BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18882 21. Wahlperiode 12.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 05.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Wie steht es um den Datenschutz im Winternotprogramm? Um Wege aus der Obdachlosigkeit zu finden und mögliche Sozialleistungsansprüche zu klären, werden im Rahmen des Winternotprogramms Sozialberatungen für dessen Nutzer/-innen angeboten. Personen ohne sozialrechtliche Ansprüche erhalten eine Perspektivberatung. Abhängig von den individuellen Lebensumständen werden dann auch andere Beratungseinrichtungen und behördliche Stellen unter Mitwirkung der Betroffenen einbezogen. Hierfür erhalten die Betroffenen einen sogenannten Laufzettel (siehe hierzu https://www.hamburg.de/contentblob/10270164/55729b860d824a53c7fb4b82 1187a610/data/laufzettel.pdf), den sie bei den entsprechenden Stellen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorlegen und abzeichnen lassen müssen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Freie und Hansestadt Hamburg bietet obdachlosen Menschen seit vielen Jahren ein niedrigschwelliges Winternotprogramm an, das weit über den ordnungsrechtlich erforderlichen Kälte- und Erfrierungsschutz hinausgeht. Nicht nur der hohe Unterbringungsstandard , sondern insbesondere auch die umfassenden Beratungs- und Hilfsangebote für die Übernachtenden, kennzeichnen das Hamburgische Winternotprogramm und machen den Erfolg dieses Programms seit vielen Jahren aus. Die Niedrigschwelligkeit des Zugangs stellt einen ganz wesentlichen Aspekt dar, vor allem auch, um Vorbehalte obdachloser Menschen gegenüber der Nutzung staatlicher Hilfen abzubauen. Dies bestimmt auch den Umfang der Datenerhebung. Diese beschränkt sich in der Aufnahmesituation zunächst ausschließlich auf die nach Lage des jeweiligen Einzelfalls für die gesetzlich gebotene Aufklärung der Gefahrenlage nach § 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) i.V.m. Artikel 6 Absatz 1 UAbs. 1 Buchstabe a und e Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO). Zu den notwendigen Selbstangaben der Betroffenen zählen Informationen zum Umstand der Obdachlosigkeit und zu fehlenden Selbsthilfemöglichkeiten zur Abwendung der Obdachlosigkeit. Auf dieser Basis kann, auch unter Pseudonymen, eine Zuteilung von Betten erfolgen. Die über diese Gefahrenaufklärung hinausgehende Sozialberatung erfolgt ausschließlich auf freiwilliger Basis und bietet den Betroffenen die Möglichkeit, sich insbesondere in allgemeinen Fragen ihrer prekären Lebenssituation, bei Konfliktbewältigungen, Antragstellungen für Sozialleistungen und weitergehenden Perspektivklärungen unterstützen zu lassen und die dafür jeweils zweckdienlichen Angaben zu machen (siehe auch Drs. 21/11465 und 21/11572). Über diesen Bezug der freiwilligen Selbstangaben zu weiterführenden Hilfen, wie etwa die Beantragung von Sozialleistungen und die Realisierung von weitergehenden Unterbringungsansprüchen, werden die Betroffenen in der Beratung aufgeklärt. Ihre Daten werden an weitere Prüfinstanzen (zum Beispiel Jobcenter) oder beratende Kooperationspartner (zum Beispiel Servicestelle Arbeit- Drucksache 21/18882 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nehmerfreizügigkeit Arbeit und Leben und Anlaufstelle für wohnungslose EU-Bürger/-innen/Plata) nur mit ihrer Zustimmung weitergegeben. Gesetzliche Verpflichtungen zur Datenübermittlung bleiben unberührt (zum Beispiel Mitteilungen über Erkrankungen nach dem Infektionsschutzgesetz, vergleiche auch Drs. 21/11213 und 21/16560). Dies gilt auch für Datenübermittlungen dieser Stellen. Auf Basis dieser freiwilligen Angaben und darauf aufbauender Hilfeprozesse konnte allein im letzten Winter 461 Übernachtenden eine Perspektive abseits der Straße vermittelt werden. Insgesamt wurden auf diese Weise seit 2012 über 1 000 obdachlose Menschen aus dem Winternotprogramm in Unterkunft vermittelt, mussten also nicht auf die Straße zurückkehren. Die Datenverarbeitung erfolgt standardisiert anhand einheitlicher Protokollbögen, transparent gegenüber den beratenen Personen und auf Basis der gesetzlichen Vorgaben . Hierzu gehören Datenschutzaufklärungen, widerrufliche Einwilligungserklärungen und das Recht zur jederzeitigen Einsichtnahme in die gespeicherten Informationen ebenso wie die grundsätzliche Beschränkung der Verarbeitung auf den für die Aufnahme oder anschließende Hilfeleistungen erforderlichen Zweckbezug und Zeitraum . Umfasst sind auch die arbeitsrechtlich und verfahrensbezogen umgesetzte Einhaltung beruflicher Verschwiegenheitspflichten. In technischer und organisatorischer Hinsicht schützen Berechtigungskonzepte, personalisierte, passwortgeschützte Zugänge zu gespeicherten Daten sowie die Aufbewahrung von Dokumenten in abschließbaren Schränken die personenbezogene Daten vor unbefugtem Zugriff Dritter . Im Übrigen siehe zu den Grundlagen des Winternotprogramms auch https://www.hamburg.de/winternotprogramm-obdachlose/. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Angaben von f & w fördern & wohnen AöR (f & w) wie folgt: 1. Inwieweit werden im Rahmen der Sozial- und Perspektivberatungen des Winternotprogramms personenbezogene Daten zur Sachverhaltsaufklärung gespeichert? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies? 2. Inwieweit werden im Rahmen der Zuteilung/Registrierung der Betten im Rahmen des Winternotprogramms personenbezogene Daten gespeichert ? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies? 3. Auf welche Art und Weise werden die Daten wo und wie lange gespeichert ? 4. Wie wird sichergestellt, dass nur erforderliche Daten gespeichert werden ? 5. Inwieweit werden die Betroffenen über die Speicherung ihrer Daten informiert und aufgeklärt? 6. Inwieweit ist für die Speicherung der Daten die Einwilligung der Betroffenen erforderlich a. Welche Konsequenzen drohen den Betroffenen, wenn sie ihre Einwilligung verweigern? b. Inwieweit werden die Betroffenen über die Konsequenzen einer verweigerten Einwilligung informiert? 7. Inwieweit können die Betroffenen Einblick in die Daten erhalten, die über sie erhoben und gespeichert werden? 8. Inwieweit unterliegen die Mitarbeitenden der Sozial- und Perspektivberatung der beruflichen Verschwiegenheitspflicht und welche Auswirkungen hat dies auf die Datenerfassung? 9. Welche Datenschutzvorkehrungen gibt es innerhalb der Einrichtungen des Winternotprogramms, um zu gewährleisten, dass nur die jeweils befugten Personen auf die Informationen aus den Beratungsgesprächen zugreifen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18882 3 10. Welcher Datenaustausch findet hinsichtlich der personenbezogenen Daten, die im Rahmen des Winternotprogramms erhoben werden, zwischen den durchführenden Stellen der Sozial- und Perspektivberatung und anderen Beratungseinrichtungen oder behördlichen Stellen, wie a. dem Jobcenter t.a.h., b. der Anlaufstelle für wohnungslose EU-Bürger/-innen/plata, c. der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit Arbeit und Leben, d. dem Ankunftszentrum, e. dem Fachamt Gesundheit, statt? Welche Berichtspflichten haben oben genannte Beratungseinrichtungen und behördlichen Stellen gegenüber den Einrichtungen des Winternotprogramms ? 11. Bei einer Sozialberatung kann es um sehr intime Themen, wie beispielsweise Umgang mit Geld, Sucht oder Gewalterfahrungen, gehen. Inwieweit besteht innerhalb der Beratung die Möglichkeit, sich solchen Themen zu verweigern? 12. Inwieweit werden Vorkehrungen zum Schutz von besonders sensiblen Kategorien personenbezogener Daten (zum Beispiel Umgang mit Geld, Sucht, Gewalterfahrung et cetera) getroffen? Siehe Vorbemerkung.