 wurde die Südvariante gemeinsam mit dem damaligen Mehrheitsgesellschafter der Wärmegesellschaft weiterentwickelt und es wurde ein einvernehmliches Grundkonzept für den Ersatz des HKW Wedel gefunden, welches in das städtische Unternehmenskonzept für die Wärmegesellschaft eingeflossen ist. Das Grundkonzept mit Elbtrasse und Gas-KWK-Anlage für den Ersatz des HKW Wedel wurde mit der Drs. 21/14636 im Oktober 2018 vom Senat und der Bürgerschaft beschlossen. 6. Mit der Drs. 21/14636 („Umsetzung des Volksentscheids über die Hamburger Strom-, Gas- und Fernwärmeleitungsnetze - Verträge mit der Vattenfall GmbH zum Erwerb der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH“) hat die Bürgerschaft dem Erwerb des Fernwärmenetzes, dessen Finanzierung und einem technischen Konzept zugestimmt. Gab es über das auf weniger als einer Seite skizzierte Wärmekonzept eine beschlussfähige und auf Basis einer konkreten Detailplanung stattgefundene Beteiligung der Gremien der Bürgerschaft? Wenn ja, wann und wo und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, gibt es seitens des Senats eine Zeitplanung dafür und wie sieht die gegebenenfalls aus? Siehe Antwort zu 2 bis 5. Im Übrigen wurde der Bürgerschaft im Rahmen der Drs. 21/14337 Einblick in alle relevanten Projektunterlagen gewährt. Drucksache 21/18880 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 7. Nach den oben beschriebenen Empfehlungen des Energienetzbeirats ist die Alternativen-Prüfung Ende 2017 nicht ausreichend für eine Entscheidung über den Ersatz für das HKW Wedel. Will der Senat auf eine vom Energienetzbeirat empfohlene Alternativen-Prüfung verzichten? Wenn ja, mit welcher Begründung? Ja. Wie bereits in der Drs. 21/17901 ausgeführt, kommt eine Alternative für den Ersatz des HKW Wedel nördlich der Elbe, mit einem Multifuel-Heizwerk und Solarthermie am Standort Stellinger Moor, aus mehreren Gründen nicht infrage. Bereits im Projekt Erneuerbare Wärme Hamburg schied ein Multifuel-Heizwerk aus wirtschaftlichen Gründen sowohl in der Süd- als auch in der Nordvariante aus. Die Randbedingungen Brennstoffverfügbarkeit und Brennstoffpreise gegenüber den Betrachtungen von 2017 haben sich nicht verbessert, sodass eine erneute detaillierte Variantenprüfung keine neuen Erkenntnisse bringen würde. Zu diesen wirtschaftlichen Argumenten kommt hinzu, dass der Standort am Stellinger Moor (nördlich der geplanten ZRE) aufgrund von Nutzungskonkurrenzen nicht frei zur Verfügung steht. Nicht zu vernachlässigende Genehmigungsrisiken für eine Biomasse-Großfeuerungsanlage an diesem Standort erschweren eine Umsetzung der Nordvariante nochmals.