BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/19034 21. Wahlperiode 26.11.19 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 18.11.19 und Antwort des Senats Betr.: Polizeiliche Videoaufnahmen bei einer Demonstration am 11.10.2019 Am 11.10.2019 fand ab 20.30 Uhr eine angemeldete Demonstration unter dem Tenor „Antifa in die Offensive! Solidarität mit Rojava – Gegen rechten Terror“ statt. Die Demonstration begann am Neuen Pferdemarkt und die Route führte durch St. Pauli. Es nahmen etwa 600 bis 800 Personen teil. Als die Demonstration von der Balduinstraße kommend in die Silbersackstraße einbog , wurden die Teilnehmer/-innen mit einem Scheinwerfer angeleuchtet und am Rand standen mehrere Polizeikräfte die Filmaufnahmen von den Demonstrationsteilnehmern/-innen machten. Laut Auskunft von Teilnehmern/-innen war die Stimmung der Versammlung sehr gelassen und es gab keinerlei Vorkommnisse, die ein polizeiliches Abfilmen der Versammlung erklären könnten. Auch die Polizei hat im Nachgang nicht über die Versammlung oder etwaige Vorkommnisse berichtet. Anlasslose Filmaufnahmen bei Versammlungen durch die Polizei stellen einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Sie können dazu führen, dass sich Menschen von der Polizei eingeschüchtert fühlen und sich von der Wahrnehmung ihrer Grundrechte abschrecken lassen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Polizei hatte in der Silbersackstraße im vorderen Bereich des in Rede stehenden Aufzuges den Verdacht, dass eine Vermummung von Aufzugsteilnehmern erfolgt. Die Vermummung stellt gemäß § 17a Absatz 2 Nummer 1 Versammlungsgesetz ein strafrechtlich relevantes Verhalten dar. Darüber hinaus wurden zuvor im mittleren und hinteren Bereich des Aufzuges zwei Fahnen der kurdischen Frauenverteidigungseinheit (YPJ) festgestellt, sodass der Verdacht eines Verstoßes gegen § 20 Absatz 1 Nummer 5 Vereinsgesetz sowie gegen § 86 Strafgesetzbuch (StGB) bestand. Die Videoaufzeichnungen wurden daher zum Zwecke der Beweissicherung angefertigt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Aus welchen Gründen und zu welchem Zweck erfolgten die Videoaufnahmen der Versammlungsteilnehmer/-innen an der Ecke Balduinstraße /Silbersackstraße? 2. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgten die Videoaufnahmen der Versammlung ? Bitte angeben, aus welchen Gründen die Tatbestandsmerkmale der Rechtsgrundlage gegeben waren. Die Polizei hat die Videoaufzeichnungen auf Grundlage von § 100h i.V.m. §§ 161, 163 Strafprozessordnung (StPO) angefertigt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/19034 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Mit wie vielen Kameras wurden die Videoaufnahmen aufgenommen? Eine. 4. Inwieweit sind die Videoaufnahmen zu welchem Zweck gespeichert worden ? a. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Speicherung der Videoaufnahmen ? b. Wann endet die Speicherfrist für die Videoaufnahmen? Die nach § 100h StPO erhobenen Daten werden nach Maßgabe der StPO (§ 101 StPO) aufbewahrt. Sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten ohne Einwilligung der Betroffenen nur zu diesem Zweck verwendet werden; sie sind entsprechend zu sperren (§ 101 Absatz 8 StPO). 5. Sind Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Demonstration eingeleitet worden? Wenn ja, wie viele und wegen welcher Delikte? Durch die Polizei wurden vier Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Verfahren haben die Tatvorwürfe der versuchten gefährlichen Körperverletzung, der Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten, des strafbaren Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen sowie des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen zum Gegenstand. Die abschließende rechtliche Beurteilung obliegt der Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Sachleitungsbefugnis. 6. Wurden auch an anderen Orten Videoaufnahmen der Versammlung gefertigt? Wenn ja, wo, auf welcher Rechtsgrundlage und aus welchen Gründen? Ja, im Bereich Bernhard-Nocht-Straße/Balduinstraße auf Grundlage von § 100h StPO zum Zwecke der strafrechtlichen Beweissicherung, da der Verdacht der Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten gemäß § 104 StGB bestand.