BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19010 21. Wahlperiode 22.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 15.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Mangelnde Qualität im Hamburger Schulbau? Die Hamburgische Architektenkammer kritisiert in einer Pressemitteilung1, dass das Schulbaubudget für Hamburgs Schulbau zu gering bemessen ist, um Qualität und Nachhaltigkeit sicherzustellen. So liegen die Kostenrichtwerte im Schulbau in Hamburg mit zwischen 1 542 und 1 765 Euro pro Quadratmeter weit unter dem bundesdeutschen Mittelwert von 2 311 Euro. In der Folge mangele es an der Qualität, heißt es: Statt dauerhafter und nachhaltiger Materialien kämen durch den Kostendruck verstärkt preiswerte und weniger langlebige Materialen zum Einsatz. Dies ist beispielhaft auch in der Grundschule Duvenstedt zu befürchten: Bereits zwei Jahre nach Inbetriebnahme sind im Neubau der Grundschule vor mehreren Monaten deutliche Feuchtigkeitsschäden erkannt worden – bisher ohne Abhilfe zu schaffen. Problematisch ist laut Architektenkammer auch die Tatsache, dass der vorgegebene Kostenrahmen pro Quadratmeter Nutzfläche in Hamburg gleich bleibt, unabhängig vom einzelnen Bauvorhaben und davon, ob es sich beispielsweise um Klassenräume oder aufwendig ausgestattete Fachräume handelt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das in Hamburg eingeführte und praktizierte Schulbaumodell hat in den vergangenen Jahren viel Beachtung und positive Resonanz in ganz Deutschland hervorgerufen, da es klare Strukturen schafft und gute Qualität auf Basis einheitlicher Baustandards mit Kostenstabilität verbindet. Dass dies kein Widerspruch ist, zeigen die Nachhaltigkeitszertifikate und Architekturpreise, die eine Reihe von Hamburger Schulgebäuden in den letzten Jahren erhalten hat. Jüngstes Beispiel ist ein Schulneubau in der Potsdamer Straße, der nach den bestehenden Standards errichtet wurde und den die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) mit Gold zertifiziert hat. Somit leisten Hamburgs Schulgebäude auch einen direkten Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz . Die einheitlichen Standards sind zwischen Mieter, Dienstleister und Eigentümer abgestimmt und in einem entsprechenden Vertragswerk vereinbart, insbesondere in den Leistungsbeschreibungen Bau und Facility Management. Sie werden kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei spielen Kriterien wie die Wirtschaftlichkeit über den Lebenszyklus einer Immobilie und von Bauteilen, die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit eine 1 https://www.akhh.de/aktuell/nachrichten/artikel/hamburg-braucht-bessere-schulgebaeudekammer -kritisiert-zu-geringe-schulbau-budgets/. Drucksache 21/19010 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 bedeutende Rolle. Im Zuge von Lebenszyklusbetrachtungen werden sowohl die Bauals auch die Bewirtschaftungskosten sowie die Lebensdauern berücksichtigt. Das Hamburger Schulbaumodell wurde 2010 eingeführt und zum 1.1.2013 zu einem Mieter-Vermieter-Modell mit klarer Rollentrennung von Mieter (Bedarfsträger), Dienstleister (Realisierungsträger) und Eigentümer der Immobilien weiterentwickelt (Drs. 20/5317). Im Vordergrund stehen dabei ein möglichst kurzfristiger Abbau des Instandhaltungsstaus und die langfristige Sicherung der Funktionalität, Ausstattung und Qualität der Schulen während des gesamten Lebenszyklus der Gebäude, verbunden mit einer weiteren Steigerung der Nutzerzufriedenheit. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hoch waren die in den Architektenverträgen verankerten Kostenrichtwerte pro Quadratmeter im Hamburger Schulbau durchschnittlich jeweils in den Jahren 2005 bis zum Stichtag 31.10.2019? 2. Wie begründet der Senat, dass diese Kostenrichtwerte – sofern die Darstellung der Architektenkammer korrekt ist – weit unter den bundesdeutschen Werten liegen? Was ist hierfür die Ursache? Die von der Architektenkammer genannten Kostenrichtwerte und der Kostenansatz nach bundesdeutschem Durchschnitt sind durch die zuständige Behörde nicht nachvollziehbar . Nach der BKI, dem Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern , liegt der Durchschnittswert für Bildungsbauten bei 1 600 Euro je Quadratmeter Brutto-Geschossfläche, umgerechnet auf den Kostenansatz zur im Rahmen des Schulbaumodells verwendeten Mietfläche entspricht dies einem Wert von 1 840 Euro je Quadratmeter Mietfläche. Für Neubauprojekte im Hamburger Schulbau liegen die reinen Baukosten-Richtwerte seit 1. Januar 2019 bei 1 832 Euro pro Quadratmeter Mietfläche, seit 2013 1 756 Euro pro Quadratmeter, davor individuell. 