BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18968 21. Wahlperiode 19.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 12.11.19 und Antwort des Senats Betr.: IS-Rückkehrer – Wie ist der Senat vorbereitet? (II) Nach aktuellen Berichten sollen aus der Türkei mutmaßliche Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ und andere mögliche Extremisten nach Deutschland abgeschoben werden. Im Verlauf der Woche sollen die ersten fünf Männer, drei Frauen und zwei Kinder in Deutschland erwartet werden. Unter den insgesamt 20 Betroffenen ist mindestens eine Frau aus Hamburg mit zwei Kindern. Die in Tonndorf aufgewachsene Frau soll nach Angaben ihrer Anwältin aus einem kurdischen Gefangenenlager mit ihren zwei Söhnen (vier und zwei Jahre alt) in die Türkei geflohen sein. Davor sei sie für knapp fünf Jahre in Syrien gewesen und war mit einem IS-Kämpfer bekannt. Nach dessen Tod im Jahr 2017 soll sie noch Mitglied der Terrormiliz gewesen sein. Nach Aussagen des Innensenators seien die Sicherheitsbehörden auf die Rückkehrer vorbereitet.1 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat hat bereits mehrfach zur Thematik von IS-Rückkehrerinnen und -Rückkehrern Stellung genommen, siehe unter anderem Drs. 21/17710, Drs. 21/17255, Drs. 21/16775, Drs. 21/16409, Drs. 21/16311 und 21/14037. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welchen Erkenntnisstand hat der Senat über Hamburger IS-Kämpfer und ihre Familien, die nach Hamburg zurückkehren? Bitte detailliert ausführen zu: Gesamtanzahl der Rückkehrer, Männer, Frauen, Kinder, Staatsangehörigkeit/-en, Alter, Ausreisedatum, Informationen zu Radikalisierung , Einstufung als Gefährder. Siehe Drs. 21/16311. An dem dort dargestellten Sachstand hat sich nichts verändert. 2. Welche Ermittlungsverfahren werden gegen die in Hamburg erwartete Frau mit zwei Kindern geführt? Welche und wie viele Verfahren werden gegen weitere mutmaßliche IS-Rückkehrer nach Hamburg geführt? Die zuständigen Behörden geben in diesem Zusammenhang aus grundsätzlichen Erwägungen keine Auskunft zu etwaigen Ermittlungsverfahren. 1 Vergleiche https://www.abendblatt.de/hamburg/article227624761/Erdogan-will-IS-Mitgliedernach -Hamburg-abschieben.html. Drucksache 21/18968 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden bezüglich der im Vortext genannten Rückkehrerin? Wie sind die Bundesländer in die Entscheidung/die Verfahren eingebunden? In den Ländern wurden Koordinierungsstellen für konzeptionelle Fragen in Bezug auf Rückkehrerinnen und Rückkehrer eingerichtet. Diese stehen im regelmäßigen Austausch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie den weiteren zuständigen Bundes- und Landesbehörden. Des Weiteren hat das Bundeskriminalamt (BKA) für die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin die Arbeitsgruppe (AG) „Haftfälle“ eingerichtet. Die AG ist zentraler Ansprechpartner zu Fragen im Zusammenhang mit in Syrien, im Irak oder in der Türkei inhaftierten Personen mit Deutschlandbezügen und Rückkehrabsichten nach Deutschland. Dabei handelt es sich sowohl um tatsächliche und mutmaßliche Kämpfer/Unterstützer des sogenannten Islamischen Staates als auch um „mitreisende Ehefrauen“ dieser Personen und deren Kinder. Die AG nimmt als Koordinierungsstelle den erforderlichen Informationsaustausch zwischen den ermittelnden Dienststellen (Polizei der Länder und BKA), dem Ausland und den involvierten Nachrichtendiensten wahr. Darüber hinaus beschäftigt sich die AG mit der Planung, Durchführung und Auswertung von Befragungen der betroffenen Personen und – sofern notwendig und gefordert – der Gewährleistung einer kontrollierten Rückholung. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. und Vorbemerkung. 4. Wie ist beziehungsweise bereitet sich der Senat auf die möglicherweise bevorstehende Rückkehr von aus der Türkei abgeschobenen möglichen Personen, wie der Frau aus Hamburg, vor? Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg wird gemäß Hamburgischem Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) die hinsichtlich des jeweiligen Einzelfalles angemessenen Maßnahmen veranlassen. Die Polizei Hamburg trifft die im konkreten Einzelfall erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Darüber hinaus betreffen die Fragestellungen die Einsatztaktik der Polizei, zu der aus grundsätzlichen Erwägungen keine Angaben gemacht werden. Zudem stehen auch diesen Familien alle Angebote der Jugendhilfe zur Verfügung. Der Bedarf würde unter Beteiligung der Betroffenen nach individueller Problemlage ermittelt werden. Der Steuerungskreis auf Amtsleitungsebene, der die Umsetzung des Senatskonzepts zur Vorbeugung und Bekämpfung von religiös begründetem Extremismus und Muslimfeindlichkeit steuert, hat eine behördenübergreifende „AG Rückkehrer“ eingerichtet, die bereits getagt hat. Sie hat den Auftrag sicherzustellen, dass die Hamburger Institutionen (Behörden sowie die Beratungsstelle Legato) im Falle der Rückkehr von mutmaßlichen IS-Anhängerinnen und -Anhängern sowie deren Kindern im Rahmen ihrer jeweiligen Aufträge zügig und abgestimmt vorgehen. Bei Fragen nach Ansprechpersonen und Meldewegen werden sie dabei von der Koordinierungsstelle der BASFI unterstützt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Wo genau wird die Frau aus Hamburg mit zwei Kindern untergebracht? Wird es eine separate Unterbringung geben? Wenn ja, inwiefern? Die Planungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Drs. 21/16311. 6. Welche Maßnahmen hat beziehungsweise wird die jeweils zuständige Stelle in Hamburg veranlassen, um die Öffentlichkeit zu schützen? a. Gibt es gegebenenfalls besondere Sicherheitsvorkehrungen beziehungsweise besondere Maßnahmen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18968 3 b. Ist eine Überwachung der Rückkehrer, wie der Frau, geplant? c. Wie und mit welchen Präventionsprogrammen sollen die Rückkehrer deradikalisiert werden? Die Staatsanwaltschaften prüfen in jedem Einzelfall, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls in den in ihre Zuständigkeit fallenden Verfahren vorliegen. Für eine Beratung und sozialtherapeutische Begleitung der betroffenen Personen steht die Beratungsstelle Legato zur Verfügung, zu deren Ansatz und Arbeitsweise siehe Drs. 21/5039. In den Haftanstalten besteht das Angebot von Legato PräJus, siehe Drs. 21/16311. Im Übrigen siehe Antworten zu 2. und 4. d. Welche Beratungsangebote neben Legato Hamburg – von der systemischen Ausstiegsberatung – Fach- und Beratungsstelle für religiös begründete Radikalisierung können seit wann in Anspruch genommen werden? Neben der Beratungsstelle Legato können die Betroffenen auch die Regelangebote der Stadt Hamburg nutzen, zum Beispiel die Allgemeinen Sozialen Dienste und Erziehungsberatungsstellen , siehe auch Drs. 21/15550. 7. Wie sind die JVAs auf die Rückkehrer vorbereitet? a. In Anbetracht der Tatsache, dass die Haftkapazitäten in den JVAs nahezu erschöpft sind, kann der Senat die Unterbringung von Rückkehrern sicherstellen? Wie bereitet sich der Senat auf diese Situation vor, wie stellt er genügend Haftplätze zur Verfügung? b. Wie viele Untersuchungshaftplätze sind aktuell frei? c. Die Gefahr ist groß, dass sich Täter in JVAs weiter radikalisieren. Inwieweit wird eine räumliche Trennung zu anderen Inhaftierten erfolgen? d. In welcher JVA sollen die Rückkehrer räumlich untergebracht werden ? e. Werden solche Personen vom Senat als besondere Gefahr bezogen auf Radikalisierungen von Personen in den JVAs gesehen? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Gibt es daher gegebenenfalls besondere Sicherheitsvorkehrungen beziehungsweise besondere Maßnahmen ? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? f. Wird speziell ausgebildetes Personal für Rückkehrer in den JVAs eingesetzt werden? Wenn ja, welche Ausbildungen und Erfahrungen können diese vorweisen ? Wenn nein, warum nicht? g. Welche Deradikalisierungsprogramme sind für diese Personen vorgesehen ? Mit Stand 13. November 2019 waren in Hamburger Anstalten 60 Untersuchungshaftplätze frei. Im Übrigen siehe Drs. 21/16311. 8. Wie wird der Senat mit Rückkehrern umgehen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft aufweisen? Bei Personen, die neben einer ausländischen Staatsangehörigkeit die deutsche besitzen und die sich an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland konkret beteiligt haben, kommt nach der Neuregelung des § 17 Absatz 1 Nummer 5 in Drucksache 21/18968 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Verbindung mit § 28 Absatz 1 Nummer 2 Staatsangehörigkeitsgesetz die Feststellung eines Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit in Betracht. Diese am 9. August 2019 in Kraft getretene bundesgesetzliche Neuregelung gilt jedoch nicht für konkrete Beteiligungen an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor Inkrafttreten dieses Gesetzes, siehe die amtliche Begründung Bundesratsdrucksache 154/19. 9. Wie wird der Senat mit Rückkehrern verfahren, gegen die bereits Haftbefehle erlassen wurden? Welche bisherigen Kenntnisse hat der Senat zu diesen Haftbefehlen und wie sieht die Zusammenarbeit dazu mit den Bundesbehörden aus? Die Staatsanwaltschaften beauftragen die Polizei mit der Vollstreckung bestehender Haftbefehle. Im Übrigen siehe Drs. 21/16311. 10. Was passiert mit den minderjährigen Kindern, während die Eltern hinsichtlich ihrer Beteiligung im IS befragt werden? a. Wie will der Senat diese Kinder deradikalisieren? b. Mit welchen Maßnahmen werden diese Kinder in der Schule beziehungsweise Kita integriert? Gibt es spezielle Schulen oder Kitas, die auf die Probleme der Deradikalisierung und Traumabewältigung spezialisiert sind? c. Mit welchen speziellen Programmen werden einerseits die Kinder und andererseits die Pädagogen insbesondere bei der Traumabewältigung der Kinder unterstützt? Die Kinder sind nur dann Gegenstand von Deradikalisierungsmaßnahmen, wenn sie selbst radikalisiert sind, siehe auch Drs. 21/17255, Drs. 21/15550 und Drs. 21/12086, Drs. 21/16311 und Drs. 21/18968. Zudem wird der Hilfe- und Unterstützungsbedarf gemäß SGB VIII in jedem Einzelfall gesondert geprüft. Bei der Polizei erfolgt eine Betreuung durch geeignete Mitarbeiter; gegebenenfalls unter Hinzuziehen des Kinder- und Jugendnotdienstes. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. und Vorbemerkung.