BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19032 21. Wahlperiode 26.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 18.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Erfrierungsschutz für Obdachlose optimieren – Hat der Senat die weitere Aufstockung von Übernachtungsplätzen bei Kirchengemeinden geprüft? Obwohl in den letzten Jahren durchgehend Plätze im Winternotprogramm (WNP) frei geblieben sind, sind in Hamburg trotzdem Obdachlose erfroren. Es stellt sich also die Frage, warum die Obdachlosen den Weg in die Unterkünfte trotz Minusgraden nicht auf sich nehmen wollen oder können. Auffällig ist aber vor allem, dass während bei dem städtischen Betreiber f & w fördern und wohnen AöR (f & w) Plätze in den beiden Unterkünften des Winternotprogramms frei blieben, die rund 130 staatlich finanzierten, aber ehrenamtlich betreuten Schlafplätze in Wohncontainern zusätzlich bei Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen zu 100 Prozent ausgelastet sind. Hier stellt sich also die Frage, inwieweit diese Plätze vielleicht noch ausgeweitet werden könnten. Es bieten sich beispielsweise im Bereich der Flüchtlingsunterbringung nicht mehr genutzte Wohncontainer an. Auch ein Blick nach Berlin inspiriert: Dort stellt das Start-up My Molo GmbH durch Spenden finanzierte mobile Container, die eigentlich als Unterkunft auf Festivals im Einsatz sind, als Kälteunterkunft für Obdachlose zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Winternotprogramm ist eine zur Gefahrenabwehr ordnungsrechtlich gebotene Maßnahme des Kälte- und Erfrierungsschutzes in den Wintermonaten. Hierzu hat sich der Senat bereits mehrfach geäußert, siehe unter anderem Drs. 21/18882. Mit Blick auf die teilnehmenden Kirchengemeinden und weiteren Einrichtungen ist das Winternotprogramm zugleich auch eine gute Hamburger Tradition, die seit vielen Jahren auf die Solidarität aller Hamburgerinnen und Hamburger mit obdachlosen Menschen zurückgeht. Seit 27 Jahren richten die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), die Kirchengemeinden und weitere Einrichtungen (zum Beispiel Hochschulen) gemeinsam jeden Winter neben den ganzjährigen Notübernachtungsstätten zusätzliche Schlafplätze für obdachlose Menschen ein, um sie vor Kälte und Erfrierung zu schützen. Bei den teilnehmenden Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen lässt die Stadt Wohncontainer temporär aufstellen. Die Vergabe der Plätze erfolgt durch die Tagesaufenthaltsstätte des Diakonischen Werkes in der Bundesstraße . Die Betreuung der Übernachtenden an den Standorten der Wohncontainer übernehmen Ehrenamtliche. Der Senat begrüßt und schätzt das hohe ehrenamtliche Engagement in der Wohnungslosenhilfe sehr. Die vorübergehende Notunterbringung und ehrenamtliche Betreuung obdachloser Menschen in den Wintermonaten bei den Kirchengemeinden und sonstigen Einrichtungen gehört ebenso dazu wie etwa die Unterstützung des Drucksache 21/19032 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Winternotprogramms durch den Förderverein Winternotprogramm für obdachlose Menschen e.V. Obgleich für die überwiegende Zahl der Nutzerinnen und Nutzer des Winternotprogramms die zentralen Standorte des Betreibers f & w fördern und wohnen AöR (f & w) logistisch, organisatorisch und personell eine hochwertige und jederzeit verfügbare Anlaufstelle darstellen, sind die dezentralen Ergänzungen durch deutlich kleinere Wohncontainer-Standorte nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Winternotprogramms . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von f & w wie folgt: 1. Bei welchen Kirchengemeinden beziehungsweise welchen anderen Einrichtungen sind aktuell jeweils wie viele der rund 130 zusätzlichen Schlafplätze im Rahmen des WNP? 2. Wie viele waren es an den unter 1. genannten Standorten jeweils im WNP 2018/2019? Siehe Anlage. 3. Erfolgte in den letzten Jahren eine Aufstockung der Plätze bei Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen? Wenn ja, wann in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? 4. Hat der Senat eine weitere Aufstockung der Plätze bei Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen geprüft? Wenn ja, wann mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? 5. Mit welchen weiteren Kirchengemeinden und anderen Einrichtung außer den bereits am WNP beteiligten, ist der Senat bezüglich der Bereitstellung weiterer WNP-Plätze im Gespräch? Wenn er nicht im Gespräch ist: Warum nicht? 6. Liegen dem Senat Interessensbekundungen von Kirchengemeinden oder anderen Einrichtungen für die Aufstellung von Unterkünften im Rahmen des WNP vor? Wenn ja, von wem von wann mit welcher Reaktion des Senats? In Rahmen der Vorbereitung des jeweils nächsten Winternotprogramms fragt die zuständige Behörde frühzeitig bei den Kirchengemeinden und Einrichtungen, die am jeweils vorherigen Winternotprogramm bereits teilgenommen haben, an, ob eine erneute Teilnahme beabsichtigt sei. Darüber hinaus gibt es unterjährige Kontakte zu weiteren Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen, die eine mögliche Teilnahme am Winternotprogramm zum Gegenstand haben. Die Kirchengemeinden und andere Einrichtungen entscheiden sich für eine entsprechende Anzahl von Containerplätzen anhand der jeweiligen räumlichen und personellen (ehrenamtlichen) Kapazitäten, die ihnen zur Verfügung stehen. In keinem Fall ist bisher seitens der zuständigen Behörde ein Angebot zur regulären Teilnahme am Winternotprogramm oder zur Aufstockung von Plätzen nicht angenommen worden. Die Anzahl der Plätze variiert dementsprechend, da Kirchengemeinden und andere Einrichtungen vereinzelt ihre Plätze reduzieren oder aufstocken. Für das Winternotprogramm 2019/2020 konnte eine signifikant höhere Anzahl von Plätzen bei den Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen akquiriert werden (siehe Anlage). Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Welche Kosten entstehen dem Senat je Standort beziehungsweise je Platz je Standort? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19032 3 8. Welche Kosten entstehen dem Senat bei den beiden vom Senat betriebenen Standorten insgesamt bei wie vielen Plätzen und jeweils je Platz? Im Winternotprogramm werden platz- und standortbezogene Kosten nicht standardisiert ausgewertet. Bei einem in den letzten Jahren weitgehend konstanten finanziellen Gesamtvolumen im Containerangebot der Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen von rund 300 000 Euro pro Winternotprogramm-Durchgang ergeben sich unter der Annahme von zuletzt 109 Plätzen im Winternotprogramm 2018/2019 Containerplatzkosten von durchschnittlich rund 2 800 Euro für die fünfmonatige Laufzeit des Winternotprogramms . Hierin enthalten sind auch die Aufwandsentschädigungen für die Ehrenamtlichen . Bei Gesamtkosten von rund 4,5 Millionen Euro im Winternotprogramm 2018/2019 (siehe Drs. 21/18258) entfallen auf die Schlafstätten des Winternotprogramms beim städtischen Betreiber f & w nach derzeitigem Abrechnungsstand rund 4 000 000 Euro. Dies ergäbe bei dort zur Verfügung gestellten 650 Plätzen Kosten pro Platz in Höhe von rund 6 150 Euro einschließlich der hauptamtlichen personellen Kapazitäten. Ebenfalls Teil des Winternotprogramms und der Kosten sind die Wärmestube und die Tagesaufenthaltsstätte in der Hinrichsenstraße. Aufgrund der hohen, insbesondere personellen Ausstattung (unter anderem professionelle Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sprachmittlerinnen und Sprachmittler, Wachdienst) der Standorte von f & w sowie der hohen Anzahl verschiedener Nutzerinnen und Nutzer (fast 3 000 verschiedene Personen im Winternotprogramm 2018/2019) ist die Kostenquote der Plätze der Winternotprogramm-Standorte von f & w nicht vergleichbar mit den Kosten der Containerplätze bei den Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen. 9. Wie viele aktuell nicht genutzte Wohncontainer aus dem Bereich der Flüchtlingsunterbringung befinden sich aktuell im Besetz der Stadt? Wie viele davon angemietet, wie viele im Eigentum? 10. Inwieweit sind die unter 8. genannten Container auch für das WNP nutzbar ? Die Behörde für Inneres und Sport hat derzeit noch 278 Wohncontainer angemietet. Im Eigentum befinden sich keine Wohncontainer. Die genannten Container dienen als Reserve- und Notfallunterkünfte für Geflüchtete und sind auch als solche ausgestattet. Sie sollen im Rahmen der Reserve- und Notfallplanung umgehend zur Verfügung stehen, wenn bestehende Einrichtungen aufgrund von unvorhersehbaren Ereignissen nicht mehr bewohnbar sind und evakuiert werden müssen oder wenn aus anderen Gründen die Kapazitäten aufgestockt werden müssen. Infolge dessen können sie nicht für das Winternotprogramm genutzt werden. Darüber hinaus befinden sich aktuell drei nicht genutzte kleine Containermodulgebäude im Eigentum von f & w, die derzeit zum Verkauf stehen. Die Container von f & w sind jeweils nur als Gesamtgebäude und voll ausgebaut nutzbar. Der Ausbau erfolgt nach Aufbau des Modulgebäudes. Die Nutzung wäre nur mit einer entsprechenden Baugenehmigung und einem entsprechend großen Grundstück realisierbar. Deshalb sind diese Container für die Bedarfe des Winternotprogramms derzeit nicht nutzbar. Darüber hinaus sind die Module im Aufbau für einen längeren Zeitrahmen wirtschaftlich zu nutzen (circa fünf bis zehn Jahre). Auch dieser ist mit einer temporären Nutzung über das Winternotprogramm nicht gegeben. Eine Erweiterung der Nutzung von Containern für das Winternotprogramm wäre deshalb allein schon aus diesen Gründen nicht ohne Weiteres möglich. Auch die Frage nach geeigneten Flächen stellt sich bei einer Ausweitung des Containerprogramms, siehe hierzu auch Vorbemerkung. Zudem müsste an dem hohen Standard festgehalten werden, den die Kirchengemeinden und andere regulär am Winternotprogramm teilnehmende Einrichtungen gewährleisten, indem sie sicherstellen, dass im Rahmen des Winternotprogramms auch Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Beratung und Betreuung vor Ort sind. Drucksache 21/19032 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 11. Weiß der Senat, ob auch in Hamburg ein ähnliches Spendenprojekt wie in Berlin von dem Start-up My Molo GmbH geplant ist oder war? Wenn ja, wann wo von wem mit welchem Ergebnis? 12. Ist ein Spendenprojekt wie in Berlin auch in Hamburg denkbar? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Wenn nein, warum nicht? Zu dem genannten Projekt liegen der zuständigen Behörde bisher keine Erkenntnisse vor. Bei der Sicherstellung des Kälte- und Erfrierungsschutzes, hält der Senat an dem hohen Standard im Hamburger Winternotprogramm weiterhin fest und bezieht hierin auch ehrenamtliches Engagement mit ein, siehe hierzu auch Vorbemerkung. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/19032 5 Anlage Kirchengemeinde, andere Einrichtung Plätze WNP 2019 / 2020 Plätze WNP 2018 / 2019 1. Evangelische Hochschule für soziale Arbeit & Diakonie Rauhes Haus (Horn) 6 (für Paare) 6 (für Paare) 2. Erzbistum Hamburg Verein Obdachlosenhilfe um den Mariendom 24* (für Männer) 12 (für Männer) 3. Timotheus Kirchengemeinde zu Hamburg Horn (Horn) 2 (für Männer) 2 (für Männer) 4. Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Alexanderstraße (Hmb. Mitte) 10 (für Frauen) 10 (für Frauen) 5. Ev.-luth. Kirchengemeinde zu Hamburg Hamm Dreifaltigkeitskirche (Horn) 6 (für Männer) / 6. Ev.-luth. Hauptkirchengemeinde St.Trinitatis Altona (Altona-Altstadt) 4 (für Männer) 4 (für Männer) 7. Ev.-luth. Tabita Kirchengemeinde Ottensen-Othmarschen (Ottensen) 4 (für Männer) 4 (für Männer) 8. Großstadtmission Hamburg Altona e.V. (Bahrenfeld) 4 (für Frauen) 4 (für Frauen) 9. Johannes-Kirchengemeinde Hamburg-Rissen (Rissen) 2 (für Männer) 2 (für Männer) 10. EFG Altona (Altona Alstadt) 12 (für Männer) / 11. Hauptkirche St. Ansgar Hamburg Niendorf (Lokstedt) 4 (für Frauen) 4 (für Männer) 12. Ev.-luth. Kirchengemeinde Niendorf Verheißungskirche (Niendorf) 2 (für Frauen) 2 (für Frauen) 13. Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern (Harvestehude) 4 (für Männer) 4 (für Männer) 14. Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Peter zu Hamburg Groß Borstel (Groß Borstel) 3 (für Frauen) 3 (für Frauen) 15. Ev.-luth. Kirchengeminde Ansgar Langenhorn 2 (für Frauen) 2 (für Frauen) 16. Gemeinde Heilige Familie Langenhorn 2 (für Männer) 2 (für Männer) Drucksache 21/19032 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Kirchengemeinde, andere Einrichtung Plätze WNP 2019 / 2020 Plätze WNP 2018 / 2019 17. Kichengemeinde Farmsen-Berne Erlöserkirche (Farmsen-Berne) 4 (für Paare) 4 (für Paare) 18. Ev.luth. Markus Kirchengemeinde Hohenhorst Rahlstedt-Ost (Rahlstedt) 4 (für Männer) 2 (Männer, Frauen oder Paare) 19. Kirchengemeinde Meiendorf-Oldenfelde Matthias-Claudius-Kirche (Rahlstedt) 4 (für Männer) 4 (für Männer) 20. Landesgeschäftstelle der Malteser (Steilshoop) 2 (für Männer) 2 (für Männer) 21. Kath. Kirchengemeinde Heiligkreuz (Volksdorf) 2 (für Männer) 2 (für Männer) 22. Ev.-luth. Kirchengemeinde Alt Rahlstedt Martinskirche (Rahlstedt) 2 (für Männer) 4 (Männer, Frauen oder Paare) 23. Ev.-luth. Kreuzkirchengemeinde Wandsbek 4 (für Frauen) 4 (für Frauen) 24. Ev.-luth. Kirchengemeinde Tonndorf (Tonndorf) 4 (für Männer) 4 (für Männer) 25. Kath. Kirchengemeinde Mariä Himmelfahrt (Rahlstedt) 2 (für Frauen) / 26. EFG Bergedorf (Lohbrügge) 10 (für Männer) 10 (für Männer) 27. Nordelbische Ev.-luth. Kirche St.Petrus Hamburg Harburg (Heimfeld) 2 (für Männer) 2 (für Männer) 28. Ev.-Luth. Kirchengemeinde Eimsbüttel Christuskirche 3* (für Männer) / Insgesamt: 134* 99** * Gegenüber der zu Beginn des Winternotprogramms (WNP) 2019/2020 kommunizierten Anzahl der Plätze hat es hier aufgrund einer Aufstockung und einer Bestätigung der zusätzlich avisierten Teilnahme eine Erhöhung der Anzahl der Plätze gegeben. ** Zzgl. 10 weiterer Plätze, die zusätzlich bei der Kirchengemeinde Franz von Assisi zur Verfügung standen. Diese Kirchengemeinde nimmt am WNP 2019/2020 nicht teil und ist daher (entsprechend der Fragestellung) nicht in der Tabelle aufgeführt worden. Quelle: Bezirksamt Hamburg-Mitte (Liste der am WNP teilnehmenden Kirchengemeinden u.a. Einrichtungen)