3. Stimmt es, dass die Kostenrichtwerte pro Quadratmeter im Hamburger Schulbau identisch sind, unabhängig beispielsweise von der Nutzungsform der Räumlichkeiten (Klassenraum beziehungsweise Fachraum)? Wenn ja, warum? Grundsätzlich ja; lediglich für Küchen und für Sonderschulen gibt es aufgrund der großen Besonderheiten in der individuellen Ausstattung differenzierte Kostenrichtwerte . Die Kostenrichtwerte bilden damit ein durchschnittliches Schulgebäude mit den verschiedenen Raumtypen ab, die anteilig berücksichtigt sind. Damit eröffnen sie die Möglichkeit, im Rahmen eines Bauprojektes gezielte Schwerpunkte zu setzen und den Budgetrahmen flexibel zu nutzen, ohne zu enge und kleinteilige Kostenvorgaben zu machen. 4. Wie viele und welche der laut Schulentwicklungsplan neuen Schulen beziehungsweise Schulerweiterungen sollen in Holzständerbauweise beziehungsweise in Massivbauweise realisiert werden? Bitte tabellarisch und sortiert nach Schulregion auflisten. 5. Wie viele der neuen Schulen beziehungsweise Schulerweiterungen sollen eine Putzaußenfassade erhalten, wie viele eine Backsteinfassade, wie viele eine Holzfassade? Bitte tabellarisch und sortiert nach Schulregion auflisten. 6. Bei Putz- sowie Holzaußenfassaden ist mit stetigen Folgekosten insbesondere durch Farbanstrich zu rechnen. Mit welchen Folgekosten rechnet der Senat diesbezüglich pro Jahr in zehn beziehungsweise 20 Jahren ? Wo werden diese im Haushalt berücksichtigt? Die Entscheidung der Bauform beziehungsweise des Fassadenmaterials ist projektabhängig , marktabhängig und wird individuell im Zuge des Planungsprozesses mit den Projektbeteiligten getroffen. Im Neubau werden überwiegend Klinkerfassaden errichtet, die in Hamburg vorherrschend sind und sich harmonisch in das städtebauliche Gesamtgefüge einbetten. Andere Materialien wie Holz und Putz können standortbedingt auch ausgeführt wer- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19010 3 den, wenn dies ortsbildprägend ist (zum Beispiel aus städtebaulicher oder denkmalpflegerischer Sicht). Die Folgekosten für einen erhöhten Pflegeaufwand dieser Fassaden sind im Bewirtschaftungs - beziehungsweise Instandhaltungsbudget der jeweiligen Standorte im Haushalt eingestellt und werden durch die deutlich preiswertere Herstellung im Laufe des Lebenszyklus eines Gebäudes kompensiert. 7. Welchem Standard genügen die geplanten und angestrebten einheitlichen Modulbauweisen an Hamburgs Schulen? Wird hier auf nachhaltige und langlebige Materialien gesetzt? Auch die in Vorbereitung befindlichen Modul- beziehungsweise Systembauweisen an Hamburgs Schulen sind so geplant, dass sie von der DGNB das Nachhaltigkeitszertifikat in Gold erhalten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. Gibt es eine Grundlage, auf der definiert ist, dass im Schulbau möglichst nachhaltige und langlebige Materialien verwendet werden sollten? Wenn ja, wo und inwiefern? Siehe Vorbemerkung. 9. Zur Grundschule Duvenstedt: Sind dem Senat beziehungsweise Schulbau Hamburg die Baumängel am Neubau der Grundschule bekannt? Wenn ja, seit wann? a) Worin liegen die Feuchtigkeitsschäden begründet? b) Wie und wann soll Abhilfe geschaffen werden? Hier handelt es sich um Mängel in der Bauausführung, nicht um Mängel in den verwendeten Materialien. Die Mängel sind seit September 2018 bekannt, der Boden ist uneingeschränkt nutzbar. Durch eine nicht korrekt verbundene Leitung konnte Wasser in den Fußbodenaufbau eindringen. Für Sommer 2020 ist eine Überarbeitung des Fußbodenaufbaus geplant. Darüber hinaus wurden die Abdichtungen der Außentüren nicht fachgerecht ausgeführt. Dieser Mangel wurde bereits im März dieses Jahres behoben. 10. Gibt es weitere Beispiele von gravierenden Baumängeln an Hamburgs Schulen? Wenn ja, welche? Trotz hoher Standards kommt es auch im Hamburger Schulbau gelegentlich, besonders durch die angespannte Marktlage im Bausektor, zu Baumängeln, die aufgrund von mangelhafter Planung oder Fehlern bei der Bauausführung entstehen. Diese Mängel werden nach den üblichen Verfahren in der Regel spätestens bei der Bauabnahme erkannt, aufgenommen, verfolgt und behoben. 11. Wie bewertet der Senat die Behauptung der Architektenkammer, dass vielfach an Materialien gespart wird, vor allem wenn das Budget knapp bemessen ist? Siehe Vorbemerkung. 12. Stimmt der Senat der Aussage zu, dass gerade in Gebäuden, die viel frequentiert sind, langlebige und robuste Materialien eingesetzt werden müssen, ansonsten sind die Folgekosten umso höher? Ja. Im Übrigen siehe die Vorbemerkung. 13. Welche Lebenszeit bei geplant großer Belastung sollen a) im Außenbereich Holz- und Putzfassaden sowie Dächer haben? b) im Innenbereich Fußböden, Wandanstriche, Deckengestaltung (gegebenenfalls mit Schallschutz) sowie Türen/Türzargen haben? Drucksache 21/19010 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 und durch welche Maßnahmen (gegebenenfalls auch pflegerischer Art) werden diese erreicht? Eine fachgerecht ausgeführte Holzfassade mit dem richtig ausgewählten Baumaterial (zum Beispiel Lärche) ist in der Regel ohne weitere Folgekosten in der Bewirtschaftung , die Haltbarkeit der Holzfassade wird nach dem Bewertungssystem für nachhaltiges Bauen (BNB) auf 40 Jahre datiert. Eine Putzfassade mit mineralischem Aufbau und Anstrich hat ohne Wartung eine ähnliche Lebenserwartung. Dächer werden bei Neubauten in der Regel als Flachdach in Beton mit entsprechender Wärmedämmung nach geltender Energieeinsparverordnung (EnEV) und einer Folienabdichtung nach den technischen Regelwerken ausgeführt. Alle Neubaudächer erhalten ein Gründach und werden nach Möglichkeit mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet. Die Lebenserwartung zur Dachabdichtung nach BNB beträgt 20 Jahre, Verlängerung der Lebenserwartung mit dem Gründach auf 40 Jahre. Bodenbeläge in hochfrequentierten Eingangsbereichen werden in Betonwerkstein ausgeführt, alle anderen Bereiche werden mit hochwertigem Kautschuk-Bodenbelag ausgeführt, mit Ausnahme von WC-Bereichen, wo keramische Beläge zum Einsatz kommen. Die Lebenserwartung für Betonwerkstein und keramische Beläge beträgt mehr als 50 Jahre, für Kautschuk-Bodenbeläge beträgt die Lebenserwartung circa 20 bis 30 Jahre. Wandanstriche werden mit Dispersionsfarbe und mindestens der Nassabriebklasse 2 ausgeführt, mit einer hohen mechanischen Beanspruchung und guter Reinigungsmöglichkeit . In stark strapazierten Bereichen sind abwaschbare Schutzanstriche vorgesehen . Die Lebenserwartung für Anstriche in der Nassabriebklasse 2 beträgt zehn Jahre, für die Nassabriebklasse 1 15 Jahre. Die Deckengestaltung wird in der Regel bestimmt durch die Optik der Akustikdeckensysteme . Die Akustikelemente an der Decke sind notwendig, um die entsprechenden Nachhallzeiten in den Räumen zu realisieren. Dieses dient zum einen der besseren Hörsamkeit beziehungsweise Sprachverständlichkeit von Räumen im Zuge des Unterrichts , sowie der Lärmminderung, das heißt dem Gesundheitsschutz von Beleg- und Schülerschaft. Für Akustikdecken/-elemente beträgt die Lebenserwartung 40 Jahre. Bei Türen und Türzargen wird ebenfalls entsprechend der schalltechnischen Anforderungen an Klassenraumtüren großer Wert auf eine schwere Bauart mit hochstrapazierfähigen Oberflächen gelegt. Die Ausführung der Zargen erfolgt in Stahl mit einer Materialstärke von mindestens 2 mm, was für die hochstrapazierte Beanspruchung in Schulen notwendig ist. Innentüren und Zargen haben eine Lebenserwartung von 50 Jahren. Alle eingebauten Materialien durchlaufen bei SBH und GMH eine Lebenszykluskostenanalyse . Beschaffungskosten, Bewirtschaftungskosten, Entsorgungskosten bei Lebensende sowie die CO2-Äquivalente werden verglichen und ausgewertet. Darüber hinausgehend werden alle Innenbauteile durch das Sentinel Haus Institut auf geringe Emissionen hin zertifiziert. Die Angaben sind Richtwerte und können auch zeitlich übertroffen werden. Bei einem positiven Nutzungsverhalten kann der Renovierungsaufwand teilweise erheblich sinken .