BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/18979 21. Wahlperiode 19.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 13.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Polizeieinsatz und Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten im Zusammenhang mit der Vorlesung „Makroökonomik II“ Zum Wintersemester 2019/2020 hat der Gründer der „Alternative für Deutschland“ (AfD) Prof. Dr. Bernd Lucke seine Tätigkeit an der Universität Hamburg wiederaufgenommen und liest die Vorlesungen „Makroökonomik II“. Zu seinen Vorlesungen gab es jeweils Proteste von Studierenden, die auf die Rolle und Verantwortung Bernd Luckes für die Entstehung und Etablierung der AfD aufmerksam machen wollten. Dabei kam es zu Störungen, die dazu führten, dass die Veranstaltung mehrfach abgebrochen wurde und seitdem unter Schutz der Polizei und Sicherheitsdienste durchgeführt wird. Bei der Vorlesung vom „Makroökonomik II“ am 06.11.2019 soll ein Student an der Fakultät für Physik von sechs Polizeikräften aus seinem (anderen) Seminar geholt und durchsucht worden sein. Anschließend habe man ihn aufgefordert, das Gelände zu verlassen. Als Grund für diese Maßnahme sei von den Polizeikräften auf die ebenfalls an der Fakultät für Physik stattfindende VWL-Vorlesung „Makroökonomik II“ verwiesen worden. Der Betroffene gab an, dass er in der vorausgegangenen Woche einen Platzverweis von der Polizei erhalten habe und in diesem Zusammenhang seine Personalien festgestellt worden seien. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Universität Hamburg (UHH) wie folgt: 1. Aus welchen Gründen wurde der Student am 06.11.2019 in seinem Seminar aufgesucht und dem Gelände verwiesen? 2. Hat der Betroffene am 30.10.2019 und/oder am 06.11.2019 einen Platzverweis oder ein Aufenthaltsverbot erhalten? Wenn ja, was aus welchem Grund, mit welcher zeitlichen Dauer und für welches räumliche Gebiet? Wenn nein, auf welcher (Rechts-)Grundlage erfolgte die Unterbindung seiner Teilnahme an der Vorlesung und die Verweisung vom Universitätsgelände ? Der Polizei ist im Sinne der Fragestellung ein Sachverhalt vom 6. November 2019 bekannt, bei dem Einsatzkräfte gegen 11 Uhr im Hauptgebäude der Fakultät sechs Maßnahmen gegen eine männliche Person getroffen haben. Nach den Wahrnehmun- Drucksache 21/18979 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gen der Polizei hatte die Person zuvor im Gebäude ein Verhalten gezeigt, das darauf schließen ließ, dass diese das Gebäude hinsichtlich eventueller Störmöglichkeiten der von der Fragestellung umfassten Vorlesung abgesucht hat. Im Verlauf der polizeilichen Feststellungen begab sich die Person in einen Seminarraum des Gebäudes, in dem sie von Einsatzkräften angehalten wurde. Zur Gefahrenabwehr erteilte die Polizei der Person aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse für das Gelände der Fakultät 6 für den Zeitraum 6. November 2019 von 11 Uhr bis 15 Uhr einen Platzverweis. Den Einsatzkräften war diese Person bereits aus dem Einsatz vom 30. Oktober 2019 im Zusammenhang mit der von der Fragestellung umfassten Universitätsvorlesung bekannt. Die Polizei hatte die Person dort als Störer auf dem Gelände der Fakultät 6 der Universität Hamburg festgestellt und der Person zur Gefahrenabwehr einen Platzverweis erteilt; dieser umfasste den Zeitraum 30. Oktober 2019 von 13.55 Uhr bis 15 Uhr. 3. Nach Angabe des Betroffenen sei er zielgerichtet von der Polizei aufgesucht worden. Gab es eine Anfrage von der Polizei an die Universität, an welchem/-r Seminar und/oder Vorlesung in welchem Gebäude der Betroffene teilnimmt? Wenn ja, an wen richtete sich die Anfrage, welche Informationen wurden seitens der Polizei abgefragt, durch welche Abteilung wurde sie beantwortet und inwieweit erfolgte dabei eine Abwägung zwischen den Grundrechten des Betroffenen und dem Sicherheitsinteresse der Universität? Wenn nein, woher wussten die Polizeikräfte, in welchem Seminar und in welchem Gebäude sich der Betroffene befand? Nein, im Übrigen siehe Antwort zu 1. und 2. 4. Aufgrund der Verlegung der Vorlesung „Makroökonomik II“ an die Fakultät für Physik, eines für Prof. Dr. Bernd Lucke fremden Fachbereichs, kommt es nun zu erheblichen Einschränkungen für die Studierenden vor Ort. Wie verhält sich das Präsidium der Universität Hamburg dazu? Das Präsidium der UHH teilt die Auffassung nicht, dass es zu erheblichen Einschränkungen kommt. Der Hörsaal ist zur angegebenen Zeit nicht besetzt und die erforderlichen Maßnahmen sind in Abstimmung mit dem Dekanat entschieden worden. 5. Wie kann gewährleistet werden, dass die Sicherung der Vorlesung durch die Polizei nicht zur Einschränkung von § 50 HmbHG „Freiheit des Studiums “ führt, und welches Interesse überwiegt aus Sicht des Präsidiums ? Nach § 50 Absatz 3 HmbHG können die Hochschulen den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen beschränken, wenn dies zu deren ordnungsgemäßer Durchführung geboten ist. Aufgrund des Konfliktpotenzials im Hinblick auf die Lehrveranstaltung von Professor Lucke, das sich dann ja auch in massiven Störungen realisiert hat, war es zum Schutz sowohl der Teilnehmenden an der Lehrveranstaltung als auch des Lehrenden geboten, durch einen kontrollierten Zugang sicherzustellen, dass sich in dem Hörsaal keine unbeherrschbare Sicherheitslage entwickeln kann. 6. Im Rahmen der Vorlesung „Makroökonomik II“ werden Einlasskontrollen durch einen privaten Sicherheitsdienst durchgeführt, bei denen das Vorzeigen eines Personalausweises erforderlich war. Auf welcher (Rechts-) Grundlage fand diese vorliegende Weitergabe sensibler personenbezogener Daten der Studierenden an den beauftragten externen Sicherheitsdienst statt? a. Welche Daten wurden durch welche Abteilung an den externen Sicherheitsdienst weitergegeben? b. Welche Maßnahmen zum Datenschutz wurden seitens der Universität ergriffen, um den Schutz der personenbezogenen Daten der Studierenden zu gewährleisten? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/18979 3 c. Wie wurde mit Studierenden verfahren, die zwar Hörer/-innen der Vorlesung „Makroökonomik II“ sind, sich aber nicht mit einem Personalausweis ausweisen konnten, und existierten diesbezüglich Anweisungen durch die Universität? d. Sind Studierende verpflichtet, ihren Personalausweis gegenüber dem externen Sicherheitsdienst vorzuzeigen? Wenn ja, auf welcher (Rechts-)Grundlage? Wenn nein, welches Verfahren ist vorgesehen, wenn sich Studierende weigern, sich gegenüber dem externen Sicherheitsdienst auszuweisen , und existieren diesbezüglich Anweisungen durch die Universität ? Um die grundgesetzlich geschützte Freiheit von Forschung und Lehre zu gewährleisten , wurde unter anderem mit der beauftragten Sicherheitsfirma vor den Einlasskontrollen ein Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung geschlossen, der den Umgang mit den personenbezogenen Daten der Studierenden regelt. Es wurden die Familien- und Vornamen der eingeschriebenen Studierenden an den externen Sicherheitsdienst weitergegeben. Die Daten wurden vom Studienbüro Volkswirtschaftslehre erfasst und durch die Referatsleitung Infrastrukturelles Gebäudemanagement in Papierform an die Sicherheitskräfte weitergegeben. Die Namenslisten der Vorlesungsteilnehmer wurden fünfmal ausgedruckt an den Sicherheitsdienst vor Ort verteilt. Direkt im Anschluss an die Veranstaltung wurden die Bögen von der Referatsleitung Infrastrukturelles Gebäudemanagement beziehungsweise der Vertretung wieder eingesammelt. Studierende, die sich nicht mit einem Personalausweis ausweisen konnten, wurden auf den Onlinestream verwiesen, der alternativ zur Vorlesung vor Ort zur Verfügung stand. Es gab hierbei keinerlei Probleme. Die Universität hatte aufgrund der massiven Störungen in den vorherigen Vorlesungen geeignete und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um bevorstehende Gefahren für die Sicherheit abzuwehren (§ 81 Absatz 4 HmbHG i.V.m. § 3 Absatz 1 SOG). Durch eine rechtzeitige Information der Studierenden wurde gewährleistet, dass diese in der Lage waren, sich mit einem Personalausweis auszuweisen . Berichte über Weigerungen einzelner Studierender sind nicht bekannt. 7. Welche polizeilichen Maßnahmen hat die Polizei Hamburg am 16.10., am 23.10., am 30.11. und am 06.11.2019 im Zusammenhang mit der Vorlesung „Makroökonomik II“ durchgeführt (Identitätsfeststellungen, Platzverweise et cetera)? Bitte nach Datum differenzieren. Zu den von der Polizei durchgeführten Maßnahmen im Sinne der Fragestellung siehe folgende Tabelle: Maßnahme 30.10.2019 06.11.2019 Identitätsfeststellung 6 3 davon Platzverweise 2 1 Maßnahmen im Sinne der Fragestellung hat die Polizei darüber hinaus nicht getroffen. 8. Wie viele Ermittlungs-/Strafverfahren wurden im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Dozenten der Vorlesung „Makroökonomik II“ wegen welcher Delikte eingeleitet? Bei der Polizei sind im Sinne der Fragestellung vier Ermittlungsverfahren anhängig. Eine Strafanzeige vom 31. Oktober 2019 wegen Verdachts des Hausfriedensbruchs am 16. Oktober 2019; darüber hinaus siehe Drs. 21/18801 und Drs. 21/18705. Insgesamt sind fünf Strafverfahren eingeleitet. Als Tatvorwürfe sind derzeit Hausfriedensbruch , Beleidigung, Nötigung und Sachbeschädigung eingetragen